Naturschützer kämpfen um den Vollhöfner Wald

Fingerzeig: Jan Mewes von der Klimaschutzinitiative mit einer Gruppe beim sonntäglichen Spaziergang durch den Vollhöfner Wald. Fotos: Wahba
Bei einem Spaziergang durch den Naturwald möchten Initiatoren der Klimaschutzinitiative Vollhöfner Wald auf das drohende Schicksal des Biotops an der Alten Süderelbe aufmerksam machen: Es soll abgeholzt werden.
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Das Thermometer zeigt um die 20 Grad Celsius – ideales Spazierwetter. Am Treffpunkt an der Straße Vollhöfner Weiden sammeln sich immer mehr Menschen. Jan Mewes von der Klimaschutzinitiative Vollhöfner Wald erklärt ihnen, worum es bei diesem Spaziergang geht: „Wir wollen zum einen den Menschen diesen einzigartigen Naturwald zeigen. Zum anderen wollen wir die Leute auf diesem Spaziergang dafür sensibilisieren, welch ein wertvolles Biotop hier in Altenwerder-West für Logistikhallen platt gemacht werden soll.
Der Vollhöfner Wald ist kein Forst, der Wald ist aus sich heraus gewachsen und völlig naturbelassen und deswegen natürlich auch niemals ausgleichbar.“ Der Wald ist Teil des Biotopverbundes zwischen den Naturschutzgebieten Westerweiden und Moorgürtel und beherbergt zahlreiche bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Jetzt soll er gefällt werden, um Logistikflächen für den Hamburger Hafen Platz zu machen.
Um 11.15 Uhr startet die etwa 30 Personen große Gruppe ihren Spaziergang. Biologielehrer Mewes kennt den Wald. Er sei hier aufgewachsen, habe als Kind in dem Wald gespielt. Mewes wird an diesem Sonntagvormittag der Gruppe nur einen winzig kleinen Teil des insgesamt fast 50 Hektar großen Naturwaldes zwischen der Straße Vollhöfner Weiden und der Alten Süderelbe zeigen. Dennoch hat der Mann nach dem zweieinhalb Stunden langen Spaziergang sein Ziel erreicht. Die Gruppe ist sich einig: Der Wald muss bleiben.
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„Wir haben uns zu einer Klimaschutzinitiative zusammen geschlossen, um zu erreichen, dass der Senat die Rodungspläne zurücknimmt“, so Jan Mewes. Hamburg Port Authority (HPA), eine Tochtergesellschaft der Stadt Hamburg, hatte angekündigt, den Wald roden zu lassen. Der Bezirk Harburg hatte daraufhin einen einstimmigen Beschluss gegen die Rodungspläne gefasst. Die beiden Umweltschutzverbände BUND und der Naturschutzbund NABU haben Klage eingereicht. Aber HPA hält an den Plänen fest.
„Nach unseren Informationen“, so Mewes, „sollen die Fällarbeiten möglicherweise schon im Oktober beginnen. Das ist vor dem Hintergrund des Klimawandels, der aktuellen Diskussion über den Klimawandel und des Umdenkens in vielen Bereichen völlig absurd, einen derart wertvollen Kohlendioxid-Speicher zu zerstören“. Knapp 30 000 Bäume sollen für die neuen Hallen gefällt werden.
Die Gruppe um Mewes macht sich auf den Weg in den Wald. Wenige Minuten nachdem die Spaziergänger gestartet sind, fallen die ersten Regentropfen. Der Regen wird stärker. Die Gruppe sucht Schutz unter einigen Ahornbäumen. „Dieser Wald ist unglaublich struktur- und höhlenreich. Darum bietet er einen idealen Lebensraum für Insekten und Vögel. Mehr als 100 Schmetterlingsarten wurden hier gezählt. Jeder Nationalpark hat mal so wie dieser Wald begonnen“, erklärt Jan Mewes. Die Bäume, so der Biologielehrer, „binden effektiv und schnell Kohlendioxid in ihren Holzkörpern“.
Der Regen hört langsam auf. Die Gruppe macht sich wieder auf den Weg durch den Wald. Das Wort Urwald trifft es am ehesten, was die Spaziergänger hier zu sehen bekommen. Jan Mewes berichtet von den unzähligen Vogelarten, die hier Schutz und Nahrung finden. Kein Förster sorgt in diesem Wald für Ordnung, kein toter Baum wird gerodet oder weggeräumt, keine Wege sind angelegt. Seit den frühen 60er Jahren ist dieses Biotop auf sich gestellt, die Natur regelt alles – gewachsen auf einem ehemaligen Spülfeld.
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Die Gruppe kämpft sich durch Brennnesselfelder, über vermodernde Baumstämme. Schnecken sitzen an den Bäumen. „Die Schnecken kriechen an Bäumen hinauf, um in den Ruhezustand zu fallen. In manchen Zeiten sind die Stämme geradezu übersät mit Schnecken. Irgendwann kriechen sie wieder hinunter auf der Suche nach Nahrung“, erklärt Jan Mewes.
Ein Ehepaar aus Finkenwerder ist ganz begeistert von dem „urwüchsigen Wald“. Man könne sich kaum vorstellen, dass dieser Wald tatsächlich gerodet werden solle, finden beide. Mewes führt die Gruppe weiter durch das dichte Gestrüpp. Der Wald erinnert an einen Märchenwald der Brüder Grimm. Mewes findet eine kleine Erdkröte und zeigt sie den Spaziergängern. Ohne den ortskundigen Führer würde hier kaum einer der Spaziergänger noch aus dem Wald heraus finden. „Jetzt ist es relativ ruhig“, so Mewes, „nur wenige Vogelstimmen sind zu hören. Aber im Frühling hört man hier fantastische Konzerte“. Vögel fänden in dem Biotop noch ein ausreichendes Nahrungsangebot.
Es sei nicht hinnehmbar, so Jan Mewes, dass die Stadt Hamburg mit ihrem Hafenerweiterungsgesetz das geltende Waldgesetz außer Kraft setze. Mewes: „Wir fordern, dass nach geltendem Gesetz die Öffentlichkeit Stellung zu den HPA-Plänen nehmen kann. Die Zivilgesellschaft muss ihre Stimme erheben.“
Die Klimaschutzinitiative will dieses einzigartige Biotop retten. „Bolsonaro fackelt gerade den Regenwald in Brasilien ab, im Mittelmeerraum brennen die Wälder, wir reden über Klimaschutz und HPA will diesen Wald roden. Das ist wirklich absurd“, ärgert sich Jan Mewes. Nach zweieinhalb Stunden führt er die Spaziergänger wieder aus dem dichten Urwald heraus und hat sein Ziel erreicht: Niemanden aus der Gruppe lässt das Schicksal des Vollhöfner Waldes jetzt noch kalt.
Führung und Info
Jeden Sonntag bieten Jan Mewes und seine Mitstreiter den interessanten Rundgang an. Treffpunkt ist im September um 11 Uhr an der Straße Vollhöfner Weiden zwischen den beiden Bushaltestellen „Dradenauer Deichweg“ und „Hafenbahnhof Alte Süderelbe“. Am Mittwoch, 4. September, lädt die Klimaschutzinitiative außerdem zu einem Informationstreffen in Finkenwerder, Sandhöhe 11, ein. Das Treffen beginnt um 20 Uhr.