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Hamburg

Prozess gegen mutmaßliche IS-Rückkehrerin: Angehörige sagen nicht aus

Symbolbild: dpa

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Eine Deutsche von fast 40 Jahren geht mit ihrem Sohn nach Syrien und überlässt ihn laut Bundesanwaltschaft einer Terrormiliz als Kämpfer. Der Junge stirbt durch eine Bombe. Die Angehörigen der Frau aus Bad Oldesloe wollen vor Gericht nicht reden, zeigen aber Gefühle.

Donnerstag, 27.01.2022, 06:00 Uhr

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Im Prozess gegen eine mutmaßliche IS-Rückkehrerin vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg haben der Sohn und die Mutter der Angeklagten am Mittwoch eine Zeugenaussage verweigert. Der 25-Jährige und die 64-Jährige beriefen sich am Mittwoch auf ihr Aussageverweigerungsrecht als nahe Verwandte. Der Vorsitzende Richter Norbert Sakuth kündigte an, dass der Staatsschutzsenat einen Polizeibeamten als Zeugen hören werde, der den Sohn im Ermittlungsverfahren vernommen habe.

Eine Bitte des Sohnes, kurz mit seiner Mutter zu sprechen, lehnte Sakuth ab. Die 44-Jährige weinte. Auch der Sohn wischte sich Tränen ab. Die Mutter der Angeklagten - nach eigenen Angaben eine ehemalige Altenpflegerin - würdigte ihre Tochter kaum eines Blickes.

Sohn bereitwillig als Rekruten zur Verfügung gestellt

Die Bundesanwaltschaft wirft der Deutschen aus Bad Oldesloe Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland und Kriegsverbrechen vor. Sie soll im Sommer 2016 mit einem jüngeren Sohn nach Syrien gereist und sich der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) angeschlossen haben. Der Familienvater war laut Anklage bereits 2015 als Kämpfer zum IS gegangen.

Den damals 14-jährigen Sohn habe die Angeklagte bereitwillig als Rekruten zur Verfügung gestellt, hieß es. Nach einer militärischen Ausbildung sei er an Straßensperren und als Wache eingesetzt worden. Mindestens einmal sei er durch Beschuss in Lebensgefahr geraten. Im Februar 2018 starb der Sohn bei einem Bombenangriff.

Die Mutter habe danach ihren älteren Sohn in Deutschland aufgefordert, sich über den «Märtyrertod» seines Bruders zu freuen, hieß es in der Anklage. Die 44-Jährige wird auch der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht sowie der fahrlässigen Tötung beschuldigt.

Gegen Ehemann wird ebenfalls ermittelt

Ihr Verteidiger Martin Heising hatte zum Prozessauftakt am 13. Januar erklärt, seine Mandantin habe um ihren Sohn getrauert. So wie man in Deutschland sage, der Gestorbene sei nun an einem besseren Ort, tröste man sich in islamischen Gesellschaften mit dem Glauben an einen Märtyrertod. Die Aufforderung der Mutter an ihren älteren Sohn, sich darüber zu freuen, sei ein Ausdruck der Verarbeitung von Trauer gewesen.

Die Angeklagte sitzt seit ihrer Rückkehr nach Deutschland am 24. März vergangenen Jahres in Untersuchungshaft. Über den Verbleib ihres Mannes, den sie nach Angaben des Verteidigers 1993 heiratete, ist nichts bekannt. Offenbar wird jedoch in Deutschland gegen ihn ermittelt. Sakuth bezeichnete ihn am Mittwoch als "gesondert Verfolgten". Am Donnerstag wird im Prozess eine Aussage der Angeklagten erwartet. (dpa)

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