Wie die Fitnesskurve der Kuh aufs Handy kommt
Sensoren erfassen Daten über die Aktivität der Kühe, ihre Körpertemperatur und über ihr Fressverhalten. Foto: dpa/Krato
Die Digitalisierung in der Landwirtschaft schreitet immer weiter voran, besonders in Milchbetrieben. Ob Roboter, die beim Melken oder Füttern helfen, oder die Erfassung von Daten - Milchbauern können unter ganzen Paletten moderner digitaler Hilfsmittel wählen.
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Grund genug für die Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LKW) zu dem Thema, eine Veranstaltung anzubieten. Bei diesem 15. Milchforum der Kammer, zu dem immer im Winter zu Spezialthemen geladen wird, hatten sich im Saal des Ahlerstedter Schützenhofes auffällig viele junge Landwirte eingefunden. Kein Wunder denn bei dem Thema - wie Referentin Katrin Asseburg vom Zentrum für Digitalisierung der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen ausführte - sei es vor allem geboten, die Kompetenz bei der Anwendung digitaler Programme unter den Landwirten zu erhöhen. Und das überlassen die Senioren gerne ihren jungen Betriebsnachfolgern.
Erfassung von Daten ganzer Herden möglich
Katrin Asseburg berichtete in ihrem Vortrag vor allem über Methoden digitaler Datenerfassung an der einzelnen Kuh und auch in den Ställen. Sie referierte über die Ergebnisse von Langzeitstudien dazu. Die Erfassung von Daten ganzer Herden ist durchaus schon verbreitet - vor allem in Ställen mit größeren Beständen. Überwiegend würden diese Daten über Ohrmarken oder Halsbänder erfasst. Sensoren an den Fußgelenken oder im Pansen (Bolus-System) hätten sich dagegen weniger bewährt.
Erfasst werden mit diesen Sensoren Daten über die Aktivität der Kühe, ihre Körpertemperatur, über ihr Fressverhalten und auch ihre Aufenthaltsorte im Stall. Daraus kann der Landwirt Rückschlüsse zum Gesundheitszustand oder zum Brunstzeitpunkt der Rinder ziehen. Computerprogramme werten diese Informationen aus. Sie lassen sich am PC des Landwirts oder auf dem Handy abrufen. Auch können sie direkt an den Tierarzt weitergeleitet werden. „Insgesamt helfen diese Auswertungen beim gesamten Herdenmanagement“, so die Fachfrau aus Nordrhein-Westfalen.
Weitere Systeme sind in den Ställen angebracht. Sie messen verschiedene Daten und können mit einer digitalen Steuerung etwa der Stallbelüftung oder -beleuchtung verbunden werden. Moderne EDV-gesteuerte Robotersysteme wie Futter- oder Melkroboter sowie Laufflächenreinigungsgeräte ergänzen die Digitalisierung im Kuhstall. Sie tragen auch erheblich zu veränderten Arbeitsabläufen und der Effizienzsteigerung im Kuhstall bei, wie Referent Sven Klingemann deutlich machte.
Vierfache Kuhanzahl wird in der Hälfte der Zeit gemolken
Klingemann ist Milchbauer aus Neustadt am Rübenberge in der Region Hannover und melkt rund 250 Kühe. Er hat in den vergangenen Jahren seinen Stall weitgehend digitalisiert. Er nutzt Melk- und Futterroboter. Damit - so der Landwirt - habe er erheblich den Arbeitseinsatz reduziert. Bei 60 Kühen habe sein Vater früher vier Stunden beim Melken zugebracht, heute schaffe er das dank der modernen Technik mit der vierfachen Kuhanzahl in zwei Stunden, also der Hälfte der Zeit.
Das einzige Problem, so der 39-jährige Landwirtschaftsmeister weiter, sei, dass die Roboter rund um die Uhr im Einsatz seien und: „Die Tiere immer überall.“ Das sei dann etwas nervig, wenn es zu nächtlichen Alarmmeldungen auf seinem Handy komme.
Im Jahresdurchschnitt wird er etwa alle zehn Tage nach 20 Uhr aus dem Wohnzimmersessel oder dem Bett aufgescheucht. Meistens seien es nur Kleinigkeiten und oft hausgemachte Fehler, weil etwa die Futterküche nicht ausreichend aufgefüllt wurde und der Futterroboter Alarm schlägt.
Nur 40 Prozent der Betriebe nutzen Digitalisierung
Unterm Strich aber ist der Landwirt zufrieden mit seinem hochtechnisierten Stall. Die positiven Effekte für die Herde und das Herdenmanagement seien ganz klar gegeben: Die Herde sei entspannter und ruhiger und die Entwicklung der jungen Kühe (Färsen) sei deutlich verbessert worden. Auch eine Energieeinsparung sei klar gegeben.
Nach einer neuen Umfrage unter 500 Betrieben habe sich ergeben, dass nur in etwa 40 Prozent der Milchbetriebe bisher irgendeine Form von Digitalisierung Einzug gehalten habe, erklärte Katrin Asseburg. Da müsse noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Hauptgrund für die Skepsis sei immer noch bei vielen Landwirten die Angst vor der Digitaltechnik und der damit verbundenen Kompetenz. Aber auch die oft hohen Investitionskosten spielten eine Rolle. Sie forderte zu einem Umdenken auf: „Agieren Sie, statt irgendwann nur noch zu reagieren.“