Von den Nachbarn getragen

Der kleine Friedhof von Frankenmoor ist im Privatbesitz der Familie Richters (von links): Karin, Bernd und Andreas Richters. Foto: Klempow
Dieser Friedhof ist etwas Besonderes. Er liegt auf dem Hof der Familie Richters, und seit Andreas Richters den landwirtschaftlichen Betrieb in Frankenmoor übernommen hat, ist er auch Eigentümer eines Friedhofs. Ganz selbstverständlich.
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Die Frankenmoorer und ihr Friedhof, das ist etwas Besonderes. Wie aus der Zeit gefallen. Wer hier lebt, darf hier liegen. Und zwar ohne eine teure Grabstätte kaufen zu müssen. Dass das so funktioniert, regelt die Gemeinschaft, die sich um den Friedhof kümmert.
„Jeder beteiligt sich so gut wie er kann, das hat bislang geklappt“, sagt Andreas Richters. Der junge Landwirt ist offizieller Eigentümer des Friedhofs, der auf seinem Land liegt – seit 1888. In jenem Jahr stellten die Frankenmoorer den Antrag auf Einrichtung eines Friedhofs. Nur knapp 70 Jahre zuvor hatte die Besiedlung begonnen, die ersten Anbauer trotzten dem Moor Boden ab, entwässerten die Landschaft und errichteten ihre Katen.
Heute leben 68 Menschen in Frankenmoor, wer neu hinzuzieht, wird gefragt, ob er bei der Friedhofsgemeinschaft dabei sein will – zumindest, wenn die Neu-Frankenmoorer signalisieren, offen für die Dorfgemeinschaft zu sein. Wer sich beteiligt, leistet sozusagen Hand- und Spanndienste, ist zum Beispiel beim Laubharken auf dem Friedhof dabei, das Friedhofswart Günter Richters organisiert.
Wer zur Gemeinschaft gehört, wird auch gefragt, ob er beim Tragen dabei ist. „Als ich hierher kam, musste der nächste Nachbar informiert werden, dass der das Tragen und Graben organisiert“, erzählt Karin Richters. Früher, noch bis in die 1980er Jahre, da gab es für diejenigen, die das Grab ausgehoben hatten, auch noch Frühstück und Cognac in der Gastwirtschaft. Oft waren das die nächsten Nachbarn, damit die später auch bei der Trauerfeier dabei sein konnten. Die Sargträger sind heute „die, die noch da sind“, sagt Bernd Richters. Auch sein Sohn Andreas hat schon Nachbarn zu Grabe getragen. „Das ist schließlich das Letzte, was man für denjenigen noch tun kann“, sagt Karin Richters.
Weil aber immer weniger Frankenmoorer einen Hof bewirtschaften, könnte es künftig schwieriger werden, sechs Träger zusammenzubekommen. „Zur Not muss man sich dann vielleicht mal einen halben Tag Urlaub nehmen“, sagt Andreas Richters. Schließlich sind es meist Nachbarn, von denen Abschied genommen wird, „und die haben ja auch ihr Leben lang die anderen getragen“, sagt Karin Richters. Die Gräber werden der Reihe nach angelegt, und inzwischen ist auch eine Urnenbestattung auf dem Friedhof möglich.
Schriftliches hat Familie Richters in ihren Aktenordnern: Ein Protokoll der Gemeinde Bargstedt aus dem Jahr 1984 hält das gesprochene Wort fest. „Frankenmoor hat einen Privatfriedhof. Das Bestattungswesen kann hier nicht durch die Kommune geregelt werden. Es entfallen die Regelungen auf öffentlichen Friedhöfen.“ Als Eigentümer wird Heinrich Richters genannt, und der wird mit einem bemerkenswerten Satz zitiert: Der bislang gültige Status solle auch in Zukunft beibehalten werden. Richters habe eine Festlegung in schriftlicher Form abgelehnt. „Denn von der Anlegung des Friedhofs Ende des 19. Jahrhunderts bis zum heutigen Tage war das nicht erforderlich, das Wort soll auch in Zukunft gelten.“
Und tatsächlich: Bis jetzt hat der besondere Zusammenschluss der Frankenmoorer die Zeit überdauert, ganz selbstverständlich.
Wer darf auf dem Friedhof Frankenmoor zur letzten Ruhe gebettet werden? „Grundsätzlich alle Frankenmoorer (Königsdamm) auch Neubürger“, so ist die Vereinbarung schriftlich festgehalten. „Keine Einwohner anderer Ortsteile oder Gemeinden. Ausnahmen: Hat jemand lange in Frankenmoor gewohnt und sich immer bei der Gemeinschaft beteiligt, so ist ihm eine Ruhestätte einzuräumen. Frankenmoorer, die sich aus der Gemeinschaft ausschließen, haben kein Anrecht auf einen Friedhofsplatz.“