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Mahnwache vor LPT-Zentrale in Neugraben

Stiller Protest gegen LPT-Versuchslabor

Morgens in der Dunkelheit treffen sich die Teilnehmer der Mahnwache vor der Zufahrt zum LPT-Hauptsitz . Sie wollen Mitarbeiter und Anwohner wachrütteln. Fotos: Beneke

Morgens in der Dunkelheit treffen sich die Teilnehmer der Mahnwache vor der Zufahrt zum LPT-Hauptsitz . Sie wollen Mitarbeiter und Anwohner wachrütteln. Fotos: Beneke

Seit sechs Jahren treffen sich Tierschützer frühmorgens vor dem Hauptsitz des Laboratory of Pharmacology and Toxicology (LPT) in Neugraben. Mit einer stillen Mahnwache wollen sie Anwohner und Passanten über das Leid der Tiere aufklären, die in den Versuchslabors zu Tode kommen.

Montag, 28.10.2019, 19:15 Uhr

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Morgens um 6 Uhr ist es ruhig am Redderweg in Neugraben. Hier, an der Ecke zur Francoper Straße, befindet sich die Zufahrt zur Tierversuchsanstalt LPT – mitten in einem bürgerlichen Wohngebiet. Ein kleines Schild mit den drei blauen Buchstaben auf weißem Grund ist der einzige Hinweis auf das umstrittene Unternehmen, das seit Jahrzehnten im Süden Hamburgs seinen Sitz hat. Später kamen Außenstellen in Rade-Mienenbüttel im Landkreis Harburg in Niedersachsen und in Wankendorf im Landkreis Plön in Schleswig-Holstein hinzu.

Eine Gruppe Tierschützer hat Dutzende Grablichter am Rand des Gehwegs aufgestellt und Plakate aufgehängt. „Tierversuche abschaffen“, ist darauf zu lesen oder „Experimente sind grausam“. Auf einem Banner ist eine leidende Maus zu sehen. „Wir leiden wie du“, steht darunter. Gemeinsam mit der Mienenbütteler Initiative Lobby pro Tier kämpfen die Hamburger Aktivisten für ein Verbot von Tierversuchen und einen Ausbau der tierversuchsfreien Forschung. Sie wollen erreichen, dass das Labor auf Alternativen umsteigt. Ihre Mahnwachen sind als Demonstrationen angemeldet, eine Polizeistreife schaut regelmäßig vorbei.

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Der Rentner Horst Plohnke gehört zu den Initiatoren der Kampagne. Seit sechs Jahren stehen er und seine Mitstreiter an zwei Tagen in der Woche morgens von 6 bis 8 Uhr vor der LPT-Zentrale, auch bei Regen oder Frost. Sie wollen mit Anwohnern und Mitarbeitern ins Gespräch kommen, für ein Ende der Tierversuche werben. Ob Nachbarn, die auf dem Weg zum Bäcker sind, oder Eltern, die ihre Kinder in die nahegelegene Kindertagesstätte bringen – für die Passanten hat der 80-Jährige Flyer gedruckt. Darin informiert er, dass 2,8 Millionen Tiere jedes Jahr für Versuche sterben: in der Grundlagenforschung, für Arznei-, Nahrungsergänzungs- oder Pflanzenschutzmittel.

Horst Plohnke ist dem Verein Soko Tierschutz dankbar für die Enthüllungen. „Endlich wird aufgedeckt, was bei LPT tatsächlich los ist“, sagt er. Nach Gesprächen mit Mitarbeitern hätten die Tierschützer zwar ahnen können, wie es im Labor aussieht. Die grausamen Aufnahmen von leidenden Hunden, Katzen und Affen hätten aber alle Vorstellungen der Gräuel übertroffen. In den vergangenen Jahren drangen wenige Informationen über die Arbeit in Neugraben und den Außenstellen nach draußen. Mehrere Anfragen der Grünen in der Bezirksversammlung förderten zwar Zahlenmaterial zutage, die Arbeit der LPT-Mitarbeiter im Detail blieb jedoch im Dunkeln. Für die Tierschützer ist erwiesen, dass Ergebnisse der Tierversuche ohnehin nicht auf den Menschen übertragbar sind.

Das LPT ist eine der größten Tierversuchsanstalten in Deutschland. Gegenüber Medien und Öffentlichkeit schottet sich das Unternehmen hermetisch ab. Interviews gibt es grundsätzlich keine, Rechercheanfragen laufen ins Leere. Inzwischen hat das Unternehmen auch seine Internetseite umgestaltet. Waren auf der englischsprachigen Seite einst genaue Informationen zu den durchgeführten Tests einsehbar, kann dieser Teil der Webseite nun nur noch von Insidern mit speziellen Zugangsdaten geöffnet werden. Seit kurzem stehen Wachleute an der Zufahrt zur Zentrale, öffnen und schließen das Tor vor und nach jedem Mitarbeiter, der hinein kommt. Ein hoher Zaun mit Stacheldraht umgibt das riesige Areal mit den Flachdachbungalows.

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Manche Angestellte grüßen, andere senken den Kopf. Einige rasen mit ihren Autos dicht an den Tierschützern vorbei. Beinahe jeden Morgen komme es zu brenzligen Szenen, erzählen sie. Davon wollen sie sich jedoch nicht abschrecken lassen. Immer wieder stoßen auch neue Gesichter dazu – einige Teilnehmer der Mahnwache kommen jedes Mal, andere nur ein oder zwei Mal im Monat. Jeder eben so, wie es gerade passt. Nach den Enthüllungen in der vergangenen Woche und der Demonstration am Sonnabend sind diesmal 15 Teilnehmer dabei. Der Rückhalt von Anwohnern und Passanten und nicht zuletzt freundliche Kommentare auf der Facebook-Seite der Gruppe geben den Aktivisten Kraft. Viele Auto- und Busfahrer grüßen.

„Wir werden jetzt richtig wahrgenommen“, freut sich eine Teilnehmerin, die in Horneburg wohnt und sich auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz in Finkenwerder dem friedlichen und stillen Protest angeschlossen hat.

„Ich habe mir anfangs beim Blick auf das LPT-Schild gar nichts dabei gedacht“, sagt eine Neugrabenerin, die seit eineinhalb Jahren bei fast jeder Mahnwache dabei ist. „Hier im Wohngebiet – was soll das schon Schlimmes sein?“ Dann las sie in der Zeitung von den Tierversuchen in ihrer Nachbarschaft – und begann, sich zu engagieren. Die Anwohnerin zeigt sich betroffen von den Undercover-Aufnahmen. „Ich versuche, nicht hinzugucken. Sie verfolgen mich nachts im Traum“, sagt die Frau. „Der Mitarbeiter, den die Soko Tierschutz eingeschleust hat, ist ein Held für uns.“

Die Aktivisten verbindet die Liebe zu den Tieren und eine große Portion Idealismus. Über das Internet haben sie sich zusammengefunden, informieren auf einer Facebook-Seite über ihr Engagement. Mit viel Enthusiasmus gestaltet das Team die Mahnwachen – zwei Mal in der Woche. Plakate und Flyer sind selbst gestaltet, Dutzende Lichter müssen allmorgendlich transportiert und aufgestellt werden. „Wir machen weiter“, sagt Horst Plohnke. Auch in Mienenbüttel gibt es inzwischen regelmäßig Mahnwachen vor der Firmenzufahrt.

www.facebook.com/lptmahnwache

 

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