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Melbeck genießt das Leben nach dem Handball

Auf der Ostsee zwischen Dänemark und Deutschland: Stefanie Melbeck hat die Handball-Fans aus Buxtehude zur Europameisterschaft nach Schweden begleitet. Foto Scholz

Auf der Ostsee zwischen Dänemark und Deutschland: Stefanie Melbeck hat die Handball-Fans aus Buxtehude zur Europameisterschaft nach Schweden begleitet. Foto Scholz

Das Leben als Handballerin ist passé. Stefanie Melbeck wird nun „anders fremdbestimmt“. Doch der Handball ist nicht aus ihrem Leben verschwunden. Auf der Ostsee-Fähre spricht sie über den deutschen Frauen-Handball und Emily Bölks Selbstvertrauen.

Von Tim Scholz Freitag, 09.12.2016, 18:06 Uhr

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Als sich die Türen zum Außendeck öffnen, blickt Stefanie Melbeck in die Ferne. „Die Schiffe, da hinten“, sagt sie und zeigt auf den Horizont, „es könnte sein, dass ich die bezahle.“ Melbeck lächelt durch die zusammengekniffenen Augen. Ob es tatsächlich die Schiffe sind, mit denen sie zu tun hat, ist unklar. Über den Horizont schieben sich lediglich einige trübe Silhouetten.

Wenige Minuten zuvor hat das Fährschiff das dänische Rødbyhavn verlassen und fährt nun über die Ostsee der deutschen Insel Fehmarn entgegen. Stefanie Melbeck und rund 30 Handball-Fans aus Buxtehude vertreten sich die Beine an Deck der Fähre, trinken Kaffee oder schlagen sich während der 45-minütigen Überfahrt die Bäuche am Buffet voll.

Hinter dem BSV-Tross liegt eine zweitägige Busreise zur Europameisterschaft nach Schweden. Die Fans haben gesehen, wie der Buxtehuder Youngster Emily Bölk im Trikot der deutschen Nationalmannschaft ihr Debüt bei einem großen Turnier gab. Sie haben gesehen, wie Bölk und Co die favorisierten Niederländerinnen zum Vorrundenauftakt schlugen. „Ein spannendes und schönes Handballspiel“, merkt Stefanie Melbeck an.

Sie, die 223-fache Ex-Nationalspielerin, vierfache EM-Teilnehmerin und Rekordtorschützin des Buxtehuder SV, übernahm die Reiseleitung. Im Bus saß sie in der ersten Reihe, gleich hinter Busfahrer Christian. Schon ein Jahr zuvor hatte Melbeck rund 100 Handball-Begeisterte zur Weltmeisterschaft nach Dänemark begleitet. Diesmal ging es nach Kristianstad im Süden Schwedens.

Stefanie Melbeck hat den Handball nach ihrer aktiven Zeit nicht hinter sich gelassen. Sie besucht regelmäßig die Heimspiele des Buxtehuder SV in der Halle Nord und kommentiert sie hin und wieder für die Live-Übertragungen im Internet. Sie hält immer noch Kontakt zur Mannschaft, zumindest zu den Spielerinnen, mit denen sie noch zusammengespielt hatte. Melbeck handelt den BSV in dieser Saison als Europapokal- Kandidat.

Die gebürtige Hamburgerin, die von allen Steffi genannt wird, bleibt im kollektiven Gedächtnis der BSV-Anhänger vor allem als jene Spielerin in Erinnerung, die zwei Mal ihre Karriere beendet hatte. Einmal 2012, Melbeck war schwanger. Das zweite Mal 2015, nachdem sie der Mannschaft in der größten personellen Not zur Hilfe kam und in ihrem letzten Spiel zum Pokalerfolg führte.

Für den Buxtehuder SV hatte die Abwehrspezialistin zwischen 1996 und 2013 mit Unterbrechungen 271 Bundesligaspiele absolviert und 1033 Tore geworfen. Nach ihrem vierten Engagement beim BSV sollte aber definitiv Schluss sein, das hatte sie mehrfach versichert. „Ich will den Sport ja nicht bis 67 treiben.“ Sie ist jetzt 39, wird im April 40.

Es ist ein ganz anderes Leben, das Stefanie Melbeck nach der sportlichen Karriere führt. „Ich werde nun anders fremdbestimmt“, sagt sie. Kein Trainings- oder Spielplan gibt mehr vor, wie sie zu leben hat. Die Familie, insbesondere Sohn Kjell und der Job bestimmen jetzt Melbecks Leben.

Kjell ist dreieinhalb Jahre alt. „Er bekommt die volle Aufmerksamkeit“, sagt Melbeck. Unter der Woche kümmert sie sich allein um den Kleinen. „Da bin ich sozusagen alleinerziehend.“ Ihr Ehemann Stefan ist dann beruflich als IT-Berater unterwegs. Der Familie bleiben die Wochenenden für Ausflüge, manchmal geht’s auch in die Halle Nord.

Und da sind noch die Schiffe. Seit dem vergangenen Jahr arbeitet Stefanie Melbeck in der Heuerbuchhaltung der Reederei NSB in Buxtehude. Daher der Spruch auf dem Außendeck der Fähre. Melbeck sorgt dafür, dass die Kapitäne, die Containerriesen mit Namen wie Buxlink oder CMA CGM Vela über die Weltmeere steuern, bezahlt werden. 30 Stunden in der Woche.

Die Reisen mit den Handball-Fans nach Skandinavien genießt Stefanie Melbeck sehr. Insgesamt fünf Jahre hatte sie in Dänemark, in einer der stärksten Ligen der Welt, Handball gespielt. „Die Zeit hat mich sehr geprägt“, sagt sie. Melbeck hat immer noch Freunde dort. Auch die Reise nach Schweden nutzte sie, um eine Freundin zu besuchen, mit der sie in Kolding zusammengespielt hatte.

Und am Abend saß Stefanie Melbeck in der Arena von Kristianstad. Deutschland gegen die Niederlande – und mittendrin: Emily Bölk. „Sie macht ihren Job unheimlich gut“, sagt Melbeck. Als sie ihr letztes Comeback beim Buxtehuder SV gab, stand sie zusammen mit Bölk auf der Platte. Die eine 37, die andere erst 16.

Melbeck glaubt, dass sich Emily Bölk in der Nationalmannschaft wohl fühle und daher so viel Selbstvertrauen ausstrahle. Auch der von Bundestrainer Michael Biegler vorgelebte, respektvolle Umgang mit seinen „Ladies“ helfe einer Spielerin wie Bölk, befreit aufzuspielen. „Biegler und die Mannschaft sind voll auf einer Länge“, sagt Melbeck. Dass es die deutsche Auswahl in die Hauptrunde schafft, hat sie nicht bezweifelt.

Stefanie Melbeck hatte bei vier Europameisterschaften das DHB-Trikot getragen: „2002 war eine Katastrophe.“ Deutschland wurde Elfter. 2004 stand Platz fünf zu Buche, 2006 und 2008 jeweils Platz vier. „Eine EM ist immer schwieriger als eine WM“, sagt Melbeck. In Europa gebe es einfach mehr starke Teams, bei einer WM immer die Exoten, die Außenseiter.

Melbeck hofft wieder auf bessere Zeiten für den deutschen Frauen-Handball. In Biegler, Bölk und den anderen „tollen Spielerinnen“ sieht sie Hoffnungsträger, auch mit Blick auf die Heim-WM im kommenden Jahr in Deutschland. „Der Frauen-Handball braucht ein langfristiges Konzept, das hätte er verdient“, sagt Melbeck. Auch damit es nicht erneut zwölf Jahre dauert, bis sich Deutschland wieder für die Olympischen Spiele qualifiziert.

Für die Weltmeisterschaft in einem Jahr hat Stefanie Melbeck schon Tickets gekauft. Sie will das Turnier zusammen mit den Spielerinnen erleben, mit denen sie 2007 WM-Bronze geholt hat. „Ich denke, Deutschland wird ein wunderbarer Gastgeber sein“, sagt Melbeck.

Ohne den Handball fehlt etwas in Melbecks Leben.

Melbeck mit Sohn Kjell nach einem BSV-Heimspiel. Foto Jürgens

Melbeck mit Sohn Kjell nach einem BSV-Heimspiel. Foto Jürgens

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