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67. Kreisjägertag

Nutria: Jäger drängen auf finanzielle Unterstützung

Knapp 1600 Mitglieder gehören dem anerkannten Naturschutzverband an – Tendenz steigend. Das berichtete der Vorsitzende Dr. Martin Wenzel am Sonnabend beim 67. Kreisjägertag in der Harsefelder Festhalle. Mit der Nutria-Invasion bestimmten ein Aufreger-Thema die Versammlung.

Von Daniel Beneke Sonntag, 17.03.2019, 10:00 Uhr

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„Die Jäger sind ein wichtiger Teil unserer Zivilgesellschaft“, hob Landrat Michael Roesberg in seinem Grußwort hervor. Ob bei der Bedrohung durch die Nutria, den Wolf oder die Afrikanische Schweinepest (ASP) – sie seien entscheidende Akteure. „Wir wissen, welch bedeutsamen Beitrag Sie leisten“, sagte der Verwaltungschef. Mit dem Lernort Natur seien die Jäger auch im Bildungsbereich aktiv, mit den Blühstreifen-Projekten bei der Stärkung der Artenvielfalt. Um im Falle einer ASP-Seuchenkrise auf das Fachpersonal des Stader Maschinenrings zurückgreifen zu können, werde der Landkreis mit der Organisation in Kürze eine Vereinbarung unterschreiben.

Als „echte Plage“ bezeichnete der Landrat die Ausbreitung des Nutria-Bestandes: „Die Deichverbände alleine werden gegen eine derartige Invasion nichts ausrichten können.“ Der Schaden dürfe nicht alleine bei den Deich- und Unterhaltungsverbänden hängen bleiben, das Land müsse helfen. Dass die Landesregierung die Jagdbedingungen neu geregelt und eine ganzjährige Jagd ermöglicht hat, begrüßte Roesberg. Er sichte derzeit die Konzepte anderer Landkreise und prüfe, ob sich deren Lösungen adaptieren lassen.

Der Landrat plant eine konzertierte Aktion zur Nutria-Bekämpfung in Zusammenarbeit mit der Jägerschaft. „Ich kann mir vorstellen, dass der Kreistag auch bereit ist, Mittel bereitzustellen – wenn unser Konzept gut ist“, sagte Roesberg. Mit der Novelle des Niedersächsischen Jagdrechts bekämen die Jäger die Pflicht auferlegt, die Nutria-Population einzudämmen.

In seinem Jahresbericht ging der Vorsitzende Dr. Martin Wenzel auf die Wildtierverluste bei der Mahd ein. Um sie zu verringern, werde der Einsatz von Drohnen getestet. Vier Drohnenpiloten stünden in den Startlöchern. Mit Spenden und Fördermitteln soll das technische Equipment erworben werden. Die Jäger wollen bei diesem Thema mit dem Verein Kitzrettung zusammenarbeiten.

In Teilen der Bevölkerung gebe es „realitätsfremde Ansichten zur Bedeutung der Jagd“, sekundierte Wenzel. Davon sollten sich die Jäger nicht beirren lassen. Sie könnten stolz auf ihr Tun sein: „Wir sind die Guten.“

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„Besorgniserregend“ seien die europaweit wöchentlich steigenden Fallzahlen bei der ASP. Vor allem bei Wildschweinen in Belgien steigen sie immens. Die Ausbreitung der Suche in den Hausschweinbeständen werde effektiv zurückgedrängt, freute er sich.

Die öffentliche Hand müsse sich am Kauf von Fallen und Fallenmeldern zur Nutria-Bekämpfung beteiligen, forderte der Vorsitzende. Hier nicht konsequent einzusteigen, könne zu hohen Schäden führen. „Ich kann nur davor warnen, dass wir dieses Problem unterschätzen“, pflichtete ihm Kreisjägermeister Günther Bube bei. „Wir haben die Nutria nicht ausgesetzt. Wir wollen helfen, den Bestand zu reduzieren. Aber wir wollen nicht auf den Kosten sitzenbleiben“, machte Wenzel unmissverständlich klar – und erntete damit auch den Zuspruch von Landrat Roesberg. Neben dem Pelz bringe die Nutria auch schmackhaftes Fleisch, merkte der Vorsitzende an.

Wenzel versprach: „Wir Jäger werden uns unserer Verantwortung stellen.“ Er dankte dem Deichverband der II. Meile des Alten Landes und dem Unterhaltungsverband Alte Land. Sie haben den Hegeringen Altes Land und Buxtehude in der vergangenen Woche zehn Lebendfallen mit Fallenmeldern zur Verfügung gestellt.

59 Hektar Blühstreifen haben die Jäger im vergangenen Jahr angelegt und damit „Inseln der Biodiversität geschaffen“. Die Kooperation zwischen Landwirtschaft und Jägerschaft sei erfolgreich und werde fortgeführt.

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3340 Kinder und Erwachsene haben das Mobil „Lernort Natur“, unter anderem ausgestattet mit sehenswerten Tierpräparaten, bei 32 Veranstaltungen in Augenschein genommen. 143 Jäger waren damit kreisweit unterwegs.

Die Anzahl der Wolfsrudel in Niedersachsen ist von 14 in 2017 auf 22 in 2018 angestiegen, berichtete Wenzel. Selbst Naturschützer hätten sich jüngst für die Entnahme von Problemwölfen ausgesprochen. Bei vielen Nutztierrissen habe der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz die Proben noch immer nicht analysiert. Die Jäger hätten Verständnis für die Frustration der Schäfer. Die Verzögerungen seien „sachlich nicht nachvollziehbar“.

Wenzel drang auf eine bundeseinheitliche Regelung zur Verwendung von Schalldämpfern bei der Jagd.

Beim Jagdlichen Schießen erreichten Mitglieder der Kreisjägerschaft Plätze auf dem Treppchen bei der Deutschen Meisterschaft. Die Jäger haben ihren Schießstand in Ohrensen modernisiert. Die Anlage werde stark frequentiert. Die Jagdhornbläser der Kreisjägerschaft sorgten für die musikalische Untermalung der Veranstaltung.

Ehrungen

Vorsitzender Dr. Martin Wenzel verlieh die Verdienstnadel der Landesjägerschaft Niedersachsen in Bronze unter anderem an den ausgeschiedenen Obmann und Schriftführer Burghard Fischer, den ehemaligen Stader Hegeringleiter Hermann Hintelmann und den ehemaligen Hollenbecker Hegeringleiter Joachim Mehrkens. Die Verdienstnadel der Landesjägerschaft in Silber ging an den scheidenden Schatzmeister Martin Meyer. Der stellvertretende Vorsitzende und Fachobmann für das Schießwesen, Erwin Eichel, erhielt die Ehrennadel des Deutschen Jagdverbandes in Silber. Die Versammlung bestätigte ihn einstimmig im Amt. Seit 46 Jahren gehört er dem Vorstand der Kreisjägerschaft an.

Nutria bedroht Deichsicherheit

Die Nutria ist der neue Wolf: Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts vom Deichverband der II. Meile des Alten Landes erläuterte in seinem Vortrag, welche Folgen der Tunnelbau des ursprünglich aus Südamerika stammenden „Schädlings“ für die Deichsicherheit haben kann. „Uns gehören die Deiche“, betonte er. Der Verband mit seinen 16 000 Mitgliedern trage die Verantwortung für Kontrolle und Pflege der Deiche und habe den Hut in Sachen Deichverteidigung auf. Die Deiche in der II. Meile des Alten Landes böten 50 000 Menschen Schutz. Entsprechend besorgniserregend sei die ansteigende Nutria-Population. Die Nutria ist eine Biberratte.

Im Alten Land gab es seit Herbst 2018 13 Abschüsse. Ein Video dokumentiert die Existenz einer siebenköpfigen Nutria-Familie, die nur wenige Hundert Meter vom Deich entfernt lebt und noch nicht erlegt worden ist. „Sie pflanzt sich fort“, warnte Ulferts.

Die Population im Kreis wachse enorm schnell: 2014 gab es zwei Abschüsse in einem Revier, 2018 165 in 20 Revieren. Besonders betroffen sind Zahlen der Kreisverwaltung zufolge in der Region Kehdingen/Oste der Jagdbereich Gräpel mit 49 Abschüssen im vergangenen Jahr, der Jagdbereich Brobergen mit 24 Abschüssen, der Jagdbereich Hamelwörden mit zwölf Abschüssen und der Jagdbereich Drochtersen-Wischhafenersand mit zehn Abschüssen.

Aus einem kleinen, von der Nutria gegrabenen Loch oberhalb der Wasserlinie würden rasch große Abbrüche und Ausspülungen, sagte Ulferts. Ihre Gänge seien 30 bis 40 Zentimeter tief und in ihrer Dimension mit dem bloßen Auge oft nicht zu erahnen. „Sie fressen sich auch durch die Schutzgebiete und machen daraus Sümpfe“, wusste der Oberdeichrichter zu berichten. An den Obstbäumen zerkauen sie die Rinde.

Die Schäden einer Nutria-Familie in einem Deichabschnitt seien schnell im fünfstelligen Bereich. Die Tunnel seien auch eine Gefahr für die Landwirtschaft: Die Traktoren könnten im Boden versacken, die Fahrer seien in höchster Gefahr. Die Bekämpfung der Nutria-Ausbreitung sei eine „gemeinsame Aufgabe“ von Deich- und Unterhaltungsverbänden, Landwirten und Jägern. „Engagieren Sie sich in unser aller Interesse“, sagte Ulferts in Richtung der Jäger.

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