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Jetzt ist Horneburg endlich geschützt

NLWKN-Projektleiter Jan Thure Berndt bei der technischen Abnahme der neuen Deiche und der Hochwasserentlastungsanlage an der Aue/Lühe im Flecken Horneburg. Fotos Vasel

NLWKN-Projektleiter Jan Thure Berndt bei der technischen Abnahme der neuen Deiche und der Hochwasserentlastungsanlage an der Aue/Lühe im Flecken Horneburg. Fotos Vasel

Bei der Starkregenflut 2002 standen einigen Wohngebiete in Horneburg – unter anderem die Kalkwiesen und im Bereich von Vor- und Marschdamm – unter Wasser: Nach der Flut wurden die Deiche in Etappen erhöht. 

Von Björn Vasel Freitag, 30.10.2015, 16:57 Uhr

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Mit der Verlegung der Aue/Lühe und der Fertigstellung der neuen Deich-Linie (inklusive der Hochwasser-Entlastungsanlage zum Bullenbruch) ist die letzte Lücke geschlossen geworden. „Jetzt ist Horneburg endlich sicher“, sagte der Oberdeichrichter der I. Meile Alten Landes, Arend Fischer, bei der technischen Abnahme am Freitagmittag.

Lediglich Kleinigkeiten müssten im kommenden Jahr noch nachgebessert werden, in einigen nassen Bereichen muss beispielsweise weiterer Kleiboden verfüllt werden. Kurzum: Die Bauunternehmen haben – laut Aussage der Deichverbände, der unteren Deichbehörde beim Landkreis Stade und des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) eine „gute Arbeit“ abgeliefert. Jetzt sind die Deichverbände der ersten und der zweiten Meile für die Sicherheit zuständig. Die Widmung nach dem Niedersächsischen Deichgesetz erfolgt später (innerhalb der nächsten fünf Jahre).

Knapp 4,5 Millionen Euro hat sich Niedersachsen den letzten Bauabschnitt – zur Verbesserung des Hochwasserschutzes in Horneburg und zur Minimierung des Hochwasserrisikos unterhalb des Fleckens bis zum Lühe-Sperrwerk – kosten lassen. Die Deichverbände der I. und II. Meile sind die Träger der Maßnahme, der NLWKN in Stade hatte die Bauüberwachung übernommen.

Knapp 90 000 Kubikmeter Kleiboden wurden bewegt, etwa 8000 Tonnen Granit-Schüttsteine aus Sachsen verbaut. Die drei Deichabschnitte sind insgesamt 1050 Meter lang – und (noch) 4,20 Meter über Normalnull (NN) hoch. Hintergrund: In den nächsten 20 Jahren wird sich der Deich laut NLWKN-Projektleiter Jan Thure Berndt setzen, so ist die notwendige Deich-Höhe von 3,50 Meter „langfristig gesichert“.

Den Autofahrern fallen vor allem die Hochwasserentlastungsanlage zum Bullenbruch und der kleine See ins Auge. Die gesamte Fläche zwischen den beiden Deichlinien unterliegt dem Tide-Einfluss und wird der Natur überlassen. Dem verlegten Fluss wird dadurch letztlich die Möglichkeit gegeben, sein eigenes Flussbett zu formen. Die naturschutzfachlichen Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses werden damit umgesetzt. Des Weiteren kann die Aue/Lühe bei Starkregenfluten im Biotop ausufern. Das Ufer wurde mit Schilf und Röhricht, eingebaut mit Matten, gesichert.

Die künstliche Riesenbadewanne hat bei Niedrigwasser in der Aue/Lühe ein Volumen von 30 000 Kubikmetern, bei Hochwasser steigt die Wassermenge zwischen den flankierenden Deichen auf bis zu 160 000 Kubikmeter an. Bis zu 3,50 Meter hoch steht das Wasser schon heute regelmäßig bei Hochwasser, so Berndt beim Rundgang.

Die Hochwasserentlastungsanlage an der Kreisstraße K 36 neu ist eine 160 Meter breite Überlaufschwelle zum Bullenbruch. Bei Hochwasser läuft das Wasser – ab einem Wasserstand von 2,30 Meter über Normalnull (NN) – über eine mit Schüttsteinen befestigte Böschung durch zehn Durchlässe unterhalb der K 36 und den Mittelkanal in den Bullenbruch. Ohne diesen Überlauf hätten die neuen Deiche für eine hochwasserfreie Durchführung der Aue nicht nur auf 3,50 Meter, sondern auf 5,5 Meter NN erhöht werden müssen.

Heinrich Pudimat, Leiter der Stader Betriebsstelle des NLWKN, und Bürgermeister Hans-Jürgen Detje (CDU), betonten, dass letztlich alle an einem Strang gezogen hätten – Deichverbände, Anlieger, Förderverein Lühe-Aue und der Flecken. Das alte Pegelhaus und der Altarm der Aue wurden erhalten – letzterer abgeriegelt durch einen begehbaren Fangedamm. „Ein guter Kompromiss“, so Detje. Mithilfe von Rohrdurchlässen und Mönchbauwerk wird der Wasseraustausch/-stand in der alten Aue, die auf Wunsch des Fleckens und der Anwohner als Freizeit-See erhalten blieb, reguliert. Der Flecken will die Winkelstützmauer am Marschdamm abreißen, um einen Zugang zum Altarm zu schaffen, so Bürgermeister Detje. Das wird Thema der Etat-Beratungen 2016.

Auf dem Aue-Altarm und dem neuen Fluss sollen zukünftig die Paddler in der Natur unterwegs sein; ein Bootshaus könnte an der Hafenstraße entstehen, hier sollen die Kanus untergebracht werden, die die Familieninitiative von der Schule übernommen hat.

Mit der Fertigstellung des Aue-Deichs ist Horneburg geschützt. Lediglich Dammhausen ist weiterhin von einem Hochwasser an Aue/Lühe bedroht. Zur Erinnerung: Bei der Starkregenflut von 2002 hatte ein Sandsack-Damm die Fluten westlich der Hansestadt Buxtehude am Poggenpohl in Dammhausen gerade noch gestoppt. Seitdem ist der Bau eines rund 650 Hektar großen Hochwasserentlastungspolders im Bullenbruch zwischen Horneburg und Buxtehude im Gespräch, der Entwurf des Planfeststellungsbeschlusses liegt bereits seit Ende des vergangenen Jahres beim antragstellenden Deichverband der II. Meile Alten Landes mit Sitz in Jork.
„Der Knackpunkt ist die Entschädigungsregelung für Landwirte“, betont die Sprecherin des NLWKN in Norden, Herma Heyken. Hier gibt es immer noch keine Einigung, weitere hydraulische Berechnungen – zur Abklärung der Betroffenheiten der Landwirte – wurden in Auftrag gegeben. Auf Bitte des Deichverbandes ergänzt der NLWKN die wasserwirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Gutachten. Parallel laufen Gespräche, wie die Entschädigungen an die Landwirte vom Land finanziert werden können. Der Deichverband will nicht belastet werden – und diese Frage vor dem Bau geklärt haben.
Heinrich Pudimat (NLWKN Stade) hofft, dass der Planfeststellungsbeschluss im nächsten Jahr ergeht – in der ersten Jahreshälfte. Ziel sei es grundsätzlich, durch Gespräche möglichst viele der Konflikte „schon im Vorfeld auszuräumen“. Denn mögliche Klagen gegen einen Beschluss kosten im Ernstfall viel mehr Zeit und Aufwand, so Heyken. Die Planungen des NLWKN überzeugten Richter (und Betroffene). 1200 Verfahren seien bislang abgeschlossen worden, lediglich 52 Klagen gab es – und „in nur zwei Fällen war eine Klage bisher überhaupt erfolgreich“.
Wie berichtet, befürchten die Landwirte – bei einer Flutung des Polders – Schäden von bis zu 600 000 Euro. Dieser soll ersetzt werden. Fünf Bauern aus Horneburg und neun aus Buxtehude sind betroffen. Seit mehreren Hundert Jahren ist der Bullenbruch ein Überschwemmungsgebiet. Deshalb könnten eigentlich, so die Planer, nur diejenigen entschädigt werden, deren Flächen durch den Polderbau geflutet werden. Darüber gibt es Streit.
Der Polder soll von bis zu elf Meter breiten, bis zu 1,50 Meter (NN) hohen Verwallungen begrenzt werden. 3,5 Millionen Kubikmeter müsste der Polder im schlimmsten Fall aufnehmen; erst ab einer Million Kubikmeter ist die Wanne, die auch eine Rückhaltung im Oberlauf überflüssig macht, voll. Mit den Schöpfwerken Bullenbruch und Neuland könnte der Polder in sieben Tagen leergepumpt werden, auch, um Schäden in der Landwirtschaft („Gärprozesse“) zu minimieren. In der Regel würden aber nur Gräben geflutet. Szenarien: Starkregenflut im Sommer oder Sturmflut plus Schließung des Lühesperrwerks und winterliche Regen-/Tauwetterereignisse. (bv)

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