St. Paulis Mitglieder tagen: Krise und Krach um Irvine
St.Paulis Fans vor Spielbeginn mit ihren Fahnen. Foto: Carmen Jaspersen/dpa
Sieben Pleiten in der Bundesliga, die Debatte um einen Leistungsträger und glänzende Zahlen. Das erwartet die Mitglieder bei der alljährlichen Versammlung des FC St. Pauli.
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Hamburg. Es gibt geräuschlose Mitgliederversammlungen von Fußball-Clubs und jene Zusammenkünfte samt Konfliktpotenzial. Das nahende Treffen beim Bundesligisten FC St. Pauli gehört wohl eher zu letzterer Kategorie. Der Verein aus dem Hamburger Kiez sorgte in den vergangenen Wochen mit sportlicher Schieflage und Krach abseits des Platzes für negative Schlagzeilen. Das erwartet die Mitglieder am Samstag ab 11.00 Uhr im Audimax der Universität Hamburg:
Debatte um Jackson Irvine
Sowohl sportlich als auch abseits des Rasens geriet Jackson Irvine - nicht ganz freiwillig - in den Fokus. Nach seiner langwierigen Fußverletzung samt Operation und Rückschlägen fiel der Australier lange aus, in der Hinrunde setzte Trainer Alexander Blessin daher auf andere Spieler.
Irvine galt bei vielen Fans der links eingestellten Braun-Weißen aufgrund seiner unkonventionellen Art und Lebensweise (wohnt mitten im Kiez) und seiner politischen Haltung als Publikumsliebling. Doch vor allem seine politischen Meinungen polarisierten zuletzt unter den Fans und kratzten an seinem Status.
In der Debatte um das israelische Vorgehen im Gaza-Streifen fiel er mit einem umstrittenen T-Shirt auf. Die Frau des 32-Jährigen hielt das Tragen in den sozialen Medien fotografisch fest. Daraufhin kritisierte ein Aufsichtsratsmitglied den Spieler massiv auf der Plattform unter dem Instagram-Post. Später wurden diese Äußerungen wieder gelöscht.
Wenige Tage vor der Versammlung wollte der Club der Debatte etwas Wind aus den Segeln nehmen. St. Pauli sanktionierte das Aufsichtsratsmitglied wegen vereinsschädigendem Verhalten. Der Ehrenrat verhängte unter anderem eine Geldstrafe.
Sportliche Situation
Auf Irvine liegen nun allerdings auch wieder die Hoffnungen, die sportliche Talfahrt aufzuhalten. Vom wochenlangen Bankdrücker verspricht sich der Club wieder mehr Spielzeit und vor allem seine Führungsqualitäten inmitten der schlimmen Negativserie von sieben Bundesliga-Pleiten nacheinander. Teilweise war der Erstliga-Anspruch des Clubs kaum zu erkennen - vor allem beim desolaten Heimauftritt gegen Borussia Mönchengladbach (0:4) vor zwei Wochen. Die Hanseaten stehen aktuell auf dem Abstiegsrelegationsrang.
Finanzielle Lage
Besser sehen dagegen die finanziellen Zahlen aus. Zwar wird der Club das Ergebnis erst bei der Versammlung offiziell verkünden, doch der Blog „Millernton“ verwies bereits auf einen Umsatz von 102 Millionen Euro. Und einem satten Gewinn von zwei Millionen Euro - etwa zehnmal so hoch wie in der vergangenen Saison. Auch andere Hamburger Medien bezogen sich auf die Zahlen mit Verweis auf den Blog.
Auch die erfolgreiche Realisierung der Genossenschaft dürfte Thema sein. Der Zusammenschluss von Fans hat zuletzt offiziell die Mehrheit am Millerntor-Stadion übernommen. Mehr als 22.000 Mitglieder der Genossenschaft hatten Anteile im Wert von etwa 29 Millionen Euro gezeichnet.
Neues Präsidium und Kritik an Absetzung der Vereinshymne
Präsident Oke Göttlich stellt sich am Samstag ohne Gegenkandidat zur Wiederwahl, es wäre die vierte und laut Satzung letzte mögliche Amtszeit. Aus dem Präsidium scheidet Esin Rager aus. Die Vize-Präsidentin mit Augenmerk auf den Bereich Nachhaltigkeit wird nicht erneut kandidieren.
Zudem gibt es einen Antrag, der die Abschaffung des umstrittenen Lieds „Das Herz von St. Pauli“ kritisiert. Die Hymne wird mittlerweile vor Spielen nicht mehr gespielt wegen der Verstrickungen des Texters Josef Ollig in der Zeit des Nationalsozialismus. Außerdem fordert ein Antrag, dass das Millerntor zukünftig auf allen Tribünen rauchfrei wird. Bisher gilt das nur in Familienbereichen.