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Immer wieder Autos im Kanal

Der Renault Clio wird aus dem Kanal geborgen. Foto: Beneke

Der Renault Clio wird aus dem Kanal geborgen. Foto: Beneke

Immer wieder verunglücken Autos an der Kreisstraße 12 zwischen Kajedeich und Dösemoor. Regelmäßig landen Fahrzeuge im Graben. Die Polizei zählt zehn Unfälle in fünf Jahren. Kommunalpolitiker fordern bauliche Veränderungen.

Von Daniel Beneke Mittwoch, 11.10.2017, 13:50 Uhr

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Der Pressesprecher der Polizeiinspektion Stade, Rainer Bohmbach, sagt nach einer Recherche in den Ermittlungsakten: „Die Strecke ist kein Unfallschwerpunkt.“ Dass in dem Bereich zwischen Mitte April 2012 und Mitte April 2017 zehn Unfälle registriert sind, deute zwar auf den ersten Blick auf einen gefährlichen Abschnitt hin. Doch im kreisweiten Vergleich falle die Kreisstraße zwischen Kajedeich und Dösemoor nicht negativ auf. Ein bis drei Unfälle pro Jahr sind für die Polizisten kein Grund zur Sorge.

15 Fahrzeuge waren an den Unfällen in Oederquart beteiligt: ein Lieferwagen und 14 Pkw. Meist blieb es bei Verletzten. 2012 kamen zwei Fahranfänger ums Leben. Sie waren mit ihrem Auto von der Straße abgekommen, in den Kanal gerutscht und gegen eine Brücke geprallt. Die Unfälle seien sehr unterschiedlich abgelaufen, sagt Bohmbach. Sechs Mal war nicht angepasste Geschwindigkeit die Ursache, zwei Mal Fehler beim Überholen. Aber auch Vorfahrt-Verstöße oder missglückte Abbiege-Manöver sind in der Statistik verzeichnet. Zwei Mal verstießen Autofahrer gegen das Rechtsfahrgebot. Sie steuerten ihre Wagen mittig auf der unebenen Fahrbahn und provozierten damit Unfälle.

„Es ist in der Regel der Mensch, der den Unfall verursacht – und nicht die Straße“, sagt Bohmbach über die Situation in Oederquart. Lediglich ein Unfall ist auf eine Verunreinigung auf dem Asphalt zurückzuführen. „Die Geschwindigkeit spielt hier eine wichtige Rolle“, weiß der Polizeisprecher. Er ruft die Autofahrer dazu auf, ihr Tempo „sowohl an die Straßen- wie an die Witterungsverhältnisse anzupassen“. Gerade an den regnerischen Herbsttagen mit schlechter Sicht, Wasser und Laub auf den Straßen gilt daher: Fuß vom Gas. Sieben Unfälle zwischen Kajedeich und Dösemoor ereigneten sich bei trockener Straße, nur drei auf feuchter Fahrbahn. Vom Fahranfänger bis zum Senior finden sich alle Altersgruppen in der Liste der Beteiligten. Die Notwendigkeit konkreter baulicher Veränderungen gibt es aus Sicht der Polizei deshalb nicht.

Der Anwohner Christoph Kruse vor der Unfallstelle: Er springt ins Wasser und befreit die Fahrzeuginsassin aus dem Wrack. Foto: Beneke

Der geistesgegenwärtige Einsatz von Anwohner Christoph Kruse verhinderte am Mittwoch vergangener Woche Schlimmeres. Der CDU-Ratsherr wohnt in der Nähe der Unfallstelle. Er sah eine Menschentraube an der Kreuzung der Kreisstraße zu Schoolstieg und Freiburger Weg. Erst dadurch erfuhr er von dem Unglück. Kurzerhand eilte er zum Kanal. Anders als weitere Autofahrer, die an der Unfallstelle angehalten hatten und ratlos auf das Wrack blickten, handelte er: Kruse sprang in den Moorfluter und befreite das Unfallopfer Anja John aus dem Wrack.

Auf der TAGEBLATT-Facebook-Seite erhielt er dafür viel Lob. „Die Resonanz war echt groß“, sagt der Ersthelfer, dessen Mobiltelefon bei der Rettungsaktion abgesoffen ist. Die Fahrerin des unverschuldet in den Graben geschleuderten Wagens hat sich bei ihm persönlich bedankt. „Erschreckend“ findet Kruse, dass andere Autofahrer zwar anhielten, aber nicht halfen. „Wichtig ist, dass die Leute auch aktiv werden“, sagt der Anwohner. Er beobachtet das Verkehrsgeschehen an der Kreisstraße mit Skepsis.

„Hier wird sehr schnell gefahren“, weiß Kruse. „Ich finde es beängstigend, wenn Wasser im Graben ist und ständig Autos hineinrutschen. Das ist schon eine Gefahr.“ Erst im Frühjahr war einige hundert Meter von der jüngsten Unfallstelle entfernt ein Wagen in den Kanal gerauscht. Mit dem Unfall in der vergangenen Woche sind es dann schon zwölf Unfälle in fünf Jahren. Dass Bürgermeister Professor Dr. Jörg Oldenburg (CDU) bauliche Veränderungen an der Strecke anregt, unterstützt Kruse. Womöglich könnten, zumindest im Kreuzungsbereich, Leitplanken helfen.

Straßenbaulastträger ist der Landkreis Stade. „Es sind keine baulichen Veränderungen geplant“, sagt Behördensprecher Christian Schmidt. Die Verkehrsunfallkommission habe an der Kreisstraße 12 zwischen Kajedeich und Dösenmoor „kein besonders auffälliges Unfallgeschehen“ festgestellt. Deshalb sehe die Verwaltung aktuell keinen Anlass, dort einzuschreiten.

Dass Autos im Kanal landen, kommt immer mal wieder vor. „Wir haben viele wasserführende Gräben an den Straßen“, weiß Polizeisprecher Rainer Bohmbach. Die Krux: Ist der Wasserstand hoch, steigt die Gefahr, dass die Insassen die Türen nicht mehr alleine öffnen können. Deshalb empfiehlt er Fahrzeughaltern, sich im Autofachhandel einen Nothammer zuzulegen, wie sie etwa in Bussen und Bahnen vorhanden sind. Damit lassen sich die Seitenscheiben einschlagen und dadurch zusätzliche Fluchtwege schaffen. Die kleinen Geräte gibt es kombiniert mit einem Gurtschneider. Das sogenannte Einhandmesser kann eine große Hilfe sein, wenn sich der Gurt nicht mehr aus dem Schloss lösen lassen sollte. Die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft rät, Nothammer und Gurtschneider mit Klettband am Armaturenbrett zu befestigen, um sie im Ernstfall griffbereit zu haben. Liegt ein Auto in einem Graben oder Fluss, dauert es nur wenige Minuten, bis sich der Innenraum mit Wasser füllt. www.dlrg-horneburg.de

Der Anwohner Christoph Kruse vor der Unfallstelle: Er springt ins Wasser und befreit die Fahrzeuginsassin aus dem Wrack. Foto Beneke

Der Anwohner Christoph Kruse vor der Unfallstelle: Er springt ins Wasser und befreit die Fahrzeuginsassin aus dem Wrack. Foto Beneke

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