Die Buxtehuder Hexen-Akten sind zurück
Warum mussten 13 Frauen in Buxtehude als Hexen auf den Scheiterhaufen? Dieser Frage kann sich die Forschung nun wieder widmen: Die Akten der Hexenprozesse sind restauriert worden. Im Stadtarchiv kann darin wieder gelesen werden.
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Die Hamburger Restauratorin Gudrun Kühl hat die acht Archivmappen mit insgesamt 3200 Seiten fachgerecht aufgearbeitet und am Mittwoch an die Buxtehuder Stadtarchivarin Eva Drechsler übergeben.
Auf dem handgeschöpftem Papier notierten die Gerichtsschreiber von 1540 bis 1644 mit geübter Feder, wie die Buxtehuder Gerichtsbarkeit darüber urteilte, wer der Hexerei schuldig war. Über Jahrhunderte sind diese Dokumente in Buxtehude aufbewahrt worden. Doch Risse, Fehlstellen und Schimmelbefall hatten ihnen zu schaffen gemacht.
„Vor allem die aufgerollten Ränder waren brüchig geworden“, berichtet Restauratorin Gudrun Kühl. Sie hat sie mit hauchdünnem Japanpapier stabilisiert. Jetzt kann wieder gut durch die Seiten geblättert werden. Einige wurden erst mit einem Absauggerät, dann mit einem Schwämmchen vorsichtig von Schimmel befreit. Schmutzspuren, die sich dort zeigen, wo viel geblättert wurde, konnte Kühl nicht ganz entfernen.
Sie selbst berührt die kostbaren Akten nur mit frisch gewaschenen Händen, nicht mit Handschuhen, damit sie mehr Fingerspitzengefühl dafür hat, wann sie besonders vorsichtig hantieren muss. Nicht ganz drei Monate hat Kühl gebraucht, um die Akten so zu restaurieren, dass sie wieder zugänglich, aber in ihrer Optik und Haptik fast original erhalten geblieben sind. Die Kosten dafür belaufen sich auf 6 861,54 Euro, von denen die Sparkasse-Harburg-Buxtehude einen Anteil von 3500 Euro übernimmt, den Rest trägt die Hansestadt Buxtehude.
Stadtarchivarin Eva Drechsler wird vorerst nicht dazu kommen, selbst in den Mappen zu lesen. Sie ist zurzeit zu beschäftigt mit der Aufarbeitung der NS-Zeit in Buxtehude, aber zuversichtlich, dass sich genügend an den Buxtehuder Hexen Interessierte zur Erforschung einfinden werden.
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Nachweislich wurden in Buxtehude 21 Frauen angeklagt, 15 von ihnen hingerichtet und 13 von diesen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Seit 2017 erinnert ein Mahnmal am Historischen Rathaus an diese Opfer. Doch auch einige Männer wurden der Hexerei bezichtigt. Einer war der Bürgermeister Felix von der Hoyen, der in seiner Amtszeit selbst die Verurteilung von drei Hexen zu verantworten hatte, 1558/1564 aber trotzdem wegen des Vorwurfs der Hexerei seines Bürgermeister-Amtes enthoben wurde. Der Vorwurf: Umgang mit Zauberinnen.
Wie die Prozesse genau abliefen, wie sie in den Gesamtzusammenhang der europäischen Hexenverfolgung eingebettet waren und welche Motive neben dem Aberglauben dem Ganzen zugrunde lagen – all das könnten sehr interessante Forschungsgegenstände sein, beispielsweise für eine Master-Arbeit, sagt Eva Drechsler. Auch interessierte Laien dürfen die Akten im Buxtehuder Stadtarchiv einsehen, allerdings nur nach vorheriger Anmeldung unter stadtarchiv@stadt.buxtehude.de.
Für den Herbst 2019 kündigt die Stadtarchivarin bereits eine Veranstaltung an: Der ehemalige Stadtarchivar Bernd Utermöhlen wird die bisher vorhandenen Forschungsergebnisse zu den Buxtehuder Hexenprozessen vorstellen und Restauratorin Kühl die Restaurierungsverfahren anhand der Buxtehuder Akten präsentieren. Weitere Details stehen zeitnah im TAGEBLATT.
Wer mehr über die Geschichte der Hexen in Buxtehude erfahren möchte, hat außerdem die Möglichkeit, sich mit einer kundigen Stadtführerin in der Altstadt an die Schauplätze der Buxtehuder Hexenprozesse zu begeben. Die nächste Gelegenheit ist am Freitag, 21. Juni, von 17 bis 18.30 Uhr. Treffpunkt ist das Historische Rathaus in der Fußgängerzone, Breite Straße 2, wo auch das Hexen-Mahnmal angebracht ist. Die Tour dauert etwa 90 Minuten und kostet für Erwachsene sieben Euro, für Kinder zwei Euro. Eine Voranmeldung ist nicht erforderlich, Führungen für Gruppen sind individuell buchbar.