„Solawi“ startet ins Gemüse-Jahr

Die Folientunnel in Ahrenswohlde funktionieren wie ein unbeheiztes Gewächshaus. Das ganze Jahr über gibt es hier etwas zu ernten. Fotos: Solawi
Der Verein „Solidarische Landwirtschaft“ aus Ahrenswohlde versorgt seine Mitglieder mit frischem Gemüse vom eigenen Acker. Jetzt werden wieder Ernte-Anteile für die neue Saison verkauft. Das Prinzip der „Solawis“ scheint sich in Deutschland zu verbreiten.
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Am Ende des Tages merkt Ursula Bredehöft, was sie geleistet hat. „In den Kisten sind schon einige Kilo Gemüse drin“, sagt sie. Steckrüben, Karotten, frischer Salat – was im Winter halt auf dem Acker in Ahrenswohlde bei Ahlerstedt wächst. Freitags belädt Bredehöft einen Transporter mit dem frisch geernteten Gemüse und verteilt es auf die Depots im Landkreis Stade. Ahrenswohlde, Harsefeld, Stade, Jork, Buxtehude, Apensen – gut 80 Kilometer für eine Tour. Bredehöft ist drei Stunden unterwegs.
Dahinter steht der Verein „Solidarische Landwirtschaft – Nimm Anteil“, der in dieser Saison rund 120 Haushalte im Kreis mit Gemüse von seinem gepachteten Acker versorgt. Das Prinzip: Mitglieder erwerben einen sogenannten „Ernte-Anteil“ – und können dafür aus einem der Depots ihren Anteil an Gemüse abholen. In einem guten Erntejahr gibt es also mehr für das investierte Geld; wächst das Gemüse schlecht, geht die Bilanz rechnerisch ins Minus. Das Besondere: Jedes Mitglied engagiert sich mindestens zehn Stunden pro Jahr für den Verein – so steht es in der Satzung. Zum Beispiel helfen sie beim Pflanzen, Jäten oder Ernten, bei Bauprojekten oder der Organisation.
Mitglieder kommen vorwiegend aus dem Kreis Stade
Auch jetzt sucht der Verein wieder Mitglieder für das neue Gartenjahr, das im März beginnt und im Februar 2023 endet. Ein ganzer Ernte-Anteil ist für 1.150 Euro zu haben, das sind 25 Euro pro Woche. Anfang März können sich die Mitglieder erstmals Gemüse in den Depots holen. „Wir tun etwas vor Ort für die Umwelt“, sagt Ursula Bredehöft. Die 65-jährige Harsefelderin ist seit dem vergangenen Jahr dabei, gehört inzwischen zum Vorstand. Sie lernte das Solawi-Prinzip durch ihre Tochter kennen. Nachdem sie in Rente gegangen war, engagierte Bredehöft sich im Verein. „Ich finde die Idee sehr gut. Jeder kann mitmachen, egal ob man Fleischesser ist oder nicht“, sagt sie.
Die Mitglieder kommen vorwiegend aus dem Kreis Stade. Sie wohnen in Harsefeld, Jork, Buxtehude oder Stade. Es sind Lehrerinnen, Erzieher, Handwerker, Seniorinnen, Familien mit kleinen Kindern, Singles, Fleischesserinnen und Veganer. Manche sind aus Überzeugung dabei, legen Wert auf Gemüse aus der Region, andere haben keinen eigenen Garten, erst recht keinen, in dem Rotkohl, Karotten und Tomaten wachsen. Dafür kommen sie nach Ahrenswohlde und lassen sich anleiten. Vier Gärtner zeigen, wie es geht. Auf dem ein Hektar großen Acker werden über das Jahr hinweg rund 60 verschiedene Gemüsesorten angebaut.
Solidarische Landwirtschaft wird überall in Deutschland betrieben. Das bilden vor allem auch die Lokalzeitungen ab: Die Solawi Ostrachtal setzt bei der Arbeit auf dem Acker neuerdings zwei Pferde ein (Schwäbische Zeitung), in Langenschwarz plant Familie Seegel ein Solawi-Konzept auf dem eigenen Hof (Fuldaer Zeitung) und auf einem Feld in Coesfeld baut die Solawi Crowdslat schon bald das erste Feingemüse an (Billerbecker Anzeiger). Es sind nur ein kleiner Ausschnitt. Das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft listet auf seiner Internetseite mehr als 400 bestehende und geplante Solawi-Standorte in Deutschland auf.
Es könnte auf einen Trend hindeuten. Während der Corona-Pandemie hat es immerhin viele Menschen in die Natur gezogen, die Nachfrage nach Kleingärten stieg rasant. Der Verein aus Ahrenswohlde berichtet dagegen, dass es im vergangenen Jahr eher schleppend lief. „Wir tun uns schwer, neue Mitglieder zu gewinnen“, sagt Bredehöft. Sie hat Corona im Verdacht: „Vielleicht haben sich die Leute deshalb nicht auf den Acker getraut.“
Das Ziel für das neue Gartenjahr sind mindestens 120 Mitglieder. Weniger bedeuten geringere Einnahmen. „Dann müssten wir kleinere Brötchen backen“, sagt Bredehöft. Der Verein muss unter anderem die angestellten Gärtner, Fahrzeuge, Pflanzen und Saatgut finanzieren. Außerdem brauchen sie in Ahrenswohlde neue Ackergeräte, und auch die Folientunnel müssen erneuert werden. Ursula Bredehöft aber ist zuversichtlich, dass auch in der neuen Saison wieder viele Menschen auf dem Acker mit anpacken werden.
Mehr Informationen gibt es im Internet unter: www.nimm-anteil.de
Link zur Solawi-Liste:
https://www.solidarische-landwirtschaft.org/solawis-finden/auflistung/solawis
Links zu den Artikeln:
https://www.azonline.de/lokales/coesfeld/das-feld-ist-bestellt-2529037
