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Interview zum Jubiläum

Warum der Elbphilharmonie-Intendant „die schönste Aufgabe der Welt“ hat

Christoph Lieben-Seutter, Intendant der Elbphilharmonie, aufgenommen während eines dpa-Interviews. Seit fünf Jahren strahlt die Elbphilharmonie über dem Hamburger Hafen und ist als kulturelles Wahrzeichen der Hansestadt nicht mehr wegzudenken. Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Christoph Lieben-Seutter, Intendant der Elbphilharmonie, aufgenommen während eines dpa-Interviews. Seit fünf Jahren strahlt die Elbphilharmonie über dem Hamburger Hafen und ist als kulturelles Wahrzeichen der Hansestadt nicht mehr wegzudenken. Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Für Intendant Christoph Lieben-Seutter ist es „die schönste Aufgabe der Welt“: Seit der Eröffnung der Elbphilharmonie am 11. Januar 2017 konnte der gebürtige Wiener das Who-is-Who der Klassikszene begrüßen - doch für einige Musiker gibt es einfach keinen Platz im Kalender.

Dienstag, 11.01.2022, 10:00 Uhr

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TAGEBLATT: Seit fünf Jahren begeistert die Elbphilharmonie die Besucher. Haben Sie mit so einem Erfolg gerechnet?

Christoph Lieben-Seutter: Es war schon klar, dass das Gebäude erst mal große Aufmerksamkeit auf sich zieht. Fast jedes neu eröffnete Haus hat ein, zwei Jahre eine Top-Auslastung. Dass aber auch im fünften Jahr – nach einem längeren Lockdown – die Leute gleich wieder zurück sein würden und alle Konzerte fast ausgebucht sind, damit war nicht zu rechnen.

Was macht die Faszination der Elbphilharmonie aus?

Es geht um das Gesamterlebnis. Die Berühmtheit des Gebäudes lockt die Menschen an, und sie haben schon ein tolles Erlebnis, wenn sie ankommen: die Elbphilharmonie von außen, ihre Lage am Wasser, die Rolltreppe, die Plaza, die tollen Foyers. Und dann kommen sie endlich in das Innere, in das Herz, den Großen Saal – und sind auf besondere Weise aufnahmebereit für die Musik. In unseren Konzerten herrscht fast immer eine ganz besondere Stimmung. Seit der Corona-Krise spielt das Konzert auch als Gemeinschaftserlebnis eine noch größere Rolle, weil man die anderen Besucher so gut sieht.

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Mit 1,2 Millionen Besuchern in Elbphilharmonie und Laeiszhalle kommen drei Mal so viele Menschen pro Saison in klassische Konzerte wie vor der Eröffnung der Elbphilharmonie (2016: Laeiszhalle 400.000 Besucher). Hat die Elbphilharmonie eine neue Begeisterung für Klassik ausgelöst?

Ja, in Hamburg auf jeden Fall. Die Kernaufgabe der Elbphilharmonie – Erweiterung des Publikums für klassische Musik – ist absolut erfüllt. Man merkt das auch im täglichen Leben, bei Nachbarn, im Freundeskreis, beim Taxifahren: Klassische Musik ist viel mehr Thema als vor der Eröffnung der Elbphilharmonie.

So ziemlich jeder, der in der Musikwelt einen Namen hat, ist bereits in der Elbphilharmonie aufgetreten. Gibt es noch jemanden, den Sie sich wünschen, der n och nicht aufgetreten ist?

In der Klassikbranche eigentlich nicht. So gut wie alle großen Orchester waren schon mehrfach da. Aber jenseits der Klassik gibt es noch einige. Da bekommen wir auch Anfragen der allergrößten Namen und Legenden, die gerne hier auftreten würden. Das Problem ist meistens der Terminkalender, der auf Jahre ausgebucht ist. Zum Beispiel finden wir gerade keinen Termin für Bob Dylan.

Es gab auch Diskussionen über die Akustik des großen Saales. Wo sehen Sie die Stärken und die Schwächen des Konzertsaals?

Das ist ein weltweit einmaliger Saal mit einer einmaligen Akustik, die besonders klar, räumlich und transparent ist. Sie bewirkt bei vielen Musikarten ein außergewöhnlich intensives Erlebnis. Es gibt aber auch mal Momente, wo sich Künstler ein bisschen schwerer tun, zum Beispiel, was die Balance zwischen großem Orchester und Singstimme betrifft. Da braucht man ein bisschen Erfahrung und ein Gespür für die Raumakustik.

Wie für viele andere Kultureinrichtungen war die Corona-Pandemie auch für die Elbphilharmonie ein schwerer Schlag. Wann, glauben Sie, werden Sie sich davon erholt haben?

Die Elbphilharmonie war für Corona gut aufgestellt: Mit einem motivierten Team und wirtschaftlichem Rückhalt durch die Stadt, durch Förderer und Sponsoren, konnten wir aus jeder Situation das Optimum herausholen. Corona war für uns bisher auch eine gute Lektion in Flexibilität und Gelassenheit. Trotzdem bleibt natürlich jedes geplante Konzert, das nicht stattfindet, eine traurige Angelegenheit.

Vor der Corona-Pandemie waren fast alle Konzerte ausverkauft. Wie wollen Sie die Menschen wieder in die Elbphilharmonie locken?

Um die Auslastung mache ich mir gar keine Sorgen, auch wenn nicht mehr jeder Abend automatisch ausverkauft ist, wie es in der Anfangszeit der Fall war. Wenn Corona noch länger dauert, habe ich eher die Sorge, dass die Vielfalt der Veranstalter nicht so schnell wieder das ein wird. Es wird dann ein, zwei Jahre brauchen, bis sich die Branche erholt hat.

Zur Person

Seit 2007 ist der gebürtige Wiener Christoph Lieben-Seutter (57) Intendant der Elbphilharmonie und der Laeiszhalle Hamburg. Im Herbst 2018 wurde sein bis Mitte 2021 laufender Vertrag um weitere drei Jahre verlängert. Lieben-Seutter ist mit der Librettistin und Schauspielerin Theresita Colloredo verheiratet. Das Paar hat drei Töchter.

Die Elbphilharmonie in Hamburg

Die Elbphilharmonie wurde am 11. Januar 2017 mit einem Konzert des NDR Elbphilharmonie Orchesters und einer spektakulären Lichtshow eröffnet. Bis zum Corona-Stillstand im März 2020 haben rund 2,7 Millionen Besucher in beiden Sälen knapp 2500 Konzerte erlebt. Die Plaza – die Aussichtsplattform in 37 Metern Höhe – erwartet im März 2022 den 15. Millionsten Besucher.

Der gläserne Neubau der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron erhebt sich auf dem Sockel eines ehemaligen Kaispeichers an der Westspitze der HafenCity. Er birgt zwei Konzertsäle, ein Hotel und Eigentumswohnungen. Die Aussichtsplattform Plaza ist über eine 82 Meter lange Rolltreppe oder Aufzüge erreichbar. Der wellenförmige Glasbau ist an der höchsten Stelle 110 Meter hoch.

Der große Konzertsaal mit knapp 2100 Plätzen liegt aus Schallschutzgründen auf 362 Federpaketen. Er ist 25 Meter hoch. Die Innenverkleidung des Saals, die sogenannte Weiße Haut, besteht aus 10000 Gipsfaserplatten, die den Schall optimal im Raum verteilen sollen. An der Decke hängt ein riesiger Reflektor, der den aufsteigenden Klang verteilt.

Die Grundsteinlegung war am 2 . April 2007, eröffnet werden sollte das Konzerthaus ursprünglich 2010. Die Bauzeit betrug knapp zehn Jahre, die Kosten stiegen von 77 Millionen auf 789 Millionen Euro.

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