Paralympics-Sport: Trainer-Mangel bereitet große Sorgen

Karl Quade, Vizepräsident Leistungssport des Deutschen Behindertensportverbands und Chef de Mission, äußert sich bei einer Pressekonferenz beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband zur Nominierung des deutschen Teams für die Paralympics. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Die Politik kürzt, der Sport muss sparen. Geld für Trainer wird immer knapper. Daher muss der Deutsche Behindertensportverband nun reagieren. Es hakt an vielen Stellen.
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Nach dem Doppel-Gold durch die Schwimmstars Elena Semechin und Taliso Engel folgte die große Abrechnung: Trotz mittlerweile erfolgreicher Medaillenjagd bei den Paralympics in Paris ist Bundestrainerin Ute Schinkitz verärgert über die Zustände im Paralympics-Sport. Es mangele an Trainern und Übungsleitern, es mangele an Bezahlung und Ausbildung, sagt sie.
„Wir stellen immer wieder fest, dass die Erfolge von Spielen zu Spielen weniger werden. Ja, es hat sich viel getan, vor allem in der Athletenförderung, aber was ist mit den Trainern?“, schimpfte Schinkitz. „Wir brauchen gut ausgebildete Trainer. Das ist seit Jahren bekannt.“
Getan wird zu wenig, findet Schinkitz. Den Deutschen Behindertensportverband (DBS) nimmt sie aus ihrer Kritik heraus. „Ich bin meinem Arbeitgeber sehr dankbar, dass sie unermüdlich versuchen, die Situation zu verbessern“, sagte sie. „Aber auf der nächsten politischen Ebene werden sie ausgebremst.“
Quade kündigt Briefe an
Auch Karl Quade, Chef de Mission des deutschen Teams bei den Paralympics, macht sich große Sorgen. „Wir mussten vielen Trainern schon Briefe schicken und ihnen mitteilen, dass sie im Jahr 2025 nicht weiterbeschäftigt werden, weil das die aktuellen Zahlen nicht hergeben“, monierte Quade, der in Paris zum 15. Mal die deutsche Mannschaft anführt. Rund zehn Übungsleiter haben so einen Brief erhalten. Der DBS beschäftigt etwa 50 Trainer hauptamtlich.
Im Bundeshaushalt für das Jahr 2025 muss auch der paralympische Sport Kürzungen hinnehmen. Quade rechnet mit 600.000 bis 700.000 Euro, die im kommenden Jahr fehlen werden. „Der Bundeshaushalt beträgt 315 Millionen Euro. Da haben wir im Ansatz 3,6 Millionen für Personal. Das reicht aber nicht. Wir brauchen mindestens 4,2 oder 4,3 Millionen Euro, das ist der Stand für 2024. So viel bräuchten wir mindestens auch für 2025. Sonst wird das bei den Trainern eng“, sagte er der „ARD-Sportschau“.
Fehlende Perspektive für Trainer
Schwimm-Bundestrainerin Schinkitz fragte sich daher: „Warum sollen junge Menschen noch Trainer werden?“ Einzig und allein wegen der Liebe zum Sport, glaubt sie. „Sie wollen aber davon leben können. Sie wollen vielleicht eine Familie gründen, ein Haus bauen oder was auch immer. Aber diese Perspektive haben sie nicht bei Jahresverträgen oder Gehaltsniveau ohne Perspektive“, schimpfte sie.
Für die Schwimm-Trainerin ist daher klar, dass Deutschland in den nächsten Jahren den Anschluss an die Top-Nationen trotz guter Schwimmer wie die Paralympics-Sieger und Weltrekordler Engel und Semechin oder Medaillenjäger Josia Tim Alexander Topf verliert. „Auf dieser Basis sind keine Spitzenleistungen möglich. Deutschland kann nicht mehr den Anspruch haben, Weltspitze zu sein“, sagte Schinkitz.
Kein Trainer-Studiengang seit 1991
Für Leichtathletik-Bundestrainerin Marion Peters gibt es ein weiteres großes Problem. Seit 1991 gibt es keinen Studiengang in Deutschland explizit für die Ausbildung von Trainerinnen und Trainern. „Ich kann nur dafür werben, dass ein Umdenken stattfindet“, erklärte sie. „Sie müssen in wissenschaftlicher Basis ausgebildet werden, in Bio-Chemie, Bio-Mechanik. Sie müssen die physiologischen Prozesse des Körpers verstehen. Erst darauf kann ich sportartspezifisch aufbauen. So etwas gibt das System aber nicht her“, sagte Peters.
Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es dennoch: An der Uni Leipzig soll ein Trainer-Studiengang wieder eingeführt werden. Peters absolvierte 1988 dort ihr Trainer-Studium. (dpa)