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Jugendgericht Buxtehude

Letzte Ausfahrt vor dem Gefängnis

Symbolbild. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Symbolbild. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Das Jugendgericht hat am Donnerstag in Buxtehude den Kopf der früheren „Bollweg-Bande“ erneut verurteilt. Hausfriedensbruch, Körperverletzung und Nötigung, so lautete die Anklage diesmal. Der 19-Jährige legte ein Geständnis ab. Das Urteil: Knast light.

Von Björn Vasel Freitag, 03.11.2017, 11:52 Uhr

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Der Heranwachsende hatte sich 2016/2017 in zwei Schulen herumgetrieben – in der Hauptschule Süd und in der Integrierten Gesamtschule (IGS). Dabei hatte der junge Mann in beiden Buxtehuder Schulzentren seit fünf Jahren ein Hausverbot. Er selbst hatte die Förderschule nach der achten Klasse ohne Abschluss verlassen.

In der IGS hatte der frühere Intensivtäter maskiert die Sporthalle gestürmt. Gewalttätig wurde er in der Hauptschule Süd: Dort lief er in einen Klassenraum und packte einen Schüler am Kopf, mit dem er im Clinch lag. Er drückte den Kopf fest auf die Tischplatte und drohte schließlich, ihm eine „reinzuhauen“ oder ihn „umzubringen“, so der Staatsanwalt bei der Verlesung der Anklageschrift. Bei der Tat soll er alkoholisiert gewesen sein.

Der junge Mann ist ein Wiederholungstäter: Der Buxtehuder gehörte zu einer Jugendbande, die 2011 bis 2014 die Stadt Buxtehude in Atem hielt, erst in der Bahnhofstraße, später im Bollweg. Mehr als 100 Straftaten von Diebstahl und Brandstiftung über Beleidigung und Hausfriedensbruch bis zur Sachbeschädigung und Körperverletzungen hatten Polizei und Staatsanwaltschaft auf seinem Konto verbucht. 2014 verurteilte ihn Jugendrichterin Nora Sielbeck zu einer Jugendstrafe von einem Jahr, verbunden mit einer einjährigen Erziehungstherapie in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung in Hannover. Das Gericht sprach seinerzeit von einem einsichtigen und sehr kooperativen Straftäter. Das alles kostete die Stadt Buxtehude rund 8500 Euro im Monat.

Nach dieser Zeit wurde es ruhiger um ihn. Ende 2015 geriet der Kopf der früheren Bollweg-Bande erneut auf die schiefe Bahn, als er „im Schlepptau seines jüngeren Bruders“ einen jungen Mann am Bahnhof in Neukloster ausraubte. Sein Bruder hatte mit einer neuen Jugendgang von September bis November 2015 mehrere Jugendliche ausgeraubt und Fahrzeuge in der Innenstadt beschädigt.

Dafür musste der Jüngere 2016 eine dreimonatige Erziehungsmaßnahme in Rumänien antreten. Bei dem Älteren wurde die Jugendstrafe letztlich von einem Jahr um neun Monate verlängert, seine Bewährung läuft noch bis 2019. 120 Arbeitsstunden sollte der 19-Jährige ableisten, das Urteil war erst im März dieses Jahres rechtskräftig geworden. Zeugen waren während des Prozesses aus dem Umfeld des Angeklagten bedroht worden, laut Richterin Sielbeck stehen jetzt drei Verfahren wegen Falschaussage an.

Das Mitglied der stadtbekannten Familie fand, unter anderem wegen seines Namens, zunächst keinen Platz. Erst ab dem 6. November wird er in einer Jugendwerkstatt arbeiten und seine Arbeitsstunden ableisten – unterbrochen vom Jugendarrest.

Die Jugendgerichtshilfe und der Bewährungshelfer hatten diese Lösung unterstützt, mit der Hilfe des Jobcenters soll der Buxtehuder jetzt in einem Internat eine Ausbildung machen – auch, um sich aus seinem schlechten Umfeld lösen zu können. „Hier hat es keinen Sinn mehr für ihn, das hat er gepeilt“, so die Mutter.

Mit einem Deal, von Rechtsanwalt Lars Zimmermann ins Gespräch gebracht, wurde das Verfahren ohne Zeugenbefragung (auch Lehrer der Schulen hatten eine Ladung erhalten) zu Ende gebracht. Schlussendlich legte der 19-Jährige ein Geständnis ab. Letztlich seien die jetzt angeklagten Taten „eher geringfügig“ und nicht so strafwürdig wie die früheren gewesen; er habe eingesehen, dass er Mist gebaut habe, so Jugendrichterin Nora Sielbeck.

Ihre Hoffnung: Wer acht Stunden am Tag arbeitet, ist zu erschöpft für neue Taten. Er müsse sich jetzt im Klaren sein, dass weitere Tabu seien: „Ich will Dich hier nicht wiedersehen.“

Wie stark der junge Mann geläutert ist, blieb in der Verhandlung offen: Zwischenzeitlich war er bereits ohne Führerschein mit einem Mofa unterwegs gewesen und erwischt worden. Bei dem Heranwachsenden griff das Jugendstrafrecht, Erziehung steht im Fokus. Der Jugendarrest ist ein Knast light, letzte Ausfahrt vor dem Gefängnis.

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