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Magische Momente mit Elton John

Sänger Elton John verzaubert in der Barclaycard-Arena das Hamburger Publikum. Foto: Heimken/dpa

Sänger Elton John verzaubert in der Barclaycard-Arena das Hamburger Publikum. Foto: Heimken/dpa

Eigentlich sollte er bereits im Juli mit seinem Programm „Wonderful crazy night“in Hamburg gastieren, doch der G20-Gipfel zwang den britischen Musiker Elton John zur Absage des Konzerts. Das Warten der Fans auf den Nachholtermin hat sich gelohnt.

Von Daniel Beneke Mittwoch, 06.12.2017, 15:02 Uhr

Knapp zweieinhalb Stunden stand er am Dienstagabend in der Barclaycard-Arena auf der Bühne. Das Publikum war aus dem Häuschen.„The bitch is back“, singt der 70-Jährige und meint damit auch ein Stück weit sich selbst. Mit der fetzigen Nummer zeigt der Sänger den mehreren Tausend Besuchern in der fast ausverkauften Halle gleich zu Beginn des Abends, dass er mehr drauf hat als sanfte Töne. Seine durchdringende Stimme erfüllt den Saal. An Kraft und Präsenz hat Sir Elton John, 1998 von der Queen zum Ritter geschlagen, nichts verloren. Schon nach den ersten Titeln erheben sich die Zuschauer zum Applaudieren von ihren Plätzen. Eher balladesk kommt das Soul-Lied „The Good Heart“ daher – der persönliche Lieblingstrack des Sängers im aktuellen Album „Wonderful crazy night“.

Das Konzert bietet einen Querschnitt aus fünf Jahrzehnten Musikgeschichte: von Balladen über Rock- und Rock-‘n‘-Roll-Titel bis hin zu Blues- und Boogie-Stücken. Mit über 450 Millionen verkauften Alben gilt Elton John als einer der erfolgreichsten Interpreten weltweit. Und er ist sich treu geblieben, nimmt auch in Hamburg die Gestalt eines Paradiesvogels an. Über dem rosafarbenen Hemd trägt er ein mantelartiges, mit Pailletten verziertes Sakko, das auf dem Rücken einen Flamingos vor einer See-Kulisse zeigt. Selbst der Rahmen der getönten Brille funkelt golden. Was nur die wenigsten Zuschauer sehen können: Die Pedale des Klaviers betätigt er in pink-glänzenden Sneakers.

Für magische Momente sorgt nicht nur die Musik. Elton John verzichtet auf Showeffekte wie Konfettiregen oder Feuerfontänen. Es sind die einfachen Mittel, die das Publikum verzaubern: ans Arenendach projizierte Sternenbilder oder auf der Videowand hinter der Bühne dahinplätschernde Wassertropfen. Geradezu mystisch wirken großformatig eingespielte Satellitenaufnahmen aus dem Weltall, die den Erdball aus ungewohnter Perspektive zeigen.

Zwischendurch ergreift der Sänger das Wort und wendet sich direkt an die Zuschauer. „Wir leben in einer bösen Welt“, sagt Elton John. Er beklagt, dass Hass und Gewalt überhandnähmen und dass Menschen wegen ihrer Nationalität oder Religion ihr Leben lassen müssten. Ausdrücklich kritisiert der Sänger die Politik von US-Präsident Donald Trump. Für die Aussage, dass es derzeit keinen verlässlichen Regierungschef gebe, erntet er lauten Beifall. Zugleich will Elton John den Zuschauern Mut machen: Er bedankt sich bei allen Menschen, die Liebe in die Welt bringen und stimmt das Stück „I Want Love“ an. „We love you“ prangt derweil in großen Lettern auf der Videowand.

Hin und wieder ist ein Kreischen auf den Rängen zu vernehmen – meist dann, wenn der Sänger die Lieblingslieder einzelner Besucher intoniert. Bei der ruhigeren Nummer „Tiny Dancer“ ist die Freude vieler Fans deutlich vernehmbar. Die Brüche in dem abendfüllenden Programm sind hart: Weiter geht es mit dem Stück „Levon“ aus Elton Johns Anfangsjahren. Die fünfköpfige Band hat sich zwischenzeitlich von der Bühne gestohlen, nur der Weltstar und sein Klavier stehen im Rampenlicht.

Mit einem langen Solo-Part verzaubert er das Publikum. Die Musikerkollegen John Mahon (Percussion, Gesang), Kim Bullard (Keyboard), Matt Bissonette (Bass), Nigel Olsson (Drums) und Davey Johnstone (Gitarre, Gesang) bekommen während des Konzerts aber ebenfalls reichlich Gelegenheit, ihr Können zu demonstrieren. Sie verausgaben sich zusehends, die Schweißperlen laufen ihnen die Stirn hinunter. Das Publikum bedankt sich mit tosendem Beifall. „You are fantastic“, ruft Elton John den Besuchern zu.

Vergessen ist da der Ärger im Juli, als der Musiker wegen des G20-Gipfels nicht mit seinem Flugzeug in Hamburg landen durfte und den Auftritt kurzfristig absagen musste. Doch auch der neue Termin für das erste Konzert in Hamburg seit sieben Jahren steht unter keinem guten Stern. Erst am Montag ist seine Mutter Sheila gestorben. Elton John entscheidet sich gegen das Trauern im Stillen und widmet ihr stattdessen die Nummer „Your Song“. Die Besucher sind ergriffen, recken Smartphones und Feuerzeuge in die Höhe. Danach setzt der Sänger wieder auf temporeiche Lieder. Längst hält es kaum einen Zuschauer des Sitzkonzerts mehr auf den Stühlen.

Zwischen den Reihen und auf den Rängen wird zu den Klassikern „Crocodile rock“, „Saturday night’s right for fighting“ und „I‘m still standing“ getanzt. Eine Pause gönnt Elton John weder sich noch dem Publikum. Nach knapp zweieinhalb Stunden verabschiedet er sich von den entzückten Gästen, die sich mit minutenlangem Beifall und Blumengeschenken bedanken.

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