Interview mit Hochbahnchef Henrik Falk

Henrik Falk ist seit dem 1. Februar Vorstandsvorsitzender der Hamburger Hochbahn AG. Foto: Hochbahn
Henrik Falk, 47 Jahre alt, ist seit über einem Jahr Chef der Hamburger Hochbahn. Er hat die Digitalisierung der Hochbahn vorangetrieben – auch das Unternehmen will er weiter entwickeln. Seine neuesten Visionen: Die Umstellung der Busflotte auf Elektroantrieb und autonom fahrende U-Bahnen.
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Von Markus Lorenz
Herr Falk, Sie sind Berliner und führen seit gut einem Jahr die Hochbahn in Hamburg. Hand aufs Herz: Welche Stadt ist denn nun schöner?
Falk: Als gebürtiger Berliner ist mir Berlin natürlich sehr vertraut. Deshalb sage ich, ohne diplomatisch sein zu wollen, Hamburg ist für mich derzeit auf jeden Fall die spannendere Stadt. Im Übrigen habe ich festgestellt, dass viele Vorurteile der Berliner gegenüber den Hamburgern nicht zutreffen. Mir begegnen die Menschen hier jedenfalls mit großer Offenheit.
Wie unterscheidet sich der Bus- und Bahnverkehr in beiden Städten?
Ich beschreibe es gern so: Berlins Nahverkehr hat mehr Masse, ganz einfach, weil die Stadt größer ist. Hamburgs Nahverkehr hat mehr Klasse. Allein die Sauberkeit in den Bahnhöfen und in den U-Bahnen ist in Hamburg deutlich besser.
Sie haben die Hochbahn sehr schnell auf Kurs Modernisierung gebracht. Wohin geht die Reise des Nahverkehrs in Hamburg?
Zunächst ist es mal wichtig, das Brot-und-Butter-Geschäft auf dem bisherigen Niveau zu halten und auszubauen. Das heißt, die U-Bahnen und Busse der Hochbahn sollen weiterhin zuverlässig für die Menschen da sein. Das ist die Basis, um die nötigen Veränderungen angehen zu können. Und dabei ist die Digitalisierung sicherlich besonders wichtig.
Digitalisierung begegnet den Menschen in fast allen Bereichen. Was heißt das für die Fahrgäste der Hochbahn konkret?
Wir werden noch in diesem Jahr alle knapp 1000 Hochbahn-Busse mit kostenfreiem WLAN ausrüsten. Gleichzeitig sind wir dabei, sämtliche U-Bahnstationen damit auszurüsten, die Hälfte in 2017, die andere Hälfte bis Ende 2018. Und wir haben damit begonnen, in allen U-Bahnen des neuen Typs DT5 USB-Stromanschlüsse zum Aufladen von Handys und Tablets zu installieren. Auch in neuen Bussen wird es künftig solche Anschlüsse in den Haltestangen geben. Und das ist erst der Beginn der Vorteile, die die Digitalisierung im städtischen Nahverkehr für die Kunden bereithalten wird.
Auch beim Kauf der Tickets setzen Sie auf digitale Technologie …?
Ja. Ich kenne keinen Menschen, der sich gern mit dem komplizierten Tarifsystem beschäftigt. Deshalb wollen wir das Verfahren automatisieren und ein solches System im ganzen HVV einführen. Die Methode heißt „Check-in, Be-out“. Das bedeutet: Der Fahrgast meldet sich beim Einsteigen in den Bus oder in U- und S-Bahn mit seinem Smartphone an. Dann fährt er, wohin er möchte und so oft er möchte, ohne sich um Tarifzonen zu kümmern. Beim Verlassen des Fahrzeugs wird er automatisch ausgecheckt. Das System rechnet immer den günstigsten Fahrpreis ab, also maximal den Preis einer Tageskarte. Wir arbeiten gerade daran, im nächsten Jahr einen Piloten laufen zu haben.
Stichwort Umwelt: Die Hochbahn will ab 2020 nur noch emissionsfreie Busse anschaffen. Ist die Technik schon so weit?
Komplett serienreife Fahrzeuge gibt es noch nicht. Aber diese werden in den nächsten zwei Jahren kommen. Es gibt eine gemeinsame Beschaffungsinitiative von Hamburg und Berlin für solche umweltfreundlichen Busse, der sich inzwischen viele andere große Städte angeschlossen haben. Damit erhöht sich unter anderem die Stückzahl der Bestellungen, was die Kosten senkt. Aber vor allem ist es ein Signal an die Hersteller: Wenn sie auch weiterhin Busse in den Metropolen verkaufen wollen, müssen sie serienfähige, emissionsfreie Fahrzeuge liefern.
Ab wann fahren in Hamburg nur noch solche sauberen Elektrobusse?
Wir haben eine durchschnittliche Laufleistung von zehn bis zwölf Jahren für Busse. Das heißt, dass ab Anfang der 2030er Jahre ausschließlich emissionsfreie Bus unterwegs sein werden.
Bekommt Hamburg autonom fahrende U-Bahnen?
Ja, wobei wir bei U-Bahnen nicht von einem autonomen, sondern einem automatischen Fahrbetrieb sprechen. Der ist für die Linie U5 angedacht, deren Bau – wenn alles gut läuft – 2021 beginnen soll. Solche Systeme ohne Fahrer sind bei Neubauprojekten in vielen Städten schon Standard. Die Effizienz ist viel höher, wir wollen mit automatisierten U-Bahnen im Minutentakt fahren.
Wann folgen autonome Busse?
Bei großen Bussen ist es noch ein Riesenschritt, aber im Kleinbusbereich sind wir aktiv. Wir planen in den nächsten Jahren einen Testbetrieb in Hamburg. Das wird ein Forschungsprojekt über mindestens vier Jahre hinweg und eine Riesen-Herausforderung. Wenn es gut läuft, könnten die ersten Kleinbusse ab 2020 autonom unterwegs sein.
Klingt nach Revolution. Sie bräuchten dann keine Busfahrer mehr. Wie wird sich die Rolle der Hochbahn im Nahverkehr der Zukunft noch verändern?
Naja, wie gesagt ist es bei großen Stadtbussen ja noch ein gewaltiger Schritt bis zur autonomen Fahrweise. Aber richtig ist, dass sich die Tätigkeiten von Mitarbeitern – wie im Zuge jeder technischen Revolution – natürlich teilweise auch verändern werden. Dabei wird es jedoch immer noch einige Aufgaben für engagierte Kolleginnen und Kollegen geben. Denn die Hochbahn wird auch künftig den öffentlichen Nahverkehr in Hamburg organisieren, auch wenn er sich völlig verändert. Beispielsweise auch für Fahrzeuge, die sich Menschen teilen und nur bei Bedarf anfordern. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir alle in der Zukunft über unser Smartphone ein automatisch fahrendes Fahrzeug zu uns nach Hause bestellen, vielleicht einen Pkw oder auch einen Minibus, in den dann noch andere einsteigen. Am Ziel lassen wir das Fahrzeug einfach stehen. Menschen müssten sich dann kein eigenes Auto mehr kaufen, sie teilen sich einfach die Fahrzeuge – wie im jetzigen ÖPNV auch. Die Hochbahn ist übrigens seit mehr als 100 Jahren Experte für geteilten Verkehr, wenn auch auf andere Art. Das Wissen wollen wir auch in neue Verkehrsmodelle einbringen.
Sind Sie ein Visionär?
Das kann ich selbst nicht beurteilen.
Bitte ergänzen Sie...
Der größte Unterschied zwischen den Hamburgern und den Berlinern ist … dass die Berliner die essbaren Berliner Pfannkuchen nennen.
HSV oder Hertha BSC ... FC St. Pauli.
Mein Lieblingsplatz in Hamburg ist …der Stadtteil Altona.
Auto fahre ich … vorwiegend zum Einkaufen.
Wenn die U-Bahn unpünktlich ist, dann … ist das ärgerlich und verbesserungswürdig.
Der Geisterbahnhof in Steilshoop ... ist für mich eine lustige Geschichte.
Meine größte Schwäche ist … Unpünktlichkeit.
Meine größte Stärke ist ... dass ich zu meiner Unpünktlichkeit stehe.
Henrik Falk ist 47 Jahre alt, ist verheiratet und hat zwei Kinder und wohnt in Bergedorf.
Seit dem 1. Januar 2016 ist Henrik Falk Mitglied des Vorstandes der Hamburger Hochbahn AG, seit dem 1. Februar 2016 Vorstandsvorsitzender. Henrik Falk führte vom 1.11.2008 bis 31.12.2015 den Vorstandsbereich Finanzen und Vertrieb der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Darin sind die Bereiche Vertrieb & Service, (verkehrliches) Angebot, IT, Einkauf, Recht, Controlling sowie Finanzen zusammengefasst.
Ab 1999 arbeitete er als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Wirtschaftsrecht in Berlin und wurde 2001 Partner einer Anwaltssozietät. Zum 1. April 2004 wechselte Henrik Falk zur BVG als Chefsyndikus und Leiter des Gremienbereiches. Ab 2007 war er Geschäftsführer der BVG-Beteiligungsholding, die unter anderem die Fahrertochter Berlin Transport GmbH und die URBANIS GmbH umfasst.
Er studierte Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin. Die betriebswirtschaftliche Ausbildung erfolgte in St. Gallen/Schweiz.
Nach einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht in München absolvierte er sein Referendariat in Paris und Berlin.