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Kein Zubringer für Buxtehude

Gewinner und Verlierer der A26-Entscheidung

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade zum Stopp der Planungen für den Buxtehuder A-26-Zubringer schlägt hohe Wellen: Das Entsetzen über diese Null-Lösung ist ebenso groß wie der Ärger über die Planungen der Kreisverwaltung als verantwortliche Behörde.

Mittwoch, 20.11.2019, 19:30 Uhr

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Von Wolfgang Stephan und Karsten Wisser

Den Terminus von der „schweren Schlappe“ für seine Behörde mag Landrat Michael Roesberg nicht kommentieren: „Das ist ein Rückschlag“, sagt der Landrat, den er sehr bedauere. Sobald das schriftliche Urteil vorliege, werde seine Behörde zusammen mit dem Fachanwalt beraten, was zu tun sei. Roesberg: „Wir stehen hinter dieser Planung.“ Ob vor dem Oberverwaltungsgericht eine Nicht-Zulassungsbeschwerde eingereicht werde, ergebe sich aus der Beurteilung des schriftlichen Urteils. Diese Beschwerde wäre der erste Schritt im weiteren Klageverfahren, denn die Stader Richter hatten keine Berufung zugelassen. Ein anderer Weg wäre eine neue Trassenplanung. Roesberg: „Die würde auch Menschen und den Naturschutz tangieren.“ Roesberg gesteht zu: „Wenn die A 26 fertig ist, wird es höchstwahrscheinlich keinen A-26-Zubringer für die Buxtehuder geben.“

Was den Landrat auf der politischen Bühne des Kreistages erwartet, kündigt der SPD-Fraktionsvorsitzende Björn Protze an: „Wir werden darauf pochen, dass keine weiteren Klagewege für die Rübker Straße begangen werden, sondern unverzüglich eine neue Planung für eine andere Trassenvariante angefangen wird.“ Der Genosse will auch die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und „gegebenenfalls über mögliche Konsequenzen in der Kreisverwaltung“ reden. Protze: „Aufgrund der vorliegenden Aussagen des Gerichtes ist klar, dass die vorgelegte Planung ziemlich vermurkst war.“ Die SPD-Kreistagsfraktion sieht aber weiter die Notwendigkeit, dass Buxtehude einen Autobahnanschluss brauche.

„Der gerichtliche Stopp der Planungen für den A-26-Zubringer an der Rübker Straße ist eine schlechte Nachricht für die Hansestadt Buxtehude“, sagt Buxtehudes Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt (parteilos): „Für den Wohn- und Wirtschaftsstandort Buxtehude ist eine zentrale Anschlussstelle zur A 26 nach wie vor dringend erforderlich. Ich sehe mit Sorge, dass sich die erhoffte verkehrliche Entlastung jetzt nicht mehr zeitnah realisieren lässt“, so Buxtehudes Bürgermeisterin Oldenburg-Schmidt. Sie denke dabei vor allem an Dammhausen und die Ortschaften an der B 73. „Es bleibt abzuwarten, ob der Landkreis als Träger des Planfeststellungsverfahrens gegen die Nichtzulassung der Berufung vorgehen wird.“

„Fast alle unsere Gegenargumente, die wir seit 2011 bringen, wurden vom Gericht bestätigt“, sagt Ulrich Felgentreu, Sprecher der Bürgerinitiative Rübker Straße, Anwohner und Ratsherr der Grünen. Bei vielen BI-Mitgliedern falle jetzt erst einmal die Anspannung der vergangenen neun Jahre ab. Es sei eine belastende Situation gewesen. Felgentreu ist wichtig, dass die BI und dann auch die Grünen immer wieder Vorschläge gemacht hätten, wie der Autoverkehr in Buxtehude ohne den Ausbau der Rübker Straße aussehen könnte. „Landrat Michael Roesberg hat jetzt die Quittung dafür bekommen, dass er die Rübker Straße um jeden Preis durchsetzen wollte“, so Ulrich Felgentreu. Er berichtet auch, dass es viele persönliche Anfeindungen in den Sozialen Medien gegen seine Person gebe.

„Das ist schrecklich für Buxtehude und besonders für die Ortschaften“, sagt Astrid Bade, Ortsbürgermeisterin von Neukloster und SPD-Fraktionsvorsitzende im Rat der Stadt. Sie fordert den Landrat auf, jetzt möglichst schnell die Ostumgehung mit dem Anschluss Ostmoorweg zu realisieren. „Ich hoffe, der Landrat steht da zu seinem Wort“, sagt sie. Es sei immer die Position der SPD gewesen, dass die Ostumgehung in einer solchen Situation kommen müsse.

„Das ist für die meisten Menschen in Buxtehude ein deprimierender Tag“, sagt Arnhild Biesenbach, CDU-Fraktionsvorsitzende im Rat. Die CDU war in Buxtehude die einzige Fraktion, die den Ausbau der Rübker Straße vorbehaltlos unterstützt hat. Im Gegensatz zur SPD sieht sie aber in der Ostumgehung keine Alternative. Auch diese würde die Landschaft zersiedeln, es gebe dort Moor, das den Bau teuer machen würde, und die Bahn müsse auch überquert werden. Biesenbach fordert den Kreis auf, jetzt möglichst schnell die Rübker Straße zu sanieren, so dass die Pendler diese wieder vernünftig nutzen könnten.

„Mit einer so klaren Entscheidung hätte ich nicht gerechnet“, sagt Buxtehudes Grünen-Fraktionschef Michael Lemke. „Für die Menschen an der Rübker Straße freut mich die Entscheidung.“ Die Stadt bräuchte jetzt endlich ein Gesamtkonzept, wie der Verkehr in der Stadt organisiert werden könne. Er fordert erneut, über eine Nordumgehung für Dammhausen und eine Westumgehung für die ganze Stadt nachzudenken. „Angesichts der Niederlage am Dienstag und der Pleite um die Estering-Planung ist es an der Zeit, dass der Landrat sein Handeln überdenkt“, so Lemke. Aus Sicht der Grünen reichen die beiden Anschlussstellen Jork und Neu Wulmstorf für Buxtehude aus.

„Das hat mir heute Morgen den Appetit auf das Frühstück verdorben“, sagt Hans-Peter Tödter von der BI Dammhausen. Viele Dammhauser hatten die Hoffnung, dass es bei ihnen wieder weniger Verkehr geben würde, wenn der Autobahn-Zubringer Rübker Straße fertiggestellt wäre. Tödter und andere hatten den Widerstand gegen den sprunghaft angestiegen Verkehr in der Ortschaft organisiert. Die Öffnung der Anschlussstelle Jork der A 26 ist rechtlich höchst umstritten, weil sie ohne eine fertige Autobahn bis Rübke nicht vorgesehen war. Die BI hatte Klage eingereicht und diese ruhend gestellt, nachdem der Landkreis und die Stadt dem Ort einen Fuß- und Radweg, neue Ampeln und neue Bushaltestellen versprochen hatten. „Es gibt jetzt Leute, die befürchten, dass wir damals zu konstruktiv waren“, sagt Tödter. Das Urteil müsse jetzt eine Neubewertung der Situation zur Folge haben. Seit der Öffnung der Anschlussstelle Jork hat sich der Verkehr in Dammhausen auf bis zu 14.000 Fahrzeuge am Tag fast verdreifacht.

„Das ist schlimm für Dammhausen“, sagt auch Ortsvorsteher Thomas Sudmeyer (SPD). Er kündigt für die kommende Woche interne Gespräche an. „Ich erwarte, dass die Ostumgehung jetzt möglichst schnell in Angriff genommen wird.“

„Es ist schlimm, dass es auch nach 40 Jahren nicht gelingt, die Menschen an der B 73 zu entlasten“, sagt Birgit Butter (CDU), Ortsbürgermeisterin von Hedendorf. Für sie wäre es ein Schildbürgerstreich, wenn Buxtehude keine eigene Anschlussstelle bekommen würde.

„Ich gehe davon aus, dass Buxtehude auf lange Zeit keine Autobahn-Anschlussstelle bekommt“, sagt Helmut Wiegers, Fraktionschef der AfD im Rat. Er fordert wie die SPD und andere, dass jetzt möglichst schnell die Ostumgehung mit einem Kreisel am Ostmoorweg realisiert wird.

Rechtsanwältin Dr. Kerstin Gröhn: „Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist richtig und verdient zugleich großen Respekt“, sagt die Anwältin der Anwohner der Rübker Straße. Die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses sei selten. Regelmäßig würde dem Planungsträger gerichtlich die Möglichkeit gegeben, seine Planung nachzubessern. „Nicht so hier. Der Landkreis steht jetzt wieder bei null. In Anbetracht der krassen Belastungen und städtebaulichen Missstände, die durch die Planung entstanden wären, absolut zu Recht.“

„Das ist eine ganz bittere Nachricht für Buxtehude“, kommentiert der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Stade, Thomas Falk, die Entscheidung. „Die jahrelangen Verzögerungen beim Bau der A 26 bis zur A 7 sind endlich beseitigt“ sagt Falk, „nun ist es umso ärgerlicher, wenn auf Jahre hinaus die Anbindung für die Buxtehuder Einwohner und die Wirtschaft an die A 26 blockiert wird.“

In der mündlichen Urteilsbegründung stellte die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts fest:

„Die Kammer ist der Auffassung, dass der Planfeststellungsbeschluss an einem schweren Abwägungsfehler leidet. Die bei der Abwägung zu berücksichtigenden gegenläufigen Belange des Naturschutzes und der erhöhten Kosten bei Verfolgung einer möglichen Trassenführung östlich um Buxtehude herum und einem Anschluss an die Harburger Straße weiter südlich einerseits und die mit der gewählten Variante einhergehenden Beeinträchtigungen der Anlieger im Hinblick auf die Inanspruchnahme ihrer Grundstücke und der erheblichen Immissionsbelastungen durch Lärm andererseits seien nicht mit der ihnen zukommenden Gewichtung in die Abwägung eingestellt worden. Dieser Fehler habe sich auch auf das Abwägungsergebnis ausgewirkt.

Die Kammer hält diesen Fehler auch für so schwerwiegend, dass er nicht in einem ergänzenden Verfahren behoben werden kann, weil er sich bereits auf die Trassenauswahl auswirkt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Kammer hat die Berufung zum Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen.“

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