Landgang holt Mediziner aufs Land
Der Vorsitzende der Ärztekammer Volker von der Damerau-Dambrowski, Kreis-Gesundheitsdezernentin Susanne Brahmst und Hans-Dieter Demmer vom Gesundheitsamt (von links) beim Bilanzgespräch des Projektes „Landgang“ in Drochtersen. Foto Helfferi
Eine Zwischenbilanz zog das Projekt „Landgang“ im Kehdinger Bürgerhaus in Drochtersen. Vor anderthalb Jahren ging die auf drei Jahre angelegte Initiative an den Start, um Medizinstudenten für ein Praktikum in den Landkreis Stade zu locken.
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Finanziert wird sie durch die Samt- und Einheitsgemeinden, die Städte sowie den Landkreis. Vertreter der Ärzte und Kommunen berichteten von ihren Erfahrungen. Zunächst berichtete Dr. Stephan Brune, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Stade, über die ärztliche Versorgung im Landkreis. Die Bereiche Stade und Buxtehude seien ausreichend versorgt, Schwierigkeiten gebe es in Kehdingen. 120 Hausärzte seien im Landkreis Stade zugelassen. Die ambulante Versorgung werde durch 331 Ärzte und Psychotherapeuten abgedeckt. Zusätzlich seien 48 Krankenhausärzte zur ambulanten Versorgung ermächtigt.
„Selbstständige Ärzte sehen mehr Patienten als angestellte Ärzte“, meinte Brune. Aber das Problem sei, dass die meisten jungen Ärzte angestellt arbeiten wollen; und viele in Teilzeit. „Das spielt für die Versorgung eine Rolle“, so der KV-Chef. Hinzu komme das Alter der praktizierenden Ärzte. Viele Ärzte im Landkreis seien älter als 63 Jahre. „Wir freuen uns über jeden der bis 70 arbeitet, aber wir müssen es wissen, um planen zu können.“ Erstaunlich ist, dass bei den Medizinstudenten die Allgemeinmedizin hoch im Kurs stehe, an zweiter Stelle der Beliebtheit. Brune fordert mehr Studienplätze für Mediziner.
Aber die Ausbildung dauert lang: Dem sechsjährigen Studium folgt eine fünf- bis achtjährige Facharztausbildung. Selbst wenn die Zahl der Studienplätze heute aufgestockt würde, stünden erst in zwölf Jahren mehr Ärzte zur Verfügung. „Daher müssen wir die künftigen jungen Ärzte frühzeitig für die Region begeistern.“ Das Projekt „Landgang“ sei da ein guter Ansatz. Die Rahmenbedingungen vor Ort müssten stimmen, die Infrastruktur und die Entlastung von Bereitschaftsdiensten. „Junge Ärzte sind nicht mehr bereit, nachts um 3 Uhr irgendwo auf dem Land auf einen einsamen Hof zu fahren.“ Das sei vor allem bei den Ärztinnen so – und die Medizin werde immer weiblicher. Aber auch für ältere Mediziner seien diese Bereitschaftsdienste auf dem Land ein Problem. Hier müsste Entlastung geschaffen werden, etwa indem auch nachts Patienten in die Praxen geholt werden.
Erfahrungen in Buxtehude, wo die Versorgung eine Weile nicht gut war, haben gezeigt, dass mit Geld auch Ärzte zu bekommen sind. 240 000 Euro wurden damals in die Hand genommen, unter anderem für Starthilfen. Und Ärzte, die trotz Rentenalters weiter praktizieren wollen, müssten intensiv unterstützt werden. „Wenn ein 74-jähriger Kollege bereit ist 15 Stunden die Woche weiter zu arbeiten, ist das gut“, so der KV-Vorsitzende.
Anschließend berichtete die Koordinatorin Iris Fitze über die ersten anderthalb Jahre von „Landgang“. 15 Medizinstudenten – und vor allem -studentinnen – der zweiten und dritten Semester und weitere sechs der achten und neunten Semester seien für ein Praktikum im Landkreis gewesen. Zwölf Lehrpraxen in Hammah, Ahlerstedt, Stade-Hagen, Horneburg, Stade, Hollern-Twielenfleth, Himmelpforten, Jork, Wischhafen, Freiburg und Mulsum stehen zur Verfügung. Die Studenten erhalten zu Beginn der einwöchigen Praktika ein Begrüßungspaket mit Angeboten und Gutscheinen der Region. Außerdem sind pro Kopf 500 Euro für Anreise, Verpflegung und Unterkunft eingeplant. Die Rückmeldung der angehenden Mediziner sei durchweg positiv gewesen. „Sie haben festgestellt: Wenn man sehen will, was in der Medizin los ist, muss man in eine Landarztpraxis gehen“, so Dr. Susann Schütt aus Horneburg.
Die Schwierigkeit ist nun, wie noch mehr Studenten in den Landkreis geholt werden können. Pro Jahr müssen allein in Hamburg 350 Medizinstudenten ein Praktikum machen. Gesundheitsdezernentin Susanne Brahmst schlug vor, das Projekt so auszuweiten, dass auch Studierende für ihre Famulatur nach Stade kommen können. Kontakt solle auch nach dem Praktikum zu den Studenten gehalten werden. Stephan Brune setzt auch auf Werbung für die Elbe Kliniken. „Viele niedergelassene Ärzte im Landkreis kommen aus den Elbe Kliniken. Wir sollten es als Ausbildungszentrum herausstellen.“