Vincents Bigband erklärt 400 Kindern die Jazzmusik

Bigbandleiter Frank Münter (vorne rechts) beweist Entertainer-Qualitäten: Mit der über 30-köpfigen Vincents Bigband animiert er über 400 Grundschüler im Stadeum zum Mitsingen und Schnipsen und erklärt dabei die Struktur eines Jazzliedes. Das Konzert fand zum dritten Mal statt – die Kreisjugendmusikschule ließ nach dem Auftritt Instrumente ausprobieren. Fotos: Husung
„Was ist eigentlich Jazzmusik“ – diese Frage stand im Mittelpunkt des Konzertes der Vincents Bigband am vergangenen Donnerstag im Stadeum. Die Schulband schaffte es, mehr als 400 Kinder zum Lachen, Klatschen, Trampeln, Schnipsen und Singen zu bringen.
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„Wir wollen euch heute alle ein bisschen zu Jazzmusikern machen“, sagt Frank Münter zu Beginn des Konzertes. Es ist 10 Uhr am Donnerstagmorgen und die Reihen des Saals im Stadeum sind prall gefüllt: Mehr als 400 Kinder und eine Handvoll Lehrkräfte lauschen gespannt den Worten des Leiters der Schulband. Der schafft es mit wenigen Worten, eine enge Verbindung zu seinem jungen Publikum aufzubauen. Auf die Frage, wer denn schon alles Englisch sprechen könne, reißen alle Kinder den Arm hoch – problemlos beginnen sie dem Musiklehrer und seinen drei Sängerinnen die Zeilen „Sing, sing, sing, sing, everybody starts to sing“ nachzusingen. Ein Ohrwurm, der sich noch stundenlang im Kopf halten wird.
Das Gesprächskonzert – wie es die Veranstalter etwas nüchtern nennen – ist eine Kooperation zwischen dem Vincent-Lübeck-Gynmasium und dem Stadeum. Mit der Kreisjugendmusikschule (KJM) ist noch eine dritte Institution an Bord, die ein Mitmachangebot an den Instrumenten im Foyer auf die Beine stellt. Das diesjährige Konzert ist bereits die dritte Veranstaltung dieser Art, das Folge-Event im Jahr 2019 ist bereits fest geplant, verrät Ruth Meyer, die für die Kinder- und Jugendarbeit im Stadeum zuständig ist. Ihr Chef Egon Ahrens nennt das gemeinsame Projekt „eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit.“ Das Konzert decke sich mit dem Anspruch des Veranstaltungshauses, sich für die Musikvermittlung zu engagieren.
Die Bläser der Bigband an Saxofon und Flöte warten auf ihren Einsatz.
Um seinem jungen Publikum möglichst tiefe, aber kindgerechte Einblicke in das Wesen der Jazzmusik zu geben, verzichtet Frank Münter auf theoretische Ausführungen und seziert das Lied „Sing, Sing, Sing“ – bekannt als Coverversion von Beny Goodman – gemeinsam mit den Grundschülern Stück für Stück. Immer wieder stimmen die über 30 Bigband-Musiker den Jazz-Standard erneut an und der Musiklehrer erklärt den Beat, „den Puls der Musik“, lässt die Kinder auf den zweiten Takt mitschnipsen und den jazztypischen „Walking Bass“ miterleben, indem die Kleinen aufstehen und die Basslinie mitstampfen. Bevor sie die einzelnen Teile noch einmal gemeinsam als vollständiges Lied vortragen, stellt Frank Münter noch einzelne Instrumente aus der Big Band vor. Die Jugendlichen, die freiwillig an der Musik-AG teilnehmen und jeden Freitagnachmittag proben, erklären selbst, warum sie gerne ihre Instrumente wie Trompete oder Schlagzeug spielen. Lena Muuß ist eine der drei Sängerinnen (die erste Sängerin von rechts im Bild oben) und steht bereits das dritte Jahr auf der Bühne vor den Grundschülern. „Es macht total viel Spaß. Man weiß vorher nicht, wie die Kleinen reagieren“, sagt die 15-Jährige vor dem Konzert. Beim Auftritt zeigt sich: Sie reagieren diesmal begeistert.
Nach dem Mitmachteil gibt die Bigband mit einigen Stücken noch ein kleines Konzert und spielt Standards wie das südamerikanisch angehauchte „St. Thomas“ oder „Bayside Groovin‘“. Auffällig: Die Musiker der Rhythmusgruppe an Schlagzeug, E-Bass, Piano und Percussion wechseln bei jedem Lied die Rolle. Hier herrscht das Rotationsprinzip.
Die Saxofonistin Natascha Protze erklärt einem Mädchen, wie es die Lippen richtig auf das Mundstück des Instruments setzt.
Im Foyer vor dem Konzertsaal warten Günter Köttgen und drei weitere Musiklehrer auf die Grundschüler. Sie haben Instrumente wie die Trompete, das Saxofon, Gitarren oder E-Bass mitgebracht. Einige halten sie in der Hand, andere stehen zur freien Verfügung. Köttgen ist für den Bereich Bigband an der KJM zuständig und hat „extra Instrumente mitgebracht, die die Kinder gerade auf der Bühne gesehen haben.“ Er betont die gute Zusammenarbeit mit den Schulen in Stade. „Viele Jugendliche spielen in beiden Bigbands“ sagt der Musiker. Und er schätze Frank Münter – besonders als Talentsichter.
Als die Türen zum Saal aufgehen, stürmen die Kinder direkt auf die Instrumente zu. Innerhalb weniger Sekunden füllen sie den Raum mit einem freudigen Missklang, das Konzept ist aufgegangen, von Berührungsängsten ist hier keine Spur. Dazwischen erklären die vier Musiker den Grundschülern trotz des Tumults mit bemerkenswerter Gelassenheit, wie ihre Instrumente bedient werden.
Für die Vincents Bigband war der Auftritt übrigens ein Tauschgeschäft: Als Gegenleistung für das Gesprächskonzert stellt das Stadeum der Musikgruppe den Saal am Sonnabend, 14. April, für ein eigenes Konzert.