„Hinter unseren Protesten stehen Tausende Wissenschaftler“
Symbolfoto: Caroline Seidel/dpa
Diverse Leserbriefe zum Thema „Fridays For Future“ erreichten das TAGEBLATT. Die Initiative selbst reagiert nun darauf und lädt zur Mitarbeit ein. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Antwort im Wortlaut.
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Von Wilken Jonas Gnegel, Fridays for Future Stade
Wir von Fridays for Future Stade finden es immer wieder traurig, wie schnell eine faktenbasierte Diskussion durch Unsachlichkeit blockiert werden kann. Hinter unseren Protesten und Forderungen stehen Tausende Wissenschaftler.
Seit 1990 haben sich unsere Forschungsmöglichkeiten, insbesondere im IT-Bereich, deutlich verbessert, und bis dato sind alle Prognosen eingetroffen. Einen Grund zum Zweifel an diesen „nicht stützbaren Modellen“ gibt es daher nicht. Auch das Argument, dass CO2 ein pflanzenwachstumsförderndes Gas ist, kann nicht geltend gemacht werden. Laut Global Forest Watch werden täglich 432,9 Quadratkilometer Waldfläche gerodet, das sind 42 Fußballfelder die Minute. Dagegen kommen wir mit unserem erhöhten CO2-Ausstoß nicht an.
Um allen Neulingen auf diesem Gebiet das Problem ein bisschen näher zu bringen, fassen wir die Problematik hier noch einmal zusammen:
Treibhausgase nehmen von der Erde reflektierte Sonnenstrahlen in Form von Wärme auf. Der sogenannte „Treibhauseffekt“ wurde bereits 1869 von John Tyndall entdeckt. Der natürliche Treibhauseffekt ist mitverantwortlich für die verschiedenen Warm- und Kaltperioden auf dem Planeten. Mittlerweile haben wir die höchsten Temperaturen in der Geschichte des Menschen erreicht, und das in weniger als 200 Jahren. Solche Veränderungen können auch durch natürliche Prozesse entstehen, benötigen normalerweise aber deutlich über 1000 Jahre.
Dies ist zurückzuführen auf die Industrialisierung und damit auf die vom Menschen verursachten Treibhausgase. Zeitgleich haben wir angefangen, weite Teile der Natur zu zerstören. Der kürzlich veröffentlichte IPBES-Bericht zeigt deutlich, dass der Mensch verantwortlich ist für das sechste Artensterben. Über eine Million Arten werden in den nächsten zehn Jahren unseren Planeten für immer verlassen. Grund dafür ist die Übernutzung von Ressourcen (siehe „Earth Overshoot Day“) und die Zerstörung von Naturflächen sowie die durch Klimawandel verursachten klimatischen Veränderungen.
(Für eine größere Ansicht auf die Grafik klicken)
Deshalb fordert „Fridays for Future“ einen Kohleausstieg bis 2030 sowie ein Nettonull bis 2035. Bis Ende des Jahres fordern wir ebenfalls eine CO2-Steuer sowie das Ende von Fördergeldern für fossile Energieträger. Deshalb sehen wir von „Fridays for Future Stade“ auch das geplante LNG-Terminal sehr kritisch, da eine ausreichende Energieversorgung auch ohne fossile Brennstoffe gewährleistet werden kann.
Seit Jahresbeginn hat die GroKo kein weiteres Gesetz erlassen, um die Klimakrise zu verhindern. Der Kohleausstieg ist eine Mogelpackung, da viele der Braunkohlekraftwerke im Vorfeld ihre Lizenz verloren hätten. So heimsen die Großkonzerne hingegen Entschädigungsgelder ein. Auch ist die eingesparte Menge an CO2 vor 2035 sehr gering.
Hier in Stade sieht es ganz ähnlich aus, die Stadt scheint nicht in der Lage zu sein, ihre eigenen Klimaziele zu erreichen, sie hat es, ganz einfach gesagt, nicht einmal versucht. Seit der Einführung des Programms im Jahr 2013 hat die Stadt nach eigenen Aussagen ganze sechs Projekte umgesetzt. Darunter befinden sich unter anderem eine Fahrradtour mit etwa 30 Teilnehmern sowie eine Broschüre zum Thema (mehr dazu unter https://www.stadt-stade.info/bauenumwelt/klimaschutz/klimaschutzmanagement/klimaschutz-in-der-hansestadt-stade/bisherige-undzukuenftige-aktivitaeten-und-projekte/).
Für uns sieht Klimaschutz anders aus. Deshalb fordern wir neben der Einhaltung der selbst gesetzten Ziele auch, dass der Klimanotstand ausgerufen wird. Es geht längst um mehr als den Erhalt unseres Wohlstandes, sondern um das Leben von Tausenden Menschen und Tierarten. Bereits heute sterben, auch in Deutschland, Menschen an der Verschmutzung und Überlastung unseres Planeten. Allein an den Abgasen unserer Kohlekraftwerke sterben, laut Dark Cloud Report, etwa 4300 Menschen frühzeitig.
Zum Vergleich: Bei Verkehrsunfällen kamen 2018 laut ADAC 3265 Menschen ums Leben. Leider ist auch hier noch nicht Ende, wie eine Studie des Max-Planck-Instituts in Zusammenarbeit mit der medizinischen Fakultät der Gutenberg Universität zeigt. Sie schätzen, dass in Europa etwa 377.000 Herz-Kreislauf-Sterbefälle auf Feinstaubbelastung zurückzuführen sind. Das Bayrische Landesamt für Umwelt geht davon aus, dass fast 70 Prozent dieser Feinstäube aus Straßenverkehr und Industrieanlagen stammen.
Falls das nicht Grund genug ist, das Auto mal stehen zu lassen, haben wir eine kleine Vergleichsgrafik zur Umweltbelastung durch Dieselfahrzeuge hinzugefügt. Eine individuelle Berechnung ist möglich unter: www1.wdr.de/wissen/technik/co2rechner/.
Wer jetzt den Wunsch verspürt, selbst etwas gegen die Klimakrise zu unternehmen, der hat eine Vielzahl von Möglichkeiten.
Wer etwas verbessern möchte, dem legen wir den Fußabdruckrechner von „Brot für die Welt“ ans Herz (www.fussabdruck.de). Er zeigt auf, wo möglicherweise Verbesserungsmöglichkeiten zu finden sind. Wer unsere politische Arbeit unterstützen möchte, kann unsere Instagram- oder Facebookseite besuchen. Da gibt es, genau wie auf unserer Webseite (www.fff-std.org oder hier), Informationen zu unserer Arbeit sowie alle Demotermine sowie Einladungen zu offenen Diskussionsrunden.
Für diejenigen, die jetzt noch immer denken, dass wir besser in der Schule aufgehoben wären – ich glaube, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Die Hälfte unserer Demonstrationen findet außerhalb der Schulzeit statt, zusätzlich sind in Zukunft auch weiter Kooperationen mit den weiterführenden Schulen in der Region geplant, wie beispielsweise unsere Vorträge im Vincent-Lübeck-Gymnasium oder im Athenaeum.