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Landwirtschaft im Strukturwandel

Vater und Sohn sind auf dem Milchhof beide Chef

Milchhof mit zwei Chefs (von links): Carsten, Gundi und Klaus Wist.

Milchhof mit zwei Chefs (von links): Carsten, Gundi und Klaus Wist.

Klaus und Carsten Wist haben die erste Phase der Zusammenarbeit längst hinter sich. Seit zehn Jahren bewirtschaftet Senior Klaus (63) gemeinsam mit Sohn Carsten (39) den Traditionshof in Wischhafen-Hollerdeich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).

Von Peter von Allwörden Dienstag, 19.03.2019, 07:30 Uhr

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Auch davor haben sie schon ein paar Jahre kooperiert. Nach der Lehre und der Fachschule in Celle hatte Carsten 2006 die Meisterprüfung abgelegt. Seitdem ist er auf dem elterlichen Hof voll eingebunden. 2009 schließlich wurde die GbR gegründet. „Das ist eine gute Sache für die spätere Übergabe“, sagt Klaus Wist.

Seit dieser Zeit gibt es zwei Chefs auf dem Hof, und die ergänzen sich sehr gut, wie Vater und Sohn betonen. „Das geht auch nur so“, sagt der Senior. „In allen wesentlichen Fragen sind wir uns immer einig“, ergänzt der Jungbauer. Klaus Wist ist Teamarbeit gewohnt. Er selbst hat gemeinsam mit seinem Vater den Hof bewirtschaftet, als er als junger Meister 1976 auf den Hof kam. Zudem hat er mit seinem Bruder kooperiert, der später ausgesiedelt ist. Dass der Senior ein Teamplayer ist, zeigt sich auch bei der Mitarbeiterführung. Eine Sieben-Tage-Woche gebe es schon lange nicht mehr. Weil sie mehrere Mitarbeiter haben, gibt es eine Art Schichtdienst mit geregelten Arbeitszeiten.

Klaus Wist hat den Hof, der bereits seit 330 Jahren im Familienbesitz ist, systematisch nach vorne gebracht und ihn von einem Mischbetrieb zum spezialisierten Milchhof entwickelt. Die grundlegenden Entscheidungen der vergangen 15 Jahre hat er alle gemeinsam mit seinem Sohn gefällt. So wurde die Bullenmast aufgegeben und 2007 auch der Obsthof. Immer, wenn sich die Gelegenheit bot, hat die Familie auch Land dazu gekauft und gepachtet.

Heute melken Carsten und Klaus Wist 350 Kühe. Zur Herde gehören mit dem Nachwuchs, den Jungtieren und den tragenden Mutterkühen rund 650 Rinder. Sie bewirtschaften gute 300 Hek-tar; die Hälfte davon ist Eigenland. Auf 100 Hektar bauen sie Getreide, vor allem Weizen und Raps, an, auf 80 Hektar Futtermais für die Kühe. Das reicht zwar nicht, aber wegen der Fruchtfolge wird eben auch Getreide angebaut. Hinzu kommen gut 80 Hektar Grünland und 45 Hektar extensiv bewirtschaftete Weiden im Außendeich, wo die Jungtiere vom Frühjahr bis zum Herbst weiden.

Parallel zum gezielten Wachstum der Kuhherde wurde auch immer wieder in neue Ställe und Technik investiert. So wird etwa in einem Melkkarussell gemolken. Auch haben die beiden Landwirte einen kompletten eigenen Maschinenpark. Gemeinsam mit Tochter beziehungsweise Schwester Carmen, die als gelernte Landwirtin mit ihrem Mann einen Hof in der Nähe von Rade bewirtschaftet, halten die Hollerdeicher sogar einen Maishäcksler vor.

Das neueste Investment ist eine Biogasanlage, die ausschließlich auf Güllebasis funktioniert, also ohne Mais betrieben wird. Der Hof war der dritte Betrieb im Landkreis, der 2016 eine solche Technik umsetzte. „Das ist ideal“, schwärmt der Junior, „wir erhalten die bodenwichtigen Nährstoffe in der Restgülle, die keine Geruchsimmissionen mehr hat.“ Die Stoffe, die während des Vergasungsprozesses herausgeholt werden, produzieren Ökostrom – und das rund um die Uhr ohne Wettereinflüsse. Die Anlage hat eine Kapazität von 75 Kilowatt und kann rund 200 Haushalte mit Strom versorgen.

Der entscheidende Wirtschaftszweig des Hofes ist aber die Milchproduktion. Hier wird das Geld verdient, das der Hof erwirtschaften muss, um zwei Familien, fünf feste Mitarbeiter und zwei Auszubildende zu ernähren. Hier teilen sich Vater und Sohn die Verantwortung: Klaus ist eher für das Futter und das Melken zuständig, während Carsten sich mehr um die Fruchtbarkeit der Tiere und das Herdenmanagement kümmert. Außerdem ist der technikaffine Junior derjenige auf dem Hof, der sich um die Digitalisierung kümmert.

Nicht zu vergessen die beiden Frauen auf dem Hof. „Ohne unsere Frauen liefe es nicht rund“, sagen Vater und Sohn. Seniorchefin Gundi Wist teilt sich mit ihrer Schwiegertochter Sabine, die noch als Teilzeitkraft bei der Kreissparkasse arbeitet, einerseits die Büroarbeit auf dem Hof. Aber die beiden sitzen bei Bedarf auch auf dem Traktor, kümmern sich um die Tiere und springen immer ein, wenn Not am Mann oder besser Not an der Frau ist – ein richtiger Familienbetrieb eben.

 

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