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Bund-Länder-Beratungen

So wollen Bund und Länder die Krankenhäuser reformieren

Karl-Josef Laumann (CDU, li.), Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, und Daniela Behrens (SPD), Sozialministerin Niedersachsen, erklären wie die Reformvorschläge zur Krankenhausfinanzierung umgesetzt werden sollen. Foto: Carsten Koall/dpa

Karl-Josef Laumann (CDU, li.), Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, und Daniela Behrens (SPD), Sozialministerin Niedersachsen, erklären wie die Reformvorschläge zur Krankenhausfinanzierung umgesetzt werden sollen. Foto: Carsten Koall/dpa

Die Kliniklandschaft in Deutschland soll finanziell und strukturell auf neue Füße gestellt werden. Bund und Länder planen die "große Krankenhausreform". Bis sie umgesetzt werden kann, dauert es aber noch.

Donnerstag, 05.01.2023, 15:00 Uhr

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Von Jörg Ratzsch

Die Krankenhauslandschaft in Deutschland soll nach dem Willen von Bund und Ländern grundlegend umgestaltet werden. Beide Seiten wollen in den kommenden Monaten an einer großen Klinikreform arbeiten, wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Ländervertreter am Donnerstag nach gemeinsamen Beratungen mitteilten. Bis zur Sommerpause soll demnach ein erster Gesetzentwurf für die Reform vorgelegt werden. Lauterbach betonte ein gemeinsames Vorgehen, "so dass man nachher eine Reform hat, an der alle mitgearbeitet haben".

So sollen Klinikstrukturen und -finanzierung reformiert werden

Kliniken sollen demnach künftig weniger Geld pauschal nach Anzahl der behandelten Fälle bekommen. Anstelle dessen soll das Vorhalten von Betten, Personal und bestimmten Leistungen stärker honoriert werden. Das soll ökonomischen Druck von den Häusern nehmen. Zudem ist eine stärkere Spezialisierung der Kliniken geplant.

"Wir stehen am Vorabend einer notwendigen Revolution im Krankenhaussektor", sagte Lauterbach. Ohne eine große Reform würden seinen Angaben zufolge viele Krankenhäuser in die Insolvenz gehen. Die Reform braucht dem Minister zufolge eine Zustimmung der Länder. Diese sind für die Krankenhausplanung und auch für Investitionen in den Häusern zuständig. Die Krankenkassen zahlen die Behandlungen, die in den Kliniken gemacht werden, das ist Bundesangelegenheit.

Der derzeitige Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz der Länder, Baden-Württembergs Minister Manne Lucha (Grüne), sprach von einem sehr guten Tag für die Bund-Länder-Beziehungen. Es sei sehr ehrenwert, dass beide bei dem Thema an einem Strang zögen. Bei der Reform gehe es um die Frage, am richtigen Ort das richtige Krankenhaus mit der entsprechenden Qualität zu haben.

Kliniken bleiben vorerst unter Druck

Auf Bund und Länder kommt nun ein komplizierter Abstimmungsprozess zu. Die niedersächsische Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) sprach nach den Beratungen in Berlin von einer "Mammutaufgabe". Ihr Amtskollege aus Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann (CDU), betonte die Länderkompetenz bei der Krankenhausplanung, dies müsse aus guten Gründen so bleiben. "Man kann keine Bundesschablone über die Krankenhäuser legen."

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßte das Reformvorhaben als "unbedingt notwendig", drängte aber auf schnelles Handeln. Kliniken kämpfen mit Personalengpässen und finanziellen Belastungen. Die DKG befürchtet eine Insolvenzwelle. Verbandschef Gerald Gaß sagte der Deutschen Presse-Agentur, die geplante große Strukturreform werde erst mittelfristig wirksam werden. "Wir müssen aber jetzt den kalten Strukturwandel beenden und die Kliniken aus der strukturellen Unterfinanzierung befreien." Er forderte eine "angemessene Refinanzierung" gestiegener Kosten etwa durch die Inflation.

Lauterbach verwies darauf, dass den Kliniken durch die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung zusätzliche Energiekosten zu 100 Prozent ausgeglichen würden. Das mache bis April 2024 sechs Milliarden Euro aus, sagte er.

Eine Krankenpflegerin schiebt ein Krankenbett durch einen Flur. Am Donnerstag beriet die Bund-Länder-Arbeitsgruppe über die Umsetzung der Reformvorschläge zur Krankenhausfinanzierung, die von einer für das Thema eingesetzten Expertenkommission am 6. Dezember vorgestellt wurden. Foto: Marijan Murat/dpa

Eine Krankenpflegerin schiebt ein Krankenbett durch einen Flur. Am Donnerstag beriet die Bund-Länder-Arbeitsgruppe über die Umsetzung der Reformvorschläge zur Krankenhausfinanzierung, die von einer für das Thema eingesetzten Expertenkommission am 6. Dezember vorgestellt wurden. Foto: Marijan Murat/dpa

 

Wie viele Kliniken gibt es überhaupt in Deutschland? 

Die Zahl ist in den vergangenen Jahren stetig gesunken. Waren es 2001 noch rund 2200 Krankenhäuser mit mehr als 550.000 Betten, gab es 2021 noch knapp 1900 mit 484 000 Betten. In den wenigen Kliniken heute arbeiten aber deutlich mehr Ärzte und Pflegekräfte als noch zur Jahrtausendwende. Damals waren es 122.000 hauptamtliche Mediziner und etwa 415.000 Pflegerinnen und Pfleger, jetzt sind es mehr als 200.000 Mediziner und 486.000 Pflegekräfte.

Dann müssten Qualität und Versorgung in den Häusern ja eigentlich sogar besser geworden sein ...

Nicht unbedingt, denn die Zahl der in Kliniken behandelten Fälle ist ebenfalls deutlich gestiegen: Vor zwanzig Jahren waren es gut 17 Millionen Fälle pro Jahr, vor Corona dann mehr als 19 Millionen. Zwar ging die Zahl in den Pandemiejahren 2020 und 2021 wegen verschobener Behandlungen zurück. Langfristig ist wegen der alternden Gesellschaft aber mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Zudem gibt es im momentanen System nach Aussage von Experten auch Fehlanreize, die zu steigenden Behandlungszahlen führen. Diese sollen durch die Krankenhausreform jetzt verringert werden.

Welche Fehlanreize sind das?

Es geht vor allem um die sogenannten Fallpauschalen, diese sollen abgesenkt werden. Kliniken bekommen pro Patient oder Behandlungsfall einen pauschalen Euro-Betrag. Das führt Lauterbach zufolge zu einem "Hamsterrad-Effekt", möglichst viele Behandlungen auf möglichst billige Weise durchzuführen. Darunter kann die Qualität leiden und gleichzeitig kommt durch die viele Arbeit das Personal weiter unter Druck. Sinkende Pauschalen sollen Anreize senken, beispielsweise Knieprothesen einzubauen, wo es vielleicht gar nicht nötig ist.

Wenn die Pauschalen abgesenkt werden, verlieren die Kliniken aber Geld. Wie soll das ausgeglichen werden? 

Es soll im Gegenzug sogenannte Vorhalteleistungen für die Kliniken geben: Feste Beträge für das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik. Die Feuerwehr werde ja auch nicht nur bezahlt, wenn es brennt, ist ein Argument der Experten, die für die Bundesregierung die Klinik-Reformvorschläge erarbeitet haben, auf deren Basis nun die Gesetzgebung beginnen soll.

Was soll sich noch ändern in den Krankenhäusern? 

Die Ressourcen sollen besser verteilt werden: Mehr Spezialisierung und weniger "alle machen alles". Bundesweit ist eine einheitliche Einteilung der Kliniken in drei Stufen geplant mit entsprechender Förderung: Wohnortnahe Kliniken zur Grund- und Notfallversorgung, Häuser mit "Regel- und Schwerpunktversorgung" - also weiteren Leistungen - und "Maximalversorger" wie Unikliniken.

Auch innerhalb der Kliniken wird eine stärkere Spezialisierung angestrebt mit gezielten Aufträgen für bestimmte Leistungen (Leistungsgruppen). Statt einer allgemeinen Fachabteilung Innere Medizin, in der alles gemacht wird, könnte es beispielsweise je nach Klinik eine Spezialisierung auf Nieren-, Herz- oder Magen-Darm-Behandlungen geben.

Viele Kliniken haben finanzielle Probleme. Woher kommt das? 

Während der Corona-Pandemie sind den Kliniken Einnahmen weggebrochen, wegen verschobener Behandlungen, weil Betten für mögliche Corona-Patienten freigehalten werden mussten. Die staatlichen Ausgleichszahlungen dafür konnten das nach Angaben der DKG nicht decken. Jetzt kommt die starke Inflation hinzu und belastet die Klinikfinanzen weiter. Höhere Preise für Material, Transportkosten, Essen oder anderes können Krankenhäuser nicht einfach weitergeben.

DKG und Krankenkassen kritisieren zudem die Bundesländer, die für Investitionen von neuen Geräten über Renovierungen bis hin zum Beispiel zu neuen Wasserhähnen zuständig sind. Die Länder vernachlässigten ihre finanziellen Verpflichtungen, heißt es. Kliniken müssten dann dringend notwendige Dinge aus der eigenen Tasche bezahlen und da mehr Einnahmen vor allem über mehr Behandlungen generiert werden können - Stichwort Fallpauschale - sei man dann wieder beim "Hamsterrad-Effekt".

Wird die geplante Krankenhausreform die Probleme kurzfristig lösen? 

Es kommt darauf an, wie die konkreten Gesetzesänderungen am Ende aussehen. Die auf dem Tisch liegenden Vorschläge sehen zunächst eine über mehrere Jahre angelegte Systemumstellung vor, das würde kurzfristig wenig helfen.

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hatte bereits zusätzliches Geld gefordert: Der Bund solle die Kliniken mit jährlich 15 Milliarden Euro bei den Betriebskosten unterstützen. Eine zukunftsfähige Krankenhausversorgung werde nicht durch reine Umverteilung gelingen. (dpa)

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