Mike Krüger: „Ich liebe nämlich auch den Humor von anderen. Nicht nur meinen.“

Der Komiker Mike Krüger hat das Medium Youtube für sich entdeckt und hat dort einen eigenen Kanal. Foto: Reinhardt/dpa
Mike Krüger ist in dieser Woche 70 geworden. Andere mögen sich in dem Alter aufs Sofa setzen, der Komiker entdeckt gerade jetzt eine neue Welt für sich. Über seinen Neuanfang mit 70, was ihm heute peinlich ist und was er von Impfverweigerern hält.
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TAGEBLATT: Herr Krüger, Glückwunsch nachträglich zum 70! Sie haben angekündigt, in Komiker-Rente zu gehen. Fällt Ihnen nichts mehr ein?
Mike Krüger: Doch. Aber Tourneen und große Galas mach‘ ich ja schon seit zehn Jahren nicht mehr. Rente heißt jetzt nur, dass ich auch nicht mehr als Gast in jede zweite Quizsendung gehe. Große TV-Shows sind ohnehin grad nicht im Angebot.
Ganz können Sie das Witze machen aber nicht lassen …?
Richtig: Ich habe meinen eigenen YouTube-Kanal, auf dem mache ich „7 Tage, ein Kopf“.
Woher kam die Idee?
Seit Jahren fragen mich die Leute: Warum habt ihr mit „7 Tage, 7 Köpfe“ aufgehört? Könnt Ihr das nicht noch mal machen? Die anderen sechs haben zurzeit was anderes zu tun, deshalb muss ich es leider alleine machen.
Wie ist es, mit 70 das Internet für sich zu entdecken?
Das wird immer spannender. Am Anfang habe ich die Youtube-Geschichte total unterschätzt und gedacht: Mike, da singst du ein bisschen was ins Handy und stellst das ins Netz. Das ist natürlich nicht so. Wie es meine Art ist, habe ich angefangen, mich damit professionell zu beschäftigen. Eine Firma hat mir einen vernünftigen Youtube-Kanal erstellt. Seit letzter Woche gibt es da auch Shorts von mir …
… bitte, was?
Ich hab‘ früher auch gedacht, Shorts wären kurze Hosen. Aber die jungen Leute haben mir gesagt: „Alter, Shorts ist im Moment der heiße Scheiß im Internet, da musst du dabei sein.“ Shorts sind Ein-Minuten-Videos. Und so lerne ich jeden Tag Neues dazu, hab‘ mit vielen 25- bis 30-Jährigen zu tun. Das macht unglaublich viel Spaß.
Sie sind seit etwa 50 Jahren im Geschäft. Wie hat sich die Komikerszene verändert?
Es gibt mehr Stand-up-Comedians, die ohne Musik auftreten. Die haben die Bühnen von uns musikalischen Comedians übernommen, wie Otto, Jürgen von der Lippe, Klaus und Klaus und mir eben.
Gefallen Ihnen Ihre Nachfolger?
Sehr. Da sind echt Granaten darunter wie Atze Schröder, Mario Barth, Dieter Nuhr, Rüdiger Hoffmann, Chris Tall, Bülent Ceylan, und wie sie alle heißen. Ich find’s genial, was die Jungs veranstalten und kann mich ausschütten vor lachen. Ich liebe nämlich auch den Humor von anderen. Nicht nur meinen.
Wer ist der größte Humorist aller Zeiten?
Oh, ganz schwer. Es gibt so viele Tolle. Aus Hamburg fällt mir Heinz Erhardt ein, aus München Karl Valentin. Und Otto ist einer der ganz großen Komiker unserer Zeit.
In Ihrer besten Zeit haben Millionen Menschen Ihre Sendungen eingeschaltet, Ihre Platten gekauft und Ihre „Supernasen“-Filme gesehen. Ist es ein Problem, wenn die Popularität nachlässt?
Ich glaube, meine Popularität hat gar nicht nachgelassen. Mein Bekanntheitsgrad lag vor zehn Jahren immer noch bei 95 Prozent. Dass ich nicht mit jeder LP Gold holen konnte und nicht mit jeder Fernsehsendung 15 Millionen Zuschauer, das ist klar. Deshalb ist es gut, wenn man in der Zeit des Erfolges sein Geld gut angelegt hat. Was meine Frau Birgit zum Glück für mich getan hat.
Ihre Art Humor ist von Kritikern als platte Blödelei abgetan worden. Hat Sie das geärgert?
Nein. Ich mache meine Sachen ja fürs Publikum. Wenn ich das für die Kritiker gemacht hätte, dann hätte ich heute wahrscheinlich größere Probleme mit meiner Altersversorgung. Aber klar: Über gute Kritiken habe ich mich gefreut, bei schlechten hab ich gesagt: Die haben bestimmt den Praktikanten geschickt. Wenn man so lange dabei ist wie ich, hat man alles erlebt – von Jubelkritiken bis zu Verrissen. Beide sollte man nicht überschätzen.
So lange immer neue Witze zu produzieren – das klingt anstrengend. Wie schaffen Sie das?
Vielleicht ist das bei mir genetisch bedingt. Ich liebe es einfach, mir jeden Tag neue Gags auszudenken. Wenn ich durch die Straßen gehe oder einkaufen bin, und ich beachte was Lustiges, spreche ich das aufs Handy, damit ich es nicht vergesse. So lange ich in der Birne noch einigermaßen gut bin, bleibt das hoffentlich so.
Worüber würden Sie nie Witze machen?
Ein paar Themen sind tabu, etwa ernsthafte Krankheiten. Es ist auch nicht lustig, im Moment über Corona Witze zu machen. Das ist der normale Anstand, den jeder hat. Wenn ich mich mit einem Thema nicht wohlfühle und mir vorstelle, das müsste sich vor 5000 Leuten vortragen, dann lass ich’s weg.
Ihre TV-Show „Vier gegen Willi“ stieß in den 80er Jahren manchen unangenehm auf. Da wurde schon mal einem Kandidaten ohne dessen Wissen das Auto demoliert oder in der Wohnung einer Familie eine wilde Party gefeiert, als diese bei Ihnen im Studio saß. Ist Ihnen das im Nachhinein peinlich?
Da waren ein paar Sachen dabei, für die würde ich mich heute entschuldigen. Einem 75-jährigen Postboten vor 15 Millionen Zuschauern in der Livesendung einen Punkhaarschnitt zu verpassen – so was würde ich heute nicht mehr machen. Die Leute haben’s aber geliebt.
Warum haben Sie keine politischen Witze gemacht?
Hab‘ ich doch. Bei „7 Tage, 7 Köpfe“. Und mach ich jetzt bei „7 Tage, 1 Kopf“ auch.
Wen trifft es diesmal?
Ich nehme mir unsere Ampelregierung vor und beschäftige mich mit unserem neuen Bundeskanzler.
Was finden Sie an Olaf Scholz witzig?
Das Witzige an ihm ist ja, dass man denkt: Wie hat er es eigentlich geschafft, Kanzler zu werden? Scholz hat ja noch nie irgendwas Konkretes von sich gegeben. Plötzlich war er da und wir sagen: Guck mal, da isser. Das finde ich lustig.
Sie haben mal Architektur studiert. Warum?
Mein Vater war Geschäftsführer einer Wohnungsbaugesellschaft. Bei uns waren oft berühmte Architekten zu Hause, wie Richard Neutra. Wenn die im Wohnzimmer ihre Zeichnungen ausbreiteten, fand ich das schon als Junge faszinierend. Nach dem Abitur hab‘ ich zur Vorbereitung erst mal eine Ausbildung zum Betonbauer gemacht …
… und als solcher am Elbtunnel mitgebaut?
Ganz genau. Mein Architekturstudium hab‘ ich nach vier Semestern abgebrochen.
Und sind Komiker geworden. Der Durchbruch kam 1975 mit „Mein Gott, Walther“. Das Lied hatten sie schon als 15-Jähriger geschrieben. Wie kam es dazu?
Ich spielte in der Schülerband in Norderstedt Schlagzeug und bat den Gitarristen, mir ein paar Griffe beizubringen. Mit 15 konnte ich die Griffe a-moll und G, und die habe ich im Urlaub immer geübt. Irgendwann habe ich dazu eine Melodie vor mich hin gesungen. Und weil sich auf „Walther“ viel reimt, musste der arme Kerl herhalten. Zum Glück habe ich das Lied nicht weggeworfen. Dass zehn Jahre später ganz Deutschland darüber lacht, hätte ich damals nicht gedacht.
Sie sind während des Studiums in Hamburger Clubs aufgetreten. Gab es da schon den Plan, Künstler zu werden?
Nein. Ich habe das gemacht, um mir etwas dazuzuverdienen. Pro Auftritt im Dannys Pan gab es 80 Mark, das war viel für mich. Zweimal in der Woche in der Kneipe zu singen war viel lustiger, als in den Semesterferien auf dem Bau zu arbeiten.
Dabei blieb es aber nicht …?
Eines Abends saß Ossi Drechsler bei mir in der Garderobe, der Chef der Plattenfirma Phonogram. Er sagte: Wir müssen unbedingt eine LP von Dir machen. Ich war mächtig stolz. LP – das waren für mich heilige Scheiben der Beatles, der Stones und von anderen meiner Helden wie Bob Dylan. Mir hätte es gereicht, wenn ich davon 100 verkauft hätte. Dass es 800 000 wurden, konnte keiner ahnen. Der nächste Auftritt war in der Laeiszhalle, dann eine 90 Tage ausverkaufte Deutschlandtournee. Ich hab mich dann für ein Jahr vom Studium beurlauben lassen. Und seitdem bin ich im Urlaub.
In den „Supernasen“-Filmen war Thomas Gottschalk Ihr großer Kumpel. Ist das im richtigen Leben auch so?
Ja. Wir sehen uns zwar selten, aber wenn, dann ist es so, als wenn wir uns erst gestern voneinander verabschiedet hätten. Das ist eine mehr als 40 Jahre dauernde Freundschaft, die durch nichts zu erschüttern ist.
Stört es Sie, wenn Sie auf der Straße von Menschen erkannt und angesprochen werden?
Überhaupt nicht, ich hab ja alles dafür getan, dass ich erkannt werde. Es kann mir nichts Schöneres passieren, als wenn alle mich anlächeln, weil sie mein Gesicht mit einer lustigen Erinnerung verbinden.
Aber jeder erwartet dann doch, dass Sie lustig sind. Nervt das?
Die Leute erwarten gar nicht, dass ich sie zum Lachen bringe. Sie können sehr gut unterscheiden, ob ich auf der Bühne stehe oder ihnen auf der Straße entgegenkomme.
Ist der Komiker Mike Krüger mit 70 noch Optimist?
Ja, das wird er auch bleiben.
Trotz Corona?
Ja, gerade dann muss man Optimist bleiben. Im Übrigen lautet mein Appell: Leute, lasst euch impfen, damit wir diesen Schwachsinn endlich mal hinter uns haben. Ich bin dreimal geimpft, meine Frau auch.
Ärgern Sie sich über Impfverweigerer?
Ich bin fassungslos. Wir alle haben doch die Pflicht unseren Mitmenschen gegenüber. Allein schon, um kleine Kinder zu schützen. Und wen das nicht überzeugt, der muss nur die Bilder von Ärzten und Pflegern auf den Intensivstationen angucken. Wenn man sieht, wie Krankenschwestern schweißgebadet in Plastik-Isolieranzügen mit Sauerstoffmaske eingepackt Corona-Kranke betreuen und dann oft Ungeimpfte – spätestens dann sollte jeder sich sagen: Jetzt lass‘ ich mich doch impfen.
Bitte ergänzen Sie ...
Am meisten lachen kann ich über … Alltagskomik.
Wenn ich „Mein Gott, Walther“ im Radio höre, … freue ich mich, weil es so selten gespielt wird.
Wenn ich durch den Elbtunnel fahre, denke ich … hoffentlich hält er.
Keinen Spaß verstehe ich bei … Beleidigungen gegen meine Familie.
Wenn Corona ganz vorbei ist, will ich als Erstes wieder … tief einatmen und alle Freunde ohne Maske umarmen.
„Mit Humor geht alles besser“ ist … ein kluger Satz.
Wenn ich nicht Komiker geworden wäre, dann … wäre ich jetzt wahrscheinlich Architekt.
Diesen Traum will ich mir noch mal erfüllen … einen Youtube-Kanal, den alle toll finden. Weltweit.
Wenn ich für einen Tag eine Frau wäre … wäre ich gespannt, wie sich das anfühlt.
Der beste Ratschlag meiner Eltern war… sage immer die Wahrheit, dann musst Du Dir nicht merken, was Du gesagt hast.
Zur Person
- Herkunft: Mike Krügers Eltern kamen aus Hamburg, geboren ist er aber auf der Durchreise in Ulm. Michael Friedrich Wilhelm Krüger kam zwei Monate zu früh zur Welt, lag sechs Monate im Brutkasten. Schleswig-Holstein spielt im Leben des Komikers eine wichtige Rolle. Das Abitur baute er in Norderstedt, war auf einem Internat in Büsum. Es folgte der Wehrdienst bei der Marine in Flensburg. Bis 2005 lebte er in Quickborn. Urlaub macht der Komiker am liebsten auf Sylt.
- Ausbildung: Mike Krüger lernte nach dem Abi Betonbauer, arbeitete am Bau des Elbtunnels mit. Sein Architekturstudium brach er nach vier Semestern ab.
- Karriere: Entdeckt wurde Krüger im Hamburger Folklore-Club „Danny’s Pan“, erster Hit war 1975 „Mein Gott, Walther“. 1982 begann die Serie von vier Kinofilmen der „Supernasen“-Reihe an der Seite von Thomas Gottschalk. 1986 übernahm der Entertainer die TV-Show „Vier gegen Willi“ zur besten Sendezeit am Sonnabendabend. Von 1996 bis 2005 gehörte Krüger zur Stammbesetzung der RTL-Fernsehshow „7 Tage, 7 Köpfe“.
- Familie: Der Comedian spielt leidenschaftlich gern Golf und ist Countrymusik-Fan. Er hat eine Tochter (42) und eine Enkelin (8). Mit Ehefrau Birgit lebt er in Hamburg-Wellingsbüttel.