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Supermarkt-Planung in Himmelpforten auf der Kippe

Die Planungen für das Einkaufszentrum in Himmelpforten stocken weiter. Das Naturschutzamt des Landkreises Stade sieht „zumutbare Alternativen“, das Zentrum so zu bauen, dass geschützte Tierarten im Steinmetzpark weniger beeinträchtigt werden. Soll heißen: Kleiner, anders, enger.

Von Jutta Eidtmann Mittwoch, 30.08.2017, 12:00 Uhr

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Aber das wollen Gemeinde und die Bünting AG als Investor nicht.

Bürgermeister Bernd Reimers zeigt sich verzweifelt. „Wir wollen das Zentrum. Wir müssen eine Einigung finden“, sagt der Ratsvorsitzende und Gemeindedirektor. Zurzeit sei es alles andere als angenehm, Bürgermeister von Himmelpforten zu sein, so Reimers. Ständig wird er angesprochen, Menschen fragen, wann es nun endlich losgehe. Er glaubt: „90 Prozent der Bürger wollen diesen Markt an dieser Stelle.“ Auch der Gemeinderat stehe weiterhin dahinter.

Reimers kritisiert den Landkreis Stade, der über eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu befinden hat und Anfang des Monats erklärte, dass sie nach derzeitigem Stand nicht in Aussicht gestellt werden könne. „Zwei Seiten Papier nach drei Monaten – das ist einfach frech“, ärgert sich Reimers über das Schreiben und fühlt sich in seinen Plänen, in Himmelpforten einen modernen Einkaufsstandort zu schaffen, „nicht gut unterstützt“.

Doch die beiden Seiten des Briefs haben es in sich: Der Landkreis regt zwei Standorte an, wie sie seinerzeit auch das Einzelhandelsgutachten der Gemeinde als 1b-Lösung genannt hatte: Ein großer Markt auf dem jetzigen Gelände von (Ex)Rewe und Aldi. Und ein zweiter Markt auf dem Grundstück an der B 73 gegenüber: Dort gibt es die Kutscher-Brache und ein Kirchengrundstück, dessen Zukunft lange Zeit offen war.

Der Landkreis schlägt die Kutscherbrache als zweiten Bau-Standort vor.

Der Standort dürfe zumutbar sein, da keine weite Zerstreuung des Verbundes ausgelöst werde, formuliert das Naturschutzamt seine Haltung zum Bebauungsplan Nr. 34 der Gemeinde. Vorstellbar seien auch ein „Verzicht auf die geplanten Fachmarktflächen“ oder die Verlagerung von Parkflächen in eine Tiefgarage oder ein Parkdeck.

Die Bünting-AG hat darauf bereits reagiert und deutlich gemacht, dass die Vorschläge zu Alternativen beim Standort oder in der Bauausführung nicht in Betracht kommen. Die Handelskette mit den Märkten Famila, Combi und Markant hatte immer wieder erklärt, dass es das groß dimensionierte Zentrum mit eigenem Combi-Markt, Aldi-Neubau, Drogerie und Fachmarkt zwischen B 73, Bahnhofstraße und Mühlenstraße nur so und nicht anders realisieren könne. Damit es sich wirtschaftlich rechne, brauche man die gesamten Fläche der jetzigen Immobilien und des ehemaligen Steinmetzgrundstücks (genannt Steinmetzpark). Bünting muss viel Geld in die Hand nehmen, das Gelände zwischen Bahnhof- und Mühlenstraße ist abschüssig und schwierig zu bebauen.

Im Steinmetzpark in Himmelpforten leben geschützte Tierarten.  Fotos Eidtmann

Kein Kunde werde von einem Combi-Markt an der Bahnhofstraße zu Fuß über die B 73 zu einem Aldi-Markt laufen, erklären Investor und Gemeinde. Dafür sei die Bundesstraße viel zu befahren und zu gefährlich. Der gewünschte Verbundcharakter des neuen Zentrums sei in dieser Variante nicht mehr gegeben. Auch stehe das Kirchengrundstück gar nicht zur Verfügung: „Die Kirche will auf ihrem Grundstück selbst neu bauen“, so Bernd Reimers und die Projektentwickler. Und nur die Kutscherbrache sei zu klein.

Der Verzicht auf Fachmarktflächen reduziere die Rendite in einer Höhe, die nicht zumutbar sei. „Es wird dazu führen, dass wir das Projekt nicht realisieren“, erklärt Bünting dem Landkreis. Auch die Verlagerung von Parkflächen sei nicht zumutbar. Alle Ankermieter würden eine Tiefgarage oder Parkdeck ablehnen.

Auf die Frage, ob er noch irgendwo Kompromisslinien sehe, muss Reimers passen. „Ich habe Angst, dass der Investor abspringt“, sagt er. Er hofft, dass Landrat Michael Roesberg noch irgendwie vermitteln kann.

Die Erteilung einer artenschutzrechtlichen Ausnahme sei an enge Vorgaben gebunden, erklärt Landkreis-Pressesprecher Christian Schmidt auf Nachfrage. So müsse ein überwiegendes öffentliches Interesse einschließlich wirtschaftlicher und sozialer Art vorliegen. Eine Alternativlosigkeit des Standorts müsse „rechtssicher, schlüssig nachvollziehbar und objektiv mit Zahlen und Fakten belegt werden“.

Im Steinmetzpark wurden Waldohreule, Dohle sowie Fledermausarten (Großer Abendsegler, Rauhautfledermaus, Mückenfledermaus) festgestellt. Und nach dem Bundesnaturschutzgesetz sei es verboten, besonders geschützte Arten zu verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu nehmen.

„Artenschutz in allen Ehren, aber es wäre schade, wenn unser Projekt daran scheitert“, erklärt Expansionsleiter Matthias Adler von der J. Bünting-Beteiligungs-AG. Schließlich gebe es eine breite politische Mehrheit, eine starke Nachfrage der Bürger und es hingen auch Gewerbesteuern, Arbeitsplätze und weitere Investitionen an dem Vorhaben. Er erklärt, man sei weiterhin in einem „regen Austausch mit dem Landkreis“ und warte jetzt auf dessen abschließende Aussage.

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