Sozialindex an Niedersachsens Schulen: Was hinter den Plänen steckt

Schüler sitzen in einem Klassenraum (Symbolbild). Foto: Marijan Murat/dpa/Symbolbild
In einigen Monaten soll ein Sozialindex an Niedersachsens Schulen greifen. In anderen Bundesländern gibt es das bereits. Wie sehen die Pläne des Landes aus und was sind die Hintergründe? Antworten auf wichtige Fragen dazu.
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Worum geht es?
Wenn an Schulen Kinder und Jugendliche mehr Förderbedarf haben als an anderen Schulen, soll dort verstärkt Lehrer oder weiteres Personal eingesetzt werden. Um herauszufinden, wo dieser Bedarf besonders groß ist, soll ein Sozialindex eingeführt werden.
Dieser könnte beispielsweise aus verschiedenen Indikatoren bestehen. Man will also eine bessere Einschätzung gewinnen, an welchen Schulen mehr Unterstützung notwendig ist.
Zu wann soll das umgesetzt werden?
Dieser Index soll zum neuen Schuljahr in Niedersachsen greifen. Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) zeigte sich zuversichtlich, dass der Zeitpunkt gehalten werden kann.
Warum macht Niedersachsen einen solchen Schritt?
Die familiäre Herkunft eines Kindes hat nach wie vor einen großen Einfluss auf Bildungschancen. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Stefan Störmer, sagte, Studien würden zeigen, dass der Bildungserfolg stark vom sozio-ökonomischen Hintergrund des Elternhauses abhänge.
Mit dem Index soll Kultusministerin Hamburg zufolge die Chancengleichheit erhöht werden.
Fehlen Lehrer dann woanders?
Das soll verhindert werden. Ministerin Hamburg sagte: „Wir haben etwa mit dem Startchancenprogramm und darüber hinaus einen Aufwuchs an nichtlehrendem Personal – auch weil wir in diesem Zusammenhang und generell die Schulsozialarbeit schrittweise aufbauen.“
Gibt es einen solchen Index bereits in anderen Bundesländern?
Ja, beispielsweise in Hamburg und Nordrhein-Westfalen. „Der Schulsozialindex ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit und ausdrücklich kein Instrument, um die an Schulen geleistete pädagogische Arbeit zu bewerten“, heißt es auf der Internetseite des NRW-Bildungsministeriums.
Der Schulsozialindex identifiziere lediglich bestehende soziale Herausforderungen.
Wie wird ein solcher Index gebildet?
In NRW fließen dafür vier Indikatoren ein: Kinder- und Jugendarmut, Anteil der Schülerinnen und Schüler mit vorwiegend nicht deutscher Familiensprache, Zuzug aus dem Ausland sowie Anteil von Schülern mit Förderschwerpunkten.
Niedersachsens Kultusministerin sagte, man werde in eine ähnliche Richtung gehen. Es sei wichtig, dass für den Index nicht zusätzliche Daten erhoben werden müssten. „Wir verwenden Daten, die uns vorliegen, etwa aus der Ermittlung des Sprachförderbedarfs. Der sonderpädagogische Förderbedarf wird auch ein Faktor sein. Wir bedienen uns insgesamt an Faktoren, die laut Studien bildungsbenachteiligende Faktoren sind“, sagte die Ministerin der dpa.
Wie viele Schulen können davon profitieren?
Eine Zahl zu nennen, sei noch schwierig, sagte Hamburg. „Wir werden eine Liste erstellen mit einem Ranking. Wenn wir dann zusätzliche personelle Ressourcen haben, werden wir es runtersteuern.“
Was hat es mit dem Startchancenprogramm auf sich?
Das Programm wird von Bund und Ländern gemeinsam aufgelegt und finanziert, um bundesweit rund 4000 allgemeinbildende und berufliche Schulen zu fördern, die einen hohen Anteil sozioökonomisch benachteiligter Schüler haben.
In Niedersachsen rechnet man mit rund 390 Schulen. Das neue milliardenteure Programm soll den starken Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg aufbrechen. Es soll dazu beitragen, dass das Bildungssystem in Deutschland besser und leistungsfähiger wird.
Nach den Worten des Bildungsforschers Dirk Zorn von der Bertelsmann Stiftung müssen die Länder bei dem Programm einen Sozialindex für die Schulen einführen, um die Schulen mit dem größten Unterstützungsbedarf auswählen zu können. Daher hängen beide Themen eng zusammen.
Gewerkschafter Störmer sagte: „Es wäre wichtig, alle Schulen in die Verteilung miteinzubeziehen. Dies ist im Moment noch nicht umgesetzt.“
Was sagt die Opposition zu den Plänen?
Die beiden Oppositionsfraktionen im Landtag begrüßen einen solchen Index generell. Die AfD unterstütze die Einführung, sagte der bildungspolitische Sprecher Harm Rykena auf Anfrage. „Die Verteilung knapper Ressourcen nach dem Gießkannenprinzip funktioniert nicht. Die Fokussierung auf Brennpunktschulen mithilfe eines Sozialindex ist daher sinnvoll.“
Die CDU-Bildungspolitikerin Sophie Ramdor sagte, die Pläne gingen in die richtige Richtung, könnten aber dem Bedarf an den Schulen nicht gerecht werden. „Frau Hamburg kommt mit dem Sozialindex auf dem letzten Drücker um die Ecke, um ab diesem Sommer noch am Startchancen-Programm des Bundes teilnehmen zu können. Andere Länder sind hier schon viel weiter.“ (dpa)