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Frisch gebrautes Bier aus dem Kreis

Frisch gebrautes Bier aus dem Kreis

Sie sind die Hüter einer alten Tradition: Zwei Bierbrauer gibt es noch im Landkreis – einen in Stade und einen in Sauensiek.

Von Karsten Wisser Dienstag, 21.04.2015, 16:45 Uhr

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 Mit dem Tag des deutschen Bieres wird seit 1994 von deutschen Bierbrauern der Erlass des bayerischen Reinheitsgebots im Jahr 1516 gefeiert. Der 23. April ist der Jahrestag des Erlasses. Hartmut Schlüter in Stade und Niko Klindworth in Sauensiek locken mit neuen und alten Sorten.

Gertrude gibt es in drei Sorten
Initiator Schlüter: Jede kleine Brauerei ist wichtig für den Erhalt der Bierkultur
Hartmut Schlüters ist Pächter des Ratskellers in Stadeund hat 2008 die Wiederauferstehungder Stader Brautradition initiiert. Fotos Wisser/Vasel

Als 1971 die letzte Stader Bierbrauerei, die Brauerei Hinck, ihre Produktion einstellte, sah das nach einem Abschied für immer aus. Große internationale Unternehmen beherrschten und beherrschen den Biermarkt. Aber es gibt Ausnahmen und in Stade ist das besonders dem Gastronomen und Hotelier Hartmut Schlüter zu verdanken. Mit der Unterstützung eines Altbraumeisters der Brauerei Hinck erweckte Schlüter die Tradition des Bierbrauens im Stader Ratskeller 2008 zu neuem Leben.
„Wessen Traum als Mann ist es nicht, sein eigenes Bier zu brauen“, erklärt Hartmut Schlüter die Ausgangsidee bei der Wiedereröffnung des eine Zeit lang leer-stehenden Ratskellers. Für den Neustart griff Schlüter auf die Hilfe der Experten von früher zurück. Braumeister Wilhelm Meiborg und Peter Schmorl unterstützen den Neustart. Seitdem gibt es im Ratskeller ständig drei im Keller gebraute Biere, die nach der Schutzheiligen der Brauer, der heiligen Gertrude, benannt sind und die nach Meinung vieler keine Konkurrenz zu scheuen brauchen: Es gibt ein Pils (Gertrude Blond), dazu ein Hausbier (Gertrude Rot) und eine dunkle Sorte (Gertrude Schwarz). Der Alkoholwert liegt bei 4,8 für Blond bis 7,5 für das Schwarzbier. „Jede kleine Brauerei ist wichtig, um die Bierkultur zu erhalten“, sagt Schlüter. Theoretisch können in der kupfer- und silberfarbenen Brauanlage bis zu 150 000 Liter direkt neben den Gästen im Braukeller hergestellt werden. Neben den drei Klassikern gibt es immer wieder Sonderbiere. In diesen Tagen beginnt im Ratskeller zum Beispiel der Ausschank des selbst-gebrauten Maibocks.
Jedes Bier im Ratskeller, nach Urkunden aus dem Stadtarchiv der älteste Deutschlands, hat seinen besonderen Geschmack. Die Großbrauereien filtern ihre Bier stark, damit gehen Geschmacksstoffe verloren. Das ist beim Gertruden-Bräu anders.
Mit viel Liebe und Einsatz kümmert sich heute Mitarbeiter Hansjörg Gerdes um die Bierproduktion im Ratskeller. Damit jede Sorte immer wieder so schmeckt wie ursprünglich kreiert, regelt ein Computer-Programm das Einmaischen und die Umwandlung von Getreidestärke in vergärbaren Malzzucker, ebenso das Einkochen des Hopfens. Die Zugabe von Hefe wird aber von Hand durchgeführt. In Fässern reift das Bier vier bis sechs Wochen. Das in Stade verwendete Malz kommt aus der Bierbrauerhochburg Bamberg, der Hopfen stammt aus der Region Hallertau. Beides steht für Qualität. (kw) 

Ratsbrauerei Stade

Hökerstraße 10, 21682 Stade
Telefon 0 41 41 / 78 72 28
M@il: info@ratskeller-stade.de
www.ratskeller-stade.de

Er braut nicht nur für Rebellen
Initiator Klindworth: Die Kunden schätzen Bier voller Geschmack und IntensitätBierbrauer Nikolaus Klindworth knüpft an eine alte Tradition an: Bereits der Landvermesser Carl Friederich Gauß lobte 1824 das Bier aus Sauensiek. 

Nikolaus Klindworth ist Bierbrauer – aus Leidenschaft: 2007 knüpfte das Gasthaus in Sauensiek an eine Tradition an, bereits der berühmte deutsche Mathematiker Carl Friedrich Gauß lobte 1824 bei der Landesvermessung des Königreichs Hannover die Braukunst seiner Vorfahren – auf dem Litberg stand sein Vermessungsturm.

25 Biere umfasst das Sortiment von Klindworth, zurzeit hat der Sauensieker acht im Lokal: Fünf aus dem Zapfhahn (Landbier sowie Klindworths Stout, Red Ale und Böhmisch Dunkel und Maibock) und drei Flaschenbiere (Klindworths Pale Ale, Öberlöper und Opsternaatsch); letzteres ist ein „aggressiv gehopftes“ Ale voller Geschmack – ein Zeichen gegen den Einheitsgeschmack der TV-Biere, „gemacht für Rebellen“.

Das erste Bier mit dem Keiler-Logo braute Klindworth noch mit Hilfe seines österreichischen Anlagenbauers; Kollegen aus Jork-Lühe (Eckhoff) und aus Dibbersen (Frommann) hatten ihn auf den Geschmack gebracht. „Das will ich auch“, sagte sich Klindworth vor acht Jahren. Mitschüler erinnern sich, dass der Gastronom bereits in der 7. Klasse verkündet hatte, die Brautradition wiederaufleben zu lassen. Lange bevor die Craft-Beer-Welle – steht für geschmacksintensive, handwerklich gebraute Biere – durch Deutschland schwappte, stand Klindworths Bier bereits für die Vielfalt der Braukunst.

Nicht „nur“ Sauensieker Landbier (Pils) und saisonale Bierspezialitäten wie Maibock (mit einem Alkoholgehalt von 4,9 bis 7,8 Prozent) kredenzt der Gastronom, sein Steckenpferd sind das India Pale Ale. „Das ist eine alte englische Sorte, damit das Bier den Seeweg nach Indien überstehen konnte, besaß es einen hohen Alkohol- und Hopfengehalt – eigentlich sollte es in den Kolonien 1:1 mit Wasser verdünnt werden, das tat aber keiner“, erklärt Klindworth.

Auch Bierseminare bietet Klindworth an – auf Deutsch und Englisch. Mit dem Landbier-Bus, einem VW Bulli von 1956, steht der Sauensieker auch am Kiekeberg. Das Segment „Flaschenbier“ will Niko Klindworth ausbauen, ein Abfüller aus den Wirtschaftswunderjahren wurde gekauft, 900 Flaschen/Stunde kann der abfüllen. Damit Trinken zum Geschmackerlebnis wird, variiert der Brauer sein Hopfen, der kommt aus der Hallertau, den USA und Neuseeland. Biertrinken ist für ihn gleichbedeutend mit Genuss. „Die Kunden lauern auf Neues, wir haben uns mit der Brauerei eine neue Klientel erschlossen.“ (bv)

Klindworths Gasthof

Hauptstraße 1
21644 Sauensiek
Telefon 0 41 69 / 91 10 - 0
M@il: gasthof@klindworths.de
www.klindworths.de


Der Pro-Kopf-Verbrauch beim Bier liegt bei 106,6 Liter (2014). 1300 Braustätten gibt es noch in Deutschland, 600 davon zählen zu den Kleinstbrauereien – wie die Beispiele in Stade und in Sauensiek. Das klassische Pils dominiert – mit einem Marktanteil von 55 Prozent. Im Mittelalter war Bier noch ein Hauptnahrungsmittel, ein Verbrauch von 400 Liter pro Kopf war keine Seltenheit. Aus der Region für die Region – das war Alltag, in den Hansestädten Stade und Buxtehude wurde die Braukunst hochgehalten, Bier aus Buxtehude wurde auch in Hamburg getrunken. Selbst in den Klöstern gönnten sich die Nonnen ihr tägliches Bier. 1479 betrieben die Benediktinerinnen in ihrem Kloster in Neukloster eine kleine Brauerei – für den Eigenbedarf; heute steht dort die „Seeburg“. In Stade waren die meisten Brauer und Mälzer im Bereich der Bungen- und Bäckerstraße und dem Wasser West ansäßig. 1592 beziehungsweise 1598 gaben die Buxtehuder und Stader eigene Brauordnungen.

Im 18.Jahrhundert entstanden viele Landbrauereien, das war (neben dem Branntweinkonsum) ein Grund für das Aus vieler städtischer Brauereien – der Wettbewerb hatte Folgen, die Qualität nahm ab. Alkoholismus versuchten die Stadtoberen durch Strafen zu bekämpfen, in Buxtehude wurde „übermäßiges Saufen“ ab 1729 mit einer Geldstrafe von drei Mark bestraft. Um 1830 gab es in Stade noch vier Betriebe, in Buxtehude zählte im Jahr 1831 die Brau-Gilde noch 22 Häuser. In Stade ging große Zeit des Brauens 1971 mit dem Ende der Brauerei Hinck vorerst zu Ende, in Buxtehude-Altkloster bereits 1918 mit dem Ende der Unterelbe‘schen Bierbrauerei am Brauereiweg. In den Kellern wurde das Bier auf zersägtem Eis gelagert. Die Brauerei überlebte sogar den Bankrott (1895) nach der großen Cholera-Epidemie von 1892 in Hamburg, danach herrschte erst einmal tote Hose in den Gaststätten an der Elbe.

Das Buxtehuder Brauhaus (1990 bis 2011) in der 1913 nach dem Großen Stadtbrand von 1911 errichtete Viehmarkthalle musste dem Textilkonzern H&M im Rathausquartier weichen. (bv)

www.archaeologie-stade.de

 

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