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(Ein-)blick

Heidi Meyer schreibt mit dem Pinsel

Heidi Meyer hat die ganze Welt gesehen – und Menschen aus der ganzen Welt haben ihre Malereien betrachtet. Viele Jahre hat die Künstlerin in Japan verbracht. Seit dem Jahr 2003 ist die Malerin nach langer Abwesenheit zurück in Buxtehude. Der Tod ihrer Mutter brachte sie dazu.

Von Sven Husung Mittwoch, 29.08.2018, 18:45 Uhr

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Manche schreien, ich habe meine Emotionen immer über meine Bilder ausgedrückt“, sagt Heidi Meyer. In ihrem Atelier in der Buxtehuder Altstadt ist es aufgeräumt, auf ihrem Arbeitsplatz sind lediglich ein paar Unterlagen und Mappen drapiert. Die Farben und Malutensilien hat die 75-Jährige ordentlich unter der Arbeitsplatte verstaut.

„So sieht es hier sonst nicht aus“, sagt die Künstlerin. Derzeit arbeitet sie an keinem Gemälde, stattdessen stand die Präsentation ihrer kürzlich fertiggestellten Werke ins Haus. „Geschriebene Bilder – geschriebene Zeit“ heißt die Ausstellung, die weiterhin in ihrem Atelier zu sehen ist.

Ordentlich verstaut: Die Künstlerin verrät nichts über ihre Maltechnik.

Während andere Künstler offen mit ihren Maltechniken umgehen, hütet Heidi Meyer ihre Vorgehensweise wie ein Geschäftsgeheimnis. „Mein Vater hat auch nicht verraten, wie er seinen Katenschinken räucherte“, sagt sie. Die Familie Meyer hat einst eine große Fleisch- und Wurstfabrik in Buxtehude betrieben. Der Gebäudekomplex Am Geesttor, der an das Modehaus Stackmann angrenzt, besteht heute aus mehreren Mietwohnungen, ihrer eigenen Wohnung inklusive Atelier und den Räumen ihrer Kunstschule.

Um sich nach dem Tod ihrer Mutter um die geerbte Immobilie zu kümmern, kam Heidi Meyer zurück nach Buxtehude. Sie pendelt seitdem zwischen ihrer Atelierwohnung im Hamburger Karolinenviertel und Buxtehude. Es war eine Rückkehr nach langer Abwesenheit: Bis zur sechsten Klasse ging sie in Buxtehude zur Schule, dann wechselte sie auf ein Internat in Ottersberg. „Das war die beste Zeit, dort wurden meine künstlerischen Interessen gefördert“, sagt sie. Nach dem Schulabschluss absolvierte sie zunächst eine Lehre als grafische Zeichnerin. „Es war nicht das, was ich wollte.“

Ihren Weg in die professionelle Malerei ebnete ihr der Maler Richard Eggers, ein Freund der Familie Meyer. Der bedeutende Vertreter des Post-Impressionismus sah ihre Bilder und hielt die junge Frau dazu an, Kunst zu studieren. Das tat sie. Sie nahm ihr Studium an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg auf, knüpfte in Paris Kontakte in den fernen Osten, umreiste die Welt und lebte einige Jahre in Japan, wo ihre Kunst große Anerkennung fand. Sie schätzt wiederum die japanische Kultur. „Die Japaner sind feinfühlig und nicht so materialistisch“, sagt sie. Außerdem gefalle ihr dort die Schönheit im Alltag. Selbst die Hülle für die U-Bahnkarte sei dort ästhetisch gestaltet.

Die Mietwohnung im Karolinenviertel hält sie seit 1974. Trotz ihrer großen Immobilie in Buxtehude möchte sie sich nicht von der Wohnung trennen, weil sie die Großstadtluft braucht und dort Kunstschüler betreut.

Ihre Werke schafft Heidi Meyer aus dem Bauch heraus, die Kunst ist für sie keine intellektuelle Beschäftigung. „Dinge, die mich bewegen, versuche ich zu fixieren“, sagt sie. Malereien sind für sie auch etwas Geschriebenes, aus dem jeder etwas ablesen kann. „Egal, ob Deutsche, Engländer, Franzosen oder Japaner.“ Die Beliebtheit ihrer Werke in Japan erklärt sie sich aus der Nähe zur japanischen Schreibkunst, die Japaner hätten in ihren Bildern eine Fortführung der sogenannten Shodo gesehen. „In Japan haben mich häufig Leute gefragt, ob ich in der Vergangenheit Kalligrafie gemacht habe.“ Das sei aber nicht der Fall. Zu den wichtigsten Stationen ihres mehrjährigen Aufenthaltes in Japan gehören die Hauptstadt Tokio und die Präfekturhauptstadt Osaka, wo sie im Goethe-Institut ihre Bilder ausstellte.

Heidi Meyers Kunst ist abstrakt, eine gegenständliche Malerei spielt für sie heute keine Rolle mehr. Bilder aus den 70er Jahren, die in ihrer Wohnung hängen, bezeugen aber, dass sie eine künstlerische Wandlung durchgemacht hat. „Jeder Künstler muss realistisch anfangen“, erläutert Heidi Meyer.

Auf ihrer Dachterrasse pflegt Heidi Meyer einen japanischen Garten.

Auf ihrer Dachterrasse hält sich die Künstlerin einen japanischen Garten, unter anderem steht dort ein japanischer Ahorn mit charakteristischer roter Färbung. Hier entspannt sie und füttert mit großer Hingabe das Entenpaar, das ihr regelmäßig einen Besuch abstattet.

Hohe Decken waren wichtig. Heidi Meyer entwarf ihr Atelier selbst.

Das Atelier und den anliegenden Garten hat die 75-Jährige selbst mit einem Architekten entworfen – vor dem Einzug war das Dach gar nicht begehbar. Die Mühe hat sich gelohnt: Die Werkstatt ist lichtdurchflutet, und die freie Sicht über die Dächer in Richtung Stadtpark und Buxtehude Süd ein seltener Anblick.

Neben ihrer Kunstschule, die Heidi Meyer in der Etage unter ihrer Wohnung in Buxtehude betreibt, will die Künstlerin jetzt ein Projekt weiterführen, für das sie ihre Pinsel nicht aus der Schublade holen muss: ihre Memoiren. Das Buchprojekt bereitet ihr schon länger Kopfschmerzen: „Ich möchte alles aufschreiben, aber ich verzettele mich dabei“, sagt sie.

Anekdoten hat Heidi Meyer jedenfalls genug zu erzählen. Zum Beispiel, wie sie mit dem Kulturforums-Chef Dieter Klar, den sie liebevoll „Klärchen“ nennt, 1965 durch Algerien reiste und mit vorgehaltenen Maschinenpistolen aus dem Auto gerissen wurde.

Terminanfragen für Ausstellungsbesichtigungen in ihrem Atelier, Am Geesttor 4, nimmt die Künstlerin unter 0 41 61 / 50 25 32 entgegen.

Mit der Serie (Ein-)Blick verschafft das TAGEBLATT den Lesern Zugang zu den Ateliers der bildenden Künstler der Region. Wie sehen die Arbeitsstätten der Maler und Bildhauer aus? Welche Werkzeuge verwenden sie und wie sieht eigentlich der Arbeitsalltag der Kunstschaffenden aus? Und woher holen sie sich Inspiration? Diese und mehr Fragen beantwortet die Kulturredaktion mit einem Blick hinter die Kulissen.

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