Klein, kleiner, das Zimmer
Im Theater das Zimmer, das Lars Ceglecki gemeinsam mit Sandra Kiefer leitet, ist nicht nur die Bar, sondern auch alles andere etwas kleiner. Tatsächlich ist es mit nur 40 Plätzen und einem ein Quadratmeter großen Foyer das kleinste Theater Hamburgs.
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„Der Raum ist bei uns definitiv begrenzt“, grinst Ceglecki, „aber genau das macht den Charme aus. Durch diese Nähe entsteht eine ganz besondere Atmosphäre, der man sich nur schwer entziehen kann.“
15 Jahre lang befand sich in den Räumlichkeiten im Stadtteil Horn das Theater in der Washingtonallee, doch 2014 beschloss die Vorbesitzerin Angelika Landwehr, ihr Privattheater aus persönlichen Gründen zu schließen. „Sandra und ich wollten damals ein Stück zusammen machen und waren auf der Suche nach einem Raum, in dem wir proben können“, erinnert sich Ceglecki. „Mitten in diese Vorbereitung und die Gründung unserer freien Theatergruppe platzte die Nachricht von der Schließung. Erst wollten wir dort nur proben, doch dann waren wir total gefesselt von dem Raum und den Möglichkeiten, hier ganz nahes Theater zu machen.“
In den kommenden Wochen bauten sie das Theater um, verlegten den Eingang und brachten neue Scheinwerfer an. „Wir waren 24 Stunden hier“, so Sandra Kiefer. „Acht Wochen nach der Unterschrift zur Übernahme fand die Eröffnungspremiere statt.“ Anfang Oktober feierte das Theater das Zimmer nun seinen vierten Geburtstag und startete zeitgleich in die fünfte Saison.
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Noch bis Ende des Jahres ist das Stück „Alles über Liebe“ zu sehen, eine klassische Komödie aus der Feder von Stephan Eckel. Es handelt von dem Ehepaar Carlos (Lars Ceglecki) und Anna. Zwischen Kindertanzgruppe und schwiegermütterlichem Halbfett-Kartoffelsalat ist die Liebe in ihrem Reihenhaus abgekühlt, weshalb die beiden eine Ehe-Therapeutin (Sandra Kiefer) aufsuchen. „Am Ende weiß man nicht, wer hilfloser ist: der Mann, die Frau oder die Therapeutin. Das Stück ist mit viel Wortwitz geschrieben, und ich denke, dass viele Besucher sich darin in Teilen wiederfinden werden“, so Ceglecki. „Wir spielen sonst eher wenig Komödien, aber zum Jahresende hat sich das bewährt. Die Leute gehen gerne beschwingt aus dem Jahr, und wir erreichen damit immer noch mal ein ganz anderes Publikum.“
Tatsächlich ist das Publikum im Theater das Zimmer bunt gemischt. Einige Stammgäste aus dem Stadtteil kommen zu fast jeder Aufführung, doch auch Besucher aus Süddeutschland finden den Weg in die Washingtonallee. „Viele besuchen in Hamburg zunächst ein sehr großes Haus, zum Beispiel ein Musical oder die Elbphilharmonie, und wollen dann als Kontrast das kleinste Theater der Stadt sehen“, so Kiefer.
Zimmertheater hat in Hamburg eine lange Tradition: Im März 1948 verwirklichte der Schauspieler Helmuth Gmelin seinen lang gehegten Traum und eröffnete in seiner Drei-Zimmer-Wohnung im vierten Stockwerk des Hauses Alsterchaussee 5 das Theater unterm Dach, das später den Namen Theater im Zimmer erhielt. Fünfzig Personen fanden dort Platz. Indem er durch die fehlende Rampe Barrierefreiheit schaffte, wollte Gmelin Zuschauer an die Schauspielkunst heranführen. „Wir nutzen diese Nähe wirklich ganz stark“, sagt Ceglecki. „Die Zuschauer sehen hier Dinge, die sie auf der großen Bühne nicht sehen: jeden Schweißtropfen, jedes Augenzwinkern, jede Fingerbewegung, jedes Zucken. Als Schauspieler können wir in diesem Raum nichts verstecken.“
Bei den Besuchern kommt das an: Im kommenden Jahr wollen Ceglecki und Kiefer von bisher drei Spieltagen pro Woche auf vier erweitern. „Weil wir merken, dass immer mehr Leute kommen“, so Ceglecki. Sechs bis sieben Eigenproduktionen bringen die beiden pro Jahr auf die Bühne, hinzu kommen Gastspiele von anderen Theatern sowie einige Lesungen und Konzerte. Das Theater selbst trägt sich inzwischen. „Aber uns beide trägt es noch nicht“, sagt Ceglecki, der nebenbei am Velvets Theater in Wiesbaden spielt und Schauspielunterricht gibt, während Kiefer ein mobiles Kindertheater betreibt. „Deswegen haben wir für die nächste Spielzeit eine institutionelle Förderung bei der Kulturbehörde beantragt. Kultur braucht staatliche Unterstützung.“
Zumal Ceglecki und Kiefer noch viel vorhaben. 2019 wollen sie zum einen ihr Jubiläumsstück „Kleine Eheverbrechen“ wiederaufnehmen, zum anderen werden sie mit dem Polit-Thriller „Komplize“, der sich um Whistleblower dreht, ein höchst aktuelles Thema aufgreifen. „Und wir wollen uns mit dem Stück „Atlantropa“ an eine ganz neue Form heranwagen“, so Kiefer. „Wie beim Monopoly-Spiel wird es Ereigniskarten geben, die die Zuschauer beim Reinkommen ziehen. Jeder kann dann entscheiden, ob er Teil des Abends werden möchte. Das Stück wird also jeden Abend anders sein.“
Theater das Zimmer, Washingtonallee 42. Weitere Infos und Tickets: