Postkasten für Himmelsbriefe steht jetzt in Oldendorf

Sie freuen sich über den Himmelspost-Briefkasten (von links): Jessica Castro, Johann Schlichtmann, Stephanie Müller und Marina Syväri. Foto: Klempow
Wenn ein Mensch stirbt, bleiben andere zurück - mit ihren Gedanken, Gefühlen und Botschaften. Was man seinen Lieben gern noch gesägt hätte, kann jetzt niedergeschrieben und in den Himmelspostkasten in Oldendorf eingeworfen werden.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Am Hauptweg des Friedhofs steht nun ein massiver Briefkasten. Wer will, kann all das Ungesagte aufschreiben, in welcher Form auch immer, und den Brief einwerfen. Der steinerne Kasten soll ein Mal im Jahr geleert werden. Der Inhalt wird verbrannt. Mit dem Feuer und Rauch steigen die Gedanken gen Himmel auf.
Die Idee, dass ein solcher Himmelspost-Briefkasten etwas für Oldendorf wäre, hatte Jessica Castro schon länger. „Dann wurde es aktuell durch die Corona-Zeit. Es war so schade, weil viele gar nicht mehr die Möglichkeit hatten, Abschied zu nehmen“, sagt sie. Die Himmelspost ist die Chance loszuwerden, „was man gerne noch gesagt hätte“, so die Oldendorferin. Bestatterin Marina Syväri stimmt ihr zu. „Eine solche Möglichkeit wäre in der der Corona-Zeit gut gewesen.“ Syväri (Bestattungsart) und ihr Kollege Thomas Stelzer (Queren & Sohn) haben als Sponsoren dafür gesorgt, dass Castros Idee in Stein umgesetzt wurde. Sie zählen auch zu denen, die von diesem Baustein der Trauer erzählen.
Es müssen gar nicht die großen Worte, Friedensangebote oder Bekenntnisse sein, die über die Himmelsbriefe den Abschied erleichtern. „Manchmal ist es vielleicht die beste Freundin, die fehlt“, sagt Jessica Castro. Dann fehlt eine Zuhörerin, für die großen und kleinen Alltagsgeschichten. Auch die können mit der Himmelspost verschickt werden.
Massiver Himmelspostkasten bewahrt Briefe sicher auf
Mit ihrer Idee hatte sich die Oldendorferin zuerst an die Kirche gewandt und Unterstützung gefunden. Weil der Friedhof aber der Gemeinde Oldendorf gehört, war auch die mit im Boot. Castros Vorschlag fand Anklang. Den massiven Briefkasten bestellte Bürgermeister Johann Schlichtmann in den Niederlanden.
„Es ist wichtig, dass es etwas Massives ist“, sagt Oldendorfs Pastorin Stephanie Müller. Darin wissen alle ihre Briefe und Gedanken gut und sicher aufgehoben. Geleert wird der Postkasten ein Mal im Jahr. „Gegen Ende des Jahres, Richtung Ewigkeitssonntag“, sagt Stephanie Müller. Ein kleiner Gottesdienst wird das gemeinsame Verbrennen der Briefe als Zeremonie begleiten.
„Ich glaube, der Bedarf ist da“, sagt Stephanie Müller. Denn auch nach Ende der Pandemie ist es oft dabei geblieben, nur noch im engsten Familienkreis Abschied zu nehmen. Freunde oder Nachbarn sind dann außen vor und mit ihrer Trauer allein. Mit Briefen und Fotos können auch sie sich verabschieden und Worte oder Bilder symbolisch gen Himmel senden. „Nähme ich die Flügel der Morgenröte oder wohnte am äußersten Meer, würde auch dort meine Hand mich führen.“ Dieser Psalm steht auf dem Himmelsbriefkasten. Der bewahrt all das Ungesagte, das Gewisperte und dann Geschriebene – bis es im Herbst gen Himmel steigt.