Hol över! So klappt es mit dem Führerschein für die Fähre in Brobergen

Der 1. Fährmann Horst Schimkatis aus Brobergen (links) hat Ludger Steltenpohl aus Kranenburg ausgebildet. Foto: Fährmann
Ludger Steltenpohl ist ein neuer Fährmann in Brobergen. Das Gute: Das Schiff ist unsinkbar und Eisberge stehen auch nicht im Weg. Aber wie kam er an den Führerschein?
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Brobergen. Ein Team von 20 ausgebildeten Fährleuten steuert die denkmalgeschützte Prahmfähre in der Saison zwischen Mai und Anfang Oktober ehrenamtlich im Schichtdienst über die Oste. Der Fähr- und Geschichtsverein Brobergen sucht immer wieder Nachwuchs, Männer und Frauen, die sich für dieses bundesweit seltene Hobby interessieren.
Horst Schimkatis ist 81 Jahre alt und seit 20 Jahren dabei. Der Mann aus Brobergen bildete bereits 22 Fährleute aus. Zuletzt den Kranenburger Ludger Steltenpohl. Den Führerschein zu bekommen, ist nicht ohne.
Ausbilder und Fährschüler trafen sich mehr als 30 Mal
Seit Beginn der Fährsaison im Mai übten Schimkatis und Steltenpohl an mehr als 30 Abenden. Bei jedem Wetter. „An solchen Tagen wie zuletzt kann es ziemlich schaukelig werden auf der Fähre“, sagt Schimkatis. Gut vier Minuten dauert die Überfahrt. Maximal 30 Menschen oder zehn Tonnen Gewicht kann die 17,90 Meter lange und 5,45 Meter breite Fähre tragen.
Es ist an der Stelle die einzige Möglichkeit, über die Oste zu setzen: Die nächsten Brücken liegen osteabwärts 13 Flusskilometer entfernt in Hechthausen (B73) und osteaufwärts fast 18 Flußkilometer entfernt in Bremervörde (B74). Osteaufwärts in fünf Flusskilometer Entfernung können Menschen noch auf der handgezogenen Prahmfähre in Gräpel übersetzen.

Fährmannsprüfung auf der Prahmfähre im normalen Betrieb - also auch mit Fährgästen. Foto: Fährmann
Schnacken gehört für einen Fährmann dazu
Pro Jahr setzt der Verein in Brobergen im Schnitt 800 Menschen über, erzählt Schimkatis. Die meisten kommen an Himmelfahrt und über Pfingsten. Die meisten sind mit dem Rad unterwegs. Die Zeiten, an denen die Landwirte mit ihren großen Geschossen über die Oste wollten, sind vorbei. Schimkatis redet viel mit den Touristen. Als Einheimischer kann er den Leuten Geschichten erzählen. Am liebsten auf Platt. Zur Ausbildung zum Fährmann gehört das freilich nicht.

Ludger Steltenpohl (rechts) bei der Fährmannsprüfung auf der Prahmfähre. Foto: Fährmannsprüfung
Der neue Fährmann Ludger Steltenpohl lernte die Praxis und viel Theorie rund um die Wasserstraße Oste. Da herrschen strenge Regeln. Schließlich steht die Sicherheit für Passagiere und die transportierten Fahrzeuge an höchster Stelle. „Aber die Fähre ist unsinkbar“, sagt Schimkatis und spielt dabei auf die Mythen rund um die Titanic an. Grund sei die Bauweise, der doppelte Boden. Außerdem habe der Fährmann auf der Oste das Glück, dass keine Eisberge im Weg stehen.

Die Prüfungskommission applaudiert dem neuen Fährmann Ludger Steltenpohl. Holger Körtge gratuliert und übergibt das Fährpatent. Foto: Fährmann
Wie eine Prahmfähre „gefahren“ wird
Die Fähre ist ein Prahm, ein Transportschiff ohne Antrieb. Die Prahmfähre in Brobergen wird nicht von einem Schlepper gezogen, sondern zieht sich mithilfe ihres alten Deutz-2-Zylinder-Dieselmotors mit 27 PS an einem zwischen den Ufern gespannten Stahlseil von einem Ufer zum anderen.
Damit dieses Seil von 120 Metern Länge nicht anderen Schiffen und Booten die Durchfahrt versperrt, ist es mithilfe einer elektrischen Winde absenkbar. Das Seil liegt dann am Grund der Oste, sodass der Schiffsverkehr passieren kann. Ist das Fahrwasser wieder frei, spannt und hebt der Fährmann das Seil mit einer fernbedienten Winde, startet den Motor, kuppelt ein - und die Fahrt zum anderen Ufer kann beginnen.

Holger Körtge, Klaus Jänsch und Polizeihauptkommissarin Schwarzbach von der Fährprüfungskommission, Ausbilder Horst Schimkatis und Prüfling Ludger Steltenpohl nach der Prüfung. Foto: Kommission und Prüfling
Ein bisschen wie beim Auto-Führerschein
Der angehende Fährmann Ludger Steltenpohl lernte die technischen Abläufe kennen, aber er lernte auch, die Seezeichen zu setzen und die Sicherheit herzustellen. Auf der Fähre muss ein Fährmann immer damit rechnen, dass andere Oste-Nutzer die Regeln nicht kennen. Schimkatis brachte Steltenpohl alles bei. Und als der 81-Jährige das Gefühl hatte, dass sein Fährschüler für die Prüfungen fit ist, hat er die Fährleuteprüfung angesetzt.
Eine dreiköpfige Fährprüfungskommission schaute sich das Können von Steltenpohl in Brobergen ganz genau an. Zur Kommission gehört ein Vertreter des Landkreises Cuxhaven. Dort ist Holger Körtge für die Wasserwirtschaft der Oste und für Patente zuständig. Zudem schaute eine Polizeihauptkommissarin von der Wasserschutzpolizei Stade/Stadersand dem Prüfling über die Schulter. Außerdem ist Klaus Jänsch vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) Mitglied der Prüfungskommission.
Der Verein braucht Nachwuchs am Steuer
Die 30 Abende, die Steltenpohl und Schimkatis gemeinsam für die Prüfung büffelten, haben sich gelohnt. Nach etwa einer dreiviertel Stunde gratulierte die Kommission zu einem hervorragenden Prüfungserfolg. Steltenpohl bediente die 101 Jahre alte Prahmfähre, die in Bremerhaven gebaut wurde, fast wie ein alter Hase.
Horst Schimkatis kann Ludger Steltenpohl jetzt im Schichtplan mit einplanen. Eine Fährmannsmütze hat Steltenpohl schon. Nur das Fährmannshemd fehlt noch. Personeller Bedarf ist immer da. Der Verein hat zwar 18 Fährmänner und 2 Fährfrauen, aber es können längst nicht immer alle. Die Arbeit auf der Fähre ist reines Ehrenamt. Herzenssache. Aber der Verein ist an der Grenze der Belastbarkeit.
Weitere Infos beim 1. Fährmann und Ausbilder
Wer Lust und Zeit hat, Fährmann oder Fährfrau zu werden, kann es ganz unkompliziert ausprobieren. Ein Anruf beim 1. Fährmann und Ausbilder Horst Schimkatis unter 04140/ 8154 genügt. (sal)
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