Motorsport-Weltverband sucht auf dem Estering nach dem FIA-Rally-Star

Mit 80 km/h driften die Fahrer in den Kurven. Der Regen hat den Asphalt rutschig gemacht. Fotos: Bröhan
Der Motorsport-Weltverband FIA sucht den schnellsten und versiertesten Rally-Fahrer, um ein Star aus ihm zu machen. Der Estering in Buxtehude ist Schauplatz des Castings. Von rasanten Fahrten und begeisterten Talenten.
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Es ist eine geschlossene Veranstaltung, Zuschauer sind an diesen drei Tagen nicht anwesend. Es ist aber ein reges Treiben. Die Tage sind eng durchgetaktet. 89 Fahrer, darunter 14 Frauen, haben sich über nationale Qualifikationswettbewerbe für das dreitägige Finale auf dem Estering qualifiziert.
Die Rally-Star-Teilnehmer sind zwischen 17 und 26 Jahre alt. 22 verschiedene Nationen, von Estland über Skandinavien bis Südeuropa, sind in Buxtehude am Start. Aus Deutschland haben sich sieben junge Männer und drei junge Frauen durchgesetzt. Schon am ersten Tag beginnt das große Aussieben, viele Hoffnungen bei den Rally-Anfängern platzen auf dem Estering nach den 750 Meter langen Qualifikationsläufen am Freitag.
33 Teilnehmer in der zweiten Runde
Von den Deutschen schaffen es nur der 19-jährige Fabian Brügge und die 26 Jahre alte Sabrina Obenlüneschloß in die nächste Runde. Von den 89 Teilnehmern dürfen sich nur 33 am Sonnabend nochmals beweisen, von denen wiederum schaffen es nur zwölf in die dritte und letzte Runde am Sonntag.
Sabrina Obenlüneschloß kommt aus der Nähe von Siegen. Sie steht am Sonnabend im Fahrerlager und hat mit dem Wettkampf eigentlich schon abgeschlossen. „Ich habe den zweiten Lauf total versemmelt“, sagt sie und lächelt. Am zweiten Tag sind die Qualifikanten wesentlich mehr gefordert als am Vortag. Bei drei Läufen, zwei Kilometer, müssen sie ihr Können beziehungsweise ihr Potenzial beweisen. Auf der Strecke sind Schikanen aufgebaut. Die sogenannte Joker-Lap, wo auf engem Raum ein Rundkurs eingelegt werden muss, hat es in sich. Der Untergrund wechselt von Schutt zu Asphalt und zurück, der Asphalt ist durch die Nässe glatt, die Linie zu halten ist für die Anfänger mit den ungewohnten Cross Cars nicht leicht. „Ich habe in der Joker-Lap die Handbremse zu früh gezogen“, sagt Sabrina Obenlüneschloß bezüglich ihres „versemmelten“ Laufs. Sie sei gedriftet, wurde zu langsam, konnte keine gute Zeit mehr rausholen.

Fabian Brügge und Sabrina Obenlüneschloß haben es nicht unter die Besten geschafft. Viel gelernt haben sie auf dem Estering trotzdem.
Die Jury sitzt hoch oben in der Sprecherkabine, auf einem Holzturm mittig auf dem Gelände. Die Rally-Experten achten neben den Zeiten vor allem auf das technisch saubere Fahren. „Ich habe überhaupt keine Erfahrung mit diesen Cross Cars“, sagt Sabrina Obenlüneschloß.
Sie kommt aus dem Slalom-Wettkampf
Die 26-Jährige hat ganz klassisch mit dem Kartfahren angefangen und kommt nun aus dem Slalom-Sport, fährt sonst BMW oder Polo. Als sie im Internet auf das Rally Star-Projekt aufmerksam wurde, hat sie sich für die deutsche Ausschreibung beworben. In Deutschland wurden zwei Slalom- und zwei E-Sport-Veranstaltungen angeboten, über die sich Talente für das Finale auf dem Estering durchsetzen konnten. „Es hat aber mega Spaß gemacht, die Dinger zu fahren“, sagt Sabrina Obenlüneschloß, es sei eine schöne Erfahrung gewesen. Am Ende des Tages wird sie positiv überrascht. Sie gehört trotz eines „versemmelten“ Laufes zu den vier besten Frauen und schafft es ins sonntägliche Finale. Dabei hatte sie schon darüber nachgedacht, wieder nach Hause zu fahren, trotz gebuchten Hotels.
Fabian Brügge kommt aus Ibbenbüren, Nordrhein-Westfalen, er ist nach dem Freitag wieder nach Hause gefahren und am Sonnabend wiedergekommen. Zweieinhalb Stunden dauert die Fahrt. „Eigentlich begleitet mich immer mein Vater und dann nehmen wir uns meistens auch ein Hotelzimmer“, sagt der 19-Jährige. Der Vater ist dieses Mal nicht dabei. Der Vater hat ihn auch zum Motorsport gebracht. Wie Sabrina Obenlüneschloß kommt er eigentlich aus dem Slalom-Wettkampf. Die beiden kennen sich von Wettbewerben wie den Youngster-Cup.
Fabian Brügge wartet am Sonnabend noch lange auf seine Fahrten, er ist in der letzten Gruppe, und am Ende muss er bis Sonntag warten. Der enge Zeitplan kann nicht eingehalten werden, auch weil die Mechaniker viel zu tun haben mit Reparaturen an den zur Verfügung stehenden Cross Cars.
Mit 80 km/h in die Betonwände gerutscht
Die Fahrer rutschen mit 80 km/h in Betonwände, drehen sich auf dem Asphalt und driften im Schotter ab. „Es ist das erste Mal, dass ich auf keiner festen Fahrbahn unterwegs bin“, sagt Fabian Brügge. Auch er hat keine Erfahrung mit Cross Cars. „Ich habe diese Rally-Story zufällig gefunden und mich beworben, man muss ja jede Chance nutzen“, sagt der Motorsportfan.
Die Joker-Lap hat sich der wartende Fabian Brügge ganz genau angeguckt. „Man muss viel mit der Bremse arbeiten“, sagt er. Es sei etwas „komplett anderes“ als mit seinem Polo, aber am ersten Tag habe er sich schnell an das neue Fahren gewöhnt. „Es macht Spaß, das ist schon sehr, sehr geil“, sagt er. Fabian Brügge strahlt am Sonnabend ein gewisses Selbstvertrauen aus, es in die Endrunde zu schaffen.
Am Sonntagmorgen scheitert er dann knapp. „Die Konkurrenz hier ist schon sehr stark, es gibt einige, die Rally-Erfahrung mitbringen“, sagt er. Zwölf Fahrer, darunter vier Frauen, fahren am Sonntag die vorläufigen europäischen Sieger aus. Sabrina Obenlüneschloß ist nicht dabei. Die Jury lässt aber zwei Frauen, eine Schwedin und eine Engländerin, weiterkommen. Ein Fahrer aus Estland gewinnt zudem auf dem Estering. Bis 2026 wird das Rally Star-Feld weltweit kontinuierlich ausgedünnt, bis die FIA ihren neuen Rally Star hat, der es eventuell in die Weltspitze schafft.
Nun folgen die Rallycross-Meisterschaftsläufe
Wenn es nach Jan André Lemme, ACN-Vorsitzender, geht, könnte der Estering als Qualifikationsstrecke gern wieder dienen. Für das jetzige Finale hatte sich der Estering gegen Mitbewerber aus Frankreich und Estland bei der FIA durchgesetzt. „Darauf sind wir schon stolz, dass wir das hier ausrichten durften“, sagt Lemme, zumal alles „erfolgreich“ war. „Alles ist reibungslos gelaufen, wunderbar“, sagt Lemme, der mit dem ACN-Team vor Ort die FIA unterstützte. Mit diesem ersten gelungenen Event in diesem Jahr, das coronabedingt schon verschoben worden war, hofft der ACN, nun auch die kommenden Rallycross-Meisterschaftsläufe problemlos durchführen zu können.





