Welttag des Buches: Wie Lesen durch die Pandemie geholfen hat

Bücher waren in der Pandemie gefragt. Foto: dpa
In der Pandemie hatten viele Menschen das Bedürfnis, wenigstens gedanklich für einen Moment in eine andere Welt einzutauchen. Am heutigen „Welttag des Buches“ rückt in den Fokus: Wie hat sich das Leseverhalten in der Pandemie verändert? Welche Trends konnten sich durchsetzen?
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Von Leoni Hentschel
In der Pandemie, insbesondere in den Lockdowns, war der Griff zum Buch ein beliebtes Mittel, um sich die Zeit zu vertreiben. „Die Leute lesen wieder mehr als vor der Pandemie“, sagt Alexandra Köpping von der Buchhandlung „Memminger“ in Bremerhaven. Welche Bücher sich in der Pandemie gut verkauft haben? „Kochbücher haben einen großen Aufschwung bekommen“, sagt sie. Als die Freizeitangebote begrenzt waren, hätten viele Kunden neben dem Fernsehabend mit dem Partner nach alternativen Beschäftigungen für den Abend gesucht. Besonders Mal- und Zeichenbücher seien im Laufe der Pandemie immer beliebter geworden. „Wir haben 2020 so viele Bestellungen erhalten, dass wir in der Buchhandlung eine neue Sparte eingeführt haben“, sagt Köpping. Seit vergangenem Jahr steht dort nun ein Regal mit Büchern zum Thema Freizeit. Mit Erfolg: „Bei den Kunden kommt es gut an“, sagt sie. Ihr persönlicher Tipp für Hobby-Künstler: „Mandalas – Zeit für Ruhe und Entspannung“ vom Illustrator Johannes Rosengarten. „Die Mandalas kann man von überall aus ausmalen, sie sind aber auch perfekt für das Home-Office“, sagt Köpping.
Nicole Steffens, Inhaberin der Bremerhavener Buchhandlung „Mausbuch“, bemerkt bei ihrer Kundschaft vor allem den Wunsch nach leichter Kost. „Die Kunden kaufen leichte Literatur, nach dem Motto ‚bloß keine Probleme‘“, sagt sie. Während die Leute am Anfang der Pandemie noch viel zum Thema Kinderbeschäftigung kauften, stieg zunehmend das Interesse an Unterhaltungskultur. „Seit anderthalb Jahren ist das Genre ganz groß im Rennen. Und Krimis, die laufen immer gut“, stellt Steffens fest. Wer ebenfalls Lust auf leichte Kost verspürt, dem empfiehlt sie „Die kleine Strandboutique im Sanddornweg“ von Kerstin Grade. „Das Buch ist unterhaltsam und norddeutsch“, sagt die Buchhändlerin.
Natur und Kochen sind als Themen gefragt
In der Buchhandlung „Hübener“ stieg hingegen die Nachfrage nach historischen Romanen. „Die Kunden kauften vermehrt historische Romane, weil diese sie in eine andere Zeit versetzen“, sagt Jens Fleischer. Aber auch die Auseinandersetzung mit dem Hier und Jetzt spielte bei den Lesern eine Rolle. So ging der Roman „Über Menschen“ von Juli Zeh, der bereits in der Pandemie spielt, in Fleischers Buchhandlung häufig über den Tresen. Ein Trend machte sich in der Buchhandlung jedoch besonders bemerkbar. „Bei regionalen Natur- und Wanderführern gab es einen deutlichen Anstieg der Käufe“, sagt Inhaber Fleischer. Warum? „Man konnte ja nicht weg. Und die Leute wollten Zeit in der Natur verbringen“, sagt er. Sein Tipp für Naturinteressierte: „Tierisch laut: Die wundersame Welt der Kommunikation im Tierreich“ von Francesca Buoninconti. „Das Buch ist gerade neu erschienen, witzig geschrieben und enthält interessante Aspekte über die Tierwelt“, sagt Fleischer.
Kunden der Buchhandlung „Morisse“ in Bremerhaven zieht es hingegen weniger in die Natur, sondern in die Küche. „Die Nachfrage nach Kochbüchern ist gestiegen, weil die Leute mehr Zeit zu Hause verbringen“, sagt Inhaber Gregor Schlag. „Allerdings beobachten wir eine Zweiteilung, was die Auswahl der Kochbücher angeht.“ Während sich ein Teil der Hobbyköche für exotische Gerichte interessiere, gehe es den anderen darum, etwas Schnelles im Home-Office zuzubereiten. „Die Leute wollen nicht mehr so viel Essen bestellen, da sind schnelle Rezepte für ein Mittagessen beliebter geworden“, sagt Schlag. Wenn es mal schnell gehen muss, empfiehlt er Yotam Ottolenghis „Simple. Das Kochbuch“. „Man braucht nur maximal zehn Zutaten für jedes Rezept und die Gerichte erfordern nicht viel Kochkunst“, sagt der Buchhändler.
Zeit zum Lesen im Lockdown
Selbstversorgung spielt auch bei den Kunden der Buchhandlung „Schließke“ in Bad Bederkesa eine große Rolle. „Seit der Pandemie sind besonders Bücher zu den Themen Kochen, Kreativität und Garten beliebt“, stellt Mitarbeiterin Tabea Sommerfeld fest. „Die Nachfrage ist seitdem enorm gestiegen. Der Trend zieht sich jetzt schon eine ganze Weile.“ Gerade Gartenarbeit stehe bei vielen Kunden hoch im Kurs, viele hätten sich erstmals an das Gärtnern rangetraut. Ihr Tipp für Neuanfänger: „Homefarming: Selbstversorgung ohne grünen Daumen“ von Tagesschausprecherin Judith Rakers. „Das Buch ist super für den Einstieg, Unerfahrene können sich damit gut an das Gärtnern herantasten“, sagt Sommerfeld.
Kim Marie Haag, Inhaberin der Buchhandlung „Beek“ in Langen, machte zwischenzeitlich eine ganz andere Beobachtung. „Während der Pandemie haben sich viele Leser erstmals an Klassiker herangetraut. Vor allem in den Lockdowns, weil sie mehr Zeit zum Lesen hatten“, sagt sie. Mittlerweile gehe das Interesse an Klassikern jedoch wieder zurück. Reiseliteratur, aber auch Reiseführer hätten ebenfalls einen Aufschwung erlebt. „Vor allem Campingführer fürs Wohnmobil waren in der Pandemie beliebt.“ Ein Trend, der bis heute anhält. „Momentan werden wieder viele Büchern zum Thema Reisen gekauft.“ Welches Buch sie Reiseinteressierten empfehlen kann? „Der Salzpfad von Raynor Winn“, sagt Haag. „Das Buch ist ein autobiografischer Bericht eines Paares, das zusammen den knapp 1000 Kilometer langen South West Coast Path in England gelaufen ist.“ (axt)