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Einkaufszentrum: Himmelpfortens Riesen-Interesse an Bünting-Plänen

350 Bürger und Bürgerinnen hören, wie und wo in Himmelpforten das neue Einkaufszentrum entstehen soll.

350 Bürger und Bürgerinnen hören, wie und wo in Himmelpforten das neue Einkaufszentrum entstehen soll.

350 Himmelpfortener ließen sich am Montagabend über das geplante neue Einkaufszentrum an der Bahnhofstraße informieren. Nach Kurzvorträgen der Planer und Gutachter gab es eine sehr sachliche und konstruktive Diskussions- und Fragestunde.

Von Jutta Eidtmann Dienstag, 05.04.2016, 16:28 Uhr

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Himmelpforten steht vor einer gewaltigen Veränderung. Wenn die Bünting-Handelsgruppe – wie Projektleiter Matthias Adler ankündigte – zehn Millionen Euro in die Hand nimmt und zwischen Bundesstraße 73, Bahnhofstraße und Mühlenstraße vier neue Objekte baut (Combi, Aldi, Rossmann und einen Fachmarkt), ist das Gesicht des Christkinddorfes an dieser Stelle ein ganz anderes. Der Baumbestand wird deutlich dezimiert, Verkehrsströme und Lärm rund um Kirche und altem Steinmetzhaus werden zunehmen. Dafür gibt es wieder mehr Einkaufsoptionen im boomenden Ort mit seinen 5000 Einwohnern. Und das mitten im Zentrum, der gutachterlichen „Eins-a-Lage“.

Das treibt die Politik nach der Schließung des Rewe-Marktes um. „Wir wollen abgewanderte Kaufkraft zurückholen“, so Bürgermeister und Moderator Bernd Reimers in der voll besetzten Eulsete-Halle. Es war der offizielle Teil der frühzeitigen Bürgerbeteiligung. In den kommenden vier Wochen haben alle Interessierten die Möglichkeit, Stellungnahmen und Einwendungen abzugeben. Sie werden abgewogen, wenn es um die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 34 geht.

Alle Bürger hatten mit einer schriftlichen Einladung die jüngste (zweite) Planungsskizze des Investors erhalten. Sie bildet die Grundlage des gestarteten Verfahrens, ist aber wie Bernd Reimers wiederholte, „nicht in Stein gemeißelt“.

Umstritten ist – auch in der Politik – der Fachmarkt. Bünting-Projektleiter Adler erklärte, dass er aus wirtschaftlichen Gründen für sein Haus unverzichtbar ist. Es liege aber bei der Gemeinde, was sie an Sortimenten ausschließe. Verzichten könne Bünting unter Umständen auf den geplanten Blumenshop am Combi-Eingang, gesetzt sei die Bäckerei.

Nach Auskunft von Matthias Adler will die ostfriesische Handelskette 10 Millionen Euro investieren und circa 60 neue Arbeitsplätze schaffen. Sie möchte den Bau 2017 starten und nach zwölf Monaten Bauzeit 2018 eröffnen.

Planer Bernd Mügge berichtete, dass die notwendigen Grundstückskauf-Verhandlungen noch laufen. Zufahrten sind über Bahnhofstraße und B 73 geplant. Die Anlieferung von Waren wird ausschließlich über die Bahnhofstraße erfolgen.

Geplant sind 201 Stellplätze nur für die Märkte. Es fehlen aber noch Parkplätze für das alte Steinmetzhaus. Dort will Privatinvestor Sascha Krause vom Unternehmen Schwimmbad-Krause in Hammah ein Bewegungsbad und Therapieräume einrichten. Das sei auch im Interesse der Bethel-Stiftung, die aus dem Steinmetzhaus in ihre Neubauten umgezogen ist, erklärte Reimers. Sascha Krause war entgegen der Ankündigung nicht anwesend.

Bürgermeister Reimers (rechts) moderierte. Architekt Bernd Mügge, Bünting-Projektleiter Matthias Adler und die Rathausbeamten Frank Buhrmester, Martin Wist und Holger Falcke (von links) hören zu.

Viele Fragen zum Einkaufszentrum sind noch ungeklärt. Das größte Hindernis bildet die Waldohreule, die im Steinmetzhauspark einen Lebensraum hat. Der bauliche Eingriff würde einen Verstoß gegen Artenschutzvorschriften bedeuten.

Deshalb brauchen die Planer eine Ausnahmegenehmigung.Vom Ausgang der Verhandlungen mit der Naturschutzbehörde des Landkreises Stade hänge vieles ab, bremste Architekt Uwe Cappel, der die Planung aus städtebaulicher und gemeindlicher Sicht begleitet. Der neue Plan trägt in Zügen bereits seine Handschrift, bringt mehr Gefälligkeit und Fußgängerfreundlichkeit hinein. In der Schublade hat Uwe Cappel den Entwurf einer deutlich abgespeckten Variante mit Erhalt des Biotops. Er wurde von einigen Bürgern mit Interesse zur Kenntnis genommen.

Diplom-Biologe Torsten Bartels aus Hamburg sieht in Sachen Waldohreule eine Menge „Aufgaben“, aber auch „Lösungsansätze“. Alle Beteiligten suchten nach einer nachhaltigen und sorgfältigen Lösung.

Optimismus versprühte auch Ingenieur Jörn Janssen vom Büro SHP Ingenieure aus Hannover. Die verkehrliche Anbindung über B 73 und Bahnhofstraße könne gut gelöst werden. Er favorisiert für die Einmündung Bahnhofstraße / B73 einen Kreisverkehr.

Bei vorgeschalteten Ausgrabungen, so Kreisarchäologe Daniel Nösler, dürfte man auf Reste der Klosteranlage stoßen.

Archäologe Daniel Nösler mit Daten zur Klostergeschichte. Fotos Eidtmann

In 25 konstruktiven Redebeiträgen aus dem Publikum und Applausbekundungen wurde am Montagabend in der Eulsete-Halle deutlich, dass sich die Menschen neue Märkte im Ort wünschen. „Himmelpforten erwache!“ beendete ein Bürger seinen Appell.

Er denkt an die vielen jungen Familien, die zuziehen und woanders einkaufen, weil es in Himmelpforten derzeit nur Sky, Aldi und Penny als Verbrauchermärkte gibt. Wenn erst die Autobahn komme, sei bald wieder alles eine Nummer zu klein. Milly Niethen, Vorsitzende des Seniorenbeirats, brach eine Lanze für die ältere Generation. Sie persönlich sei von Stade nach Himmelpforten gezogen, weil „dies ein toller Ort zum Leben im Alter ist“. Man komme überall hin – zeitnah und ohne Kopfsteinpflaster. Eine Gräpelerin freut sich auf die Drogerie Rossmann, „dann muss ich dafür nicht extra nach Bremervörde fahren“.

Manche Redner hatten gezielte Fragen: Da ging es um die Ausgleichsflächen und Verkehrsspitzenzeiten, um die Anbindung von Wehbers Mühle (ist noch ungeklärt und als Erschließungszufahrt nicht erforderlich) oder um die Zahl der Investoren, die vor Bünting Interesse an einer Ansiedlung hatten. Bürgermeister Bernd Reimers kam auf sieben. Aber viele wollten direkt an die Bundesstraße, einer hatte sogar den Rathausvorplatz im Visier.

Einige Beiträge kreisten um den Sky-Markt. Es gab Vorschläge, auch ihn und seinen Standort zu stärken und damit Größe aus dem Center an der Bahnhofstraße zu nehmen. Dann habe man weiterhin zwei gleichwertige Anlaufstellen im Ort. Irgendwie steht das Datum im Raum, dass Sky 2018 schließen könne. Mit solchen Gerüchten solle man vorsichtig sein, so Bernd Reimers. Er erinnerte daran, dass bei jedem neu geplanten Markt erst einmal der Aufschrei groß sei.

Eine Reihe von Rednern setzten sich ganz klar für den Erhalt des Steinmetzpark-Wäldchens ein. Hildegard Ackermann etwa fand die abgespeckte Bau-Variante von Uwe Cappel ohne Fachmarkt gut. „Da ist alles drin, was wir brauchen.“ Sie möchte, dass Besucher und Einheimische im Umfeld von Kirche und Steinmetzhaus noch erkennen, wo unser Ort entstanden ist.“

Andere Skeptiker wunderten sich über die hohe Zahl der Stellplätze und bemängelten den Grad der Versiegelung. Die Frage nach Abstellflächen für Fahrräder werde noch geklärt, versprachen die Planer.

Auch Asta Reinecke setzte sich für die kleinere Lösung ein. „Gruselig“ fand sie den ersten Entwurf, jetzt sei schon alles etwas aufgelockert. Die Betreiberin des Gesundheitszentrums in Himmelpforten Richtung Oldendorf mit 80 Beschäftigten wundert sich zudem über die Pläne für das Steinmetzhaus. Es gebe doch schon ein verlässliches Therapieangebot, meinte sie leicht ironisch.

Und auch Blumenläden, wie Redner Stefan Roboom bemerkte. Er ermahnte die Politik, an den bestehenden örtlichen Fachhandel zu denken.

 

 

 

Bürgermeister Reimers (rechts) moderierte. Architekt Bernd Mügge, Bünting-Projektleiter Matthias Adler und die Rathausbeamten Frank Buhrmester, Martin Wist und Holger Falcke (von links) hören zu.

Bürgermeister Reimers (rechts) moderierte. Architekt Bernd Mügge, Bünting-Projektleiter Matthias Adler und die Rathausbeamten Frank Buhrmester, Martin Wist und Holger Falcke (von links) hören zu.

Archäologe Daniel Nösler mit Daten zur Klostergeschichte. Fotos Eidtmann

Archäologe Daniel Nösler mit Daten zur Klostergeschichte. Fotos Eidtmann

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