Hotel Cohrs in Grünendeich ist Geschichte

Das Hotel „Cohrs“ am Elbdeich 31 in Grünendeich in Mojenhörn wird in diesen Tagen abgerissen, Investoren wollen an dem Schillingschen Elbbrack in den Jahren 2020 bis 2022 eine Hotelanlage mit Ferienwohnungen errichten; das Bauunternehmen Ka
Das Hotel „Cohrs“ am Elbdeich 31 in Grünendeich ist Geschichte: Bagger haben mit dem Abriss begonnen. Das Bauunternehmen Karl-Heinz Bernhardt aus Wischhafen will für die neuen Eigentümer eine Hotelanlage mit Ferienwohnungen errichten. Der Eröffnungstermin ist schon geplant.
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Rückblick: Die Bagger haben nach dem seitlichen Nebengebäude bereits ein Großteil des früheren Hotels dem Erdboden gleichgemacht. Das Gebäude stammt aus der Kaiserzeit, die Familie Schilling betrieb seinerzeit den Gasthof „Zur Elbschlucht“ mit Sommergarten, Pension, Doppelkegelbahn – und „Obstversand“. Vom Fähranleger Lühe II war das „herrlich gelegene Ausflugslokal“ laut einer Eigenwerbung von Wirt Heinrich Schilling (1908) in etwa 12 bis 15 Minuten erreichbar.

Blick auf die Gaststätte „Zur Elbschlucht“ im Jahr 1908 : Der Gastronom hieß Heinrich Schilling. Das Ausflugslokal lag an einem im Jahr 1685 nach der ersten „Katharinenflut“ entstandenen Brack. Familie Cohrs erwarb es 1961. Fotos: Archiv de
1961 erwarb die örtliche Gastronomen-Familie Cohrs die Gaststätte und baute sie zu einem Hotel um – ergänzt um einen Restaurantbetrieb mit Gartenwirtschaft. Zuletzt wurden in dem Hotel garni mit zehn Doppelzimmern auch Zimmer an Monteure vermietet. Familie Cohrs, sie stammte ursprünglich aus Buchholz, hatte vorher bereits die Fährhäuser „Lühe I“ (1966 bis 2001) in Borstel und „Lühe II“ in Grünendeich (ab 1897) rechts und links der Lühemündung betrieben – verkehrsgünstig an den Dampferbrücken gelegen.
Die Gaststätte „Zur Elbschlucht“ liegt an einem geschichtsträchtigen Ort, direkt an dem sogenannten Schillingschen Elbbrack. Dieses Brack war, heißt es beim Heimatforscher Hans Peter Siemens (1879-1961), „in der berüchtigten Katharinenflut“ am 25. November 1685 entstanden. Der Kabelhalter, der für den Unterhalt des Deiches zuständige Eigentümer, musste damals „den Spaten stechen“. Er wurde zwangsweise enteignet.

Blick auf das Hotel „Cohrs“ im Jahre 1974: 1961 hatte es die örtliche Gastronomen-Familie Cohrs erworben, links unten liegt das Brack. Vom neuen Elbdeich, angelegt nach der 1962, ist nur die neue Straße zu sehen. (Foto: Archiv der Samtgemei
Kurzum: Die Bracks im Alten Land sind Zeugnisse der Sturmflut-Katastrophen. Die Deiche wurden erst überspült, das dahinter liegende Land wurde ausgespült, sehr tiefe, wassergefüllte Löcher entstanden. Brack bezeichnet das Brechen des Deichs, Kolk („Abgrund“) das tiefe Loch. Die Bracks liegen immer auf der Binnenseite eines Deichbruchs. Sie wurden später eingedeicht.
Das Schillingsche Elbbrack war 3600 Quadratmeter groß. Nach der Sturmflut 1962 wurde der Deich elbseits verlegt und begradigt. Heute ist das Brack nur noch 1692 Quadratmeter groß, es wurde teilweise verfüllt. Nach Aussage des Heimatforschers Jürgen Hoffmann aus Cranz war es im Jahr 2000 noch zehn Meter tief mit stark muddigem Grund, so steht es in dem Standardwerk „Die Bracks im Alten Land und Buxtehude. Stumme Zeugen großer Katastrophen“ von 2017.

Das „Hotel Cohrs“ am Elbdeich 31 in Grünendeich in Mojenhörn wird in diesen Tagen abgerissen , Investoren wollen an dem Schillingschen Elbrack (vorne) in den Jahren 2020 bis 2022 eine Hotel-Anlage mit Ferienwohnungen errichten; das Bauunter
Die Deichstrecke bei Mojenhörn galt über Jahrhunderte als die am meisten gefährdete Deichstrecke der I. Meile des Alten Landes. Es sieht nicht nur schön aus, laut Landkreis Stade ist es ein geschütztes Biotop – auf Grundlage von Paragraf 30 des Bundesnaturschutzgesetzes. Die Fischerei, heißt es bei Siemens, lohne sich allerdings nicht. Die Fische – Aal und Hecht und früher Schleie – schmeckten sehr „muddig“.
Ausblick: Nach dem Verkauf hat das Wischhafener Bauunternehmen K.-H. Bernhardt für die Neueigentümer ein erstes Konzept entwickelt. Laut Geschäftsführer Ulf Bernhardt soll auf dem Grundstück am Elbdeich in Grünendeich eine „Hotelanlage mit Ferienwohnungen“ entstehen. Die Planung sei in der Endphase, im März 2020 sollen konkrete Entwürfe vorliegen. Im Gespräch sei laut Ulf Bernhardt ein mehrgeschossiger Neubau mit 40 bis 50 Zimmern. Wenn alles klappt, könnten die Bauarbeiter bereits im Herbst 2020 loslegen. Der Unternehmer hofft, dass das Hotel mit Ferienwohnungen im Frühjahr 2022 eröffnet werden kann.
Das würde auch den Tourismus im Alten Land stärken. Der Geschäftsführer des Tourismusvereins Altes Land, Stephan Bergmann, hatte sich in der Vergangenheit wiederholt für einen Hotelbau (und mehr Betten für Feriengäste) im Alten Land starkgemacht, viele Gäste nächtigen in den Städten Buxtehude und Stade.
Mit Politik und Verwaltung hat es erste Vorgespräche gegeben, bestätigten der Bauamtsleiter der Samtgemeinde Lühe, Lars Trucewitz, und die Bürgermeisterin der Gemeinde Grünendeich. Die Gemeinde werde laut Trucewitz – auch auf Wunsch des letztlich für die Baugenehmigung zuständigen Landkreises Stade – einen Bebauungsplan aufstellen müssen. In diesem werde geregelt, wie groß der Bau ausfallen darf. Eine Lösung nach Paragraf 34 – ohne Aufstellung eines B-Plans – hält der Bauamtsleiter mit Blick auf das Kreishaus für nicht umsetzbar.
Die Bürgermeisterin begrüßt die Bebauung der Fläche mit einem Hotel und mit Ferienwohnungen – nach dem Vorbild des Elbstrand Resorts auf Krautsand. Auch auf der Elbinsel hat die K.-H. Bernhardt GmbH bereits mehrere Referenzobjekte errichtet – vom Hotel bis zur Wohnanlage mit bis zu 50 Ferienwohnungen.
Sicherlich, so die Kommunalpolitikerin, hätten sich einige Bürger auch Betreutes Wohnen für Senioren am Elbdeich vorstellen können. Doch Einkaufsmöglichkeiten und Praxen seien zu weit weg, die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sei ausbaufähig. Deshalb sei eine touristische Nutzung gut und richtig, so die Bürgermeisterin am Rande des Neujahrsempfangs in Grünendeich gegenüber dem TAGEBLATT.
Das in die Jahre gekommene Altgebäude stand nicht unter Denkmalschutz, es hätte wirtschaftlich nicht saniert werden können. Bei der Planung werde der Schutz des historisch bedeutsamen Biotops „Schillingsches Brack“ gewährleistet, so Ulf Bernhardt.