Diskussion in Kutenholz: Milchbauern laufen Sturm
Sie fordern auskömmliche Preise für die Milchbauern . Der Bund Deutscher Milchviehhalter ist mit Unterstützern in Kutenholz auf Tour. Fotos Beneke
Im Rahmen seiner Tour durchs Land hat der Bund Deutscher Milchviehhalter mit seinem Werbemobil am Freitag einen Halt auf dem Hof Burfeind in der Gemeinde Fredenbeck eingelegt.
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Sprecher Hans Foldenauer hatte ein Gespräch von Landwirten und Politikern arrangiert. Der Tenor: Der Milchmarkt ist gesättigt. Die Macht der Lebensmittelindustrie muss beschränkt werden. Erstaunlich: Keiner der Landtagsabgeordneten, die sich sonst stets zur heimischen Landwirtschaft bekennen und den Bauern ihre Unterstützung zusagen, war der Einladung gefolgt. „Die Grünen sind offenbar die Einzigen, die sich für die Landwirte interessieren“, sagte der Rats- und Kreistagspolitiker Ralf Poppe aus dem Flecken Harsefeld schmunzelnd. Er sitzt auch im Kreisvorstand der Grünen. Neben dem Kutenholzer Bürgermeister Gerhard Seba (CDU), der auch auf Samtgemeinde- und Kreisebene aktiv ist, war Poppe in der Tat der einzige Politiker, der an der Diskussionsrunde bei Landwirt Johann Burfeind teilnahm.
Dabei wollten die Milchbauern gerade gegenüber den Politikern ihre Sicht der Dinge darstellen. Vom Landvolk und vom Bauernverband fühlen sie sich nicht hinreichend vertreten. So ist es an Hans Foldenauer, dem Sprecher vom Bund Deutscher Milchviehhalter, unermüdlich „für einen Milchmarkt mit Aussicht“ und „agrarpolitische Rahmenbedingungen mit Weitblick“ zu werben. Bisher habe die Politik auf Landes-, Bundes- oder Europaebene stets nur auf Krisen reagiert – etwa mit Milliarden-Nothilfen oder der Umverteilung von Subventionen. Zielführender sei es jedoch, von vorneherein den Markt vernünftig zu regulieren, wie es die Milchbauern fordern.
Die Milchviehhaltung zu stärken sei wichtig, um den ländlichen Raum vor dem Ausbluten zu bewahren, betonte Foldenauer. Die Agrarpolitik sei zurzeit ausschließlich „an den Interessen der Ernährungswirtschaft“ ausgerichtet – „nur für die Konzerne, nicht nur für Bauern und nicht für die Verbraucher“. Die Industrie wolle billige Rohstoffe, nur darum gehe es den Großkonzernen. Der Lebensmitteleinzelhandel drücke die Preise zusätzlich. Ein Perspektivwechsel, hin zu den Nöten der Landwirte, sei nötig. Doch der Bund stelle sich quer. Foldenauer: „Es muss gehandelt werden.“ Allen Bauern müsse klar sein, dass ein langer Atem erforderlich sei.
Landwirt Johann Burfeind zeigt einen verpackten Liter „faire Milch“. Preis bei Rewe: 1,18 Euro.
Er schlug auch selbstkritische Töne an: Die Landwirte würden seit Jahrzehnten von Subventionen „abhängig sein wie Drogensüchtige“. Das Modell sei „zum Untergehen verurteilt“. Sich von Steuergeldern derart abhängig zu machen, sei ein großer Fehler gewesen. Der Milchmarkt stehe vor dem Kollaps, die Betriebe würden zu große Mengen produzieren. „Wenn Krisen kommen, dann muss die Menge runter“, sagte Foldenauer. Im Allgau lebt er auf einem Hof mit 95 Kühen, den inzwischen die Kinder bewirtschaften. Wenn die Landwirte mehr Geld zur Verfügung hätten, könnten sie sich verstärkt dem Tier- und Umweltschutz widmen. Zurzeit sei der Wettbewerbsdruck kaum auszuhalten: „Es geht um das letzte Korn und den letzten Tropfen Milch.“ Die Landwirte könnten keine Reserven für schlechte Zeiten wie Dürreperioden mehr anlegen.
Die Molkereien würden die Preise diktieren, kritisierten anwesende Milchbauern aus der Region. Im Supermarkt nebenan koste der Liter Milch 69 Cent. Um kostendeckend zu produzieren, müssten die Landwirte mindestens 40 Cent einnehmen – eher mehr. Dann müssten Kunden für den Liter Milch mindestens 73 Cent zahlen. Unter dem Label „Die faire Milch“ vermarkten die Milchbauern ihre Milch teilweise zu auskömmlichen Preisen selber. Molkereien zu finden, die mitmachen, sei schwierig, sagte der Kutenholzer Landwirt und Gastgeber Burfeind.
Bürgermeister Seba warf ein, dass viele Verbraucher bereit seien, „für landwirtschaftliche Produkte auch einen Euro mehr auszugeben“. Er zeigte sich enttäuscht, dass kein Landespolitiker der Einladung des Bundes Deutscher Milchviehhalter zur Diskussionsrunde nach Kutenholz gefolgt war. „Die optimale Lösung wäre doch, bedarfsgerecht zu produzieren“, sagte Christdemokrat Seba. Doch das sei kaum möglich, antworteten die Landwirte, weil viele Molkereien keine Abnahme- oder Preisgarantien aussprechen wollen. „Das Problem ist der Preis“, brachte es Grünen-Politiker Poppe auf den Punkt.
Er forderte klare Label, die Haltungs- und Herstellungsbedingungen für den Verbraucher auf den ersten Blick verständlich darstellen. Bei den Eiern funktioniere das Modell der Kennzeichnung. Die Leistungen der Landwirte für die Gesellschaft müssten honoriert werden. Etwa mit Prämien für Umwelt- und Tierschutz. Sie seien Garanten für einen sorgsamen Umgang mit Mensch und Tier. Die Zeit der Grabenkämpfe müsse vorbei sein: „Die Bauern, die ich kenne, machen die Natur nicht kaputt“, betonte Poppe. Die Politik dürfe „nur gemeinsam mit den Landwirten“ die Rahmenbedingungen anpassen. Er rief die Milchbauern dazu auf, ihren Protest mit Nachdruck fortzusetzen. „Die Politiker sind gut darin, ihre Segel nach dem Wind auszurichten“, sagte der Harsefelder. „Also müssen Sie Wind erzeugen.“