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Gedenkstätte Sandbostel: Helfer sind willkommen

Gedenkstättenleiter Andreas Ehresmann (links) und Stiftungsvorsitzender Detlef Cordes freuen sich, dass weitere Gebäude inzwischen begehbar gemacht werden konnten. Fotos: Schmidt

Gedenkstättenleiter Andreas Ehresmann (links) und Stiftungsvorsitzender Detlef Cordes freuen sich, dass weitere Gebäude inzwischen begehbar gemacht werden konnten. Fotos: Schmidt

Gedenkstättenarbeit ist komplex und wird in Sandbostel trotz großer Herausforderungen mit einem sehr kleinen Team mit Erfolg geleistet. Und auch baulich hat sich in jüngster Zeit einiges getan auf dem Gelände.

Mittwoch, 11.10.2017, 18:19 Uhr

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Von Thomas Schmidt

Tausende Besucher jedes Jahr, zahlreiche Führungen und Abendveranstaltungen, historische Forschung, Friedenspädagogik, Angehörigenbetreuung und vieles mehr: Ein Rundgang mit Gedenkstättenleiter Andreas Ehresmann und Detlef Cordes, Vorsitzender der Stiftung Lager Sandbostel.

Besonders froh sind Cordes und Ehresmann, dass die Entrümpelung und Bewuchs-Beseitigung auf dem so genannten „Edelmann“-Restgrundstück jetzt so weit abgeschlossen ist, dass die Struktur dieses Lagerteils noch besser erkennbar ist. „Wir haben das 1,5 Hektar große Gelände jetzt gut in die bisherige Gedenkstätte integriert“, sagt Ehresmann. „Viele Container Müll, eingewachsene Zäune und Steine mussten beseitigt und Bäume gefällt werden“, sagt Cordes. Erfreulich sei auch, dass viele Baracken gesichert werden konnten und jetzt auch außerhalb der Öffnungszeiten der Gedenkstätte wieder begehbar sind, da Stolperfallen und Einsturzgefahren beseitigt wurden, ergänzt Ehresmann mit Blick auf die Maßnahmen, die mit vielen ehrenamtlichen Helfern, aber auch mit Mitteln der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der Hermann-Reemtsma-Stiftung umgesetzt wurden.

Ein großer Schritt nach vorn, sind sich Ehresmann und Cordes einig, sei auch die Herrichtung der ehemaligen katholischen Kirche aus der Zeit des Notaufnahmelagers für jugendliche Flüchtlinge aus der DDR. So steht den Machern der Gedenkstätte ein großer Veranstaltungsraum zur Verfügung, in dem auch 100 Besucher untergebracht werden können. Zurzeit prüfen Ehresmann und Cordes, inwieweit es möglich ist, den Raum auch zu beheizen. „Damit hätten wir ein drittes beheizbares Gebäude – und den ersten größeren Versammlungsraum mit Heizung“, beschreibt Ehresmann die Notwendigkeit der Maßnahme. Denn im beheizbaren Foyer des Hauptgebäudes hätten nur mit Mühe und Not etwa 60 Personen Platz.

Hunderte von Schülern hätten geholfen, die ruinösen Steingebäude aus- und aufzuräumen, weist Ehresmann auf ein weiteres Projekt hin. „Auch die ehemalige Lagerküche wird immer besser nutzbar: Dafür sind wir unter anderem der Mobilen Truppe der Jugendbauhütte Stade dankbar, die jetzt auch die letzte Öffnung der Lagerküche geschlossen hat“, erklärt Ehresmann.

In einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Kirchengemeinde Selsingen, Gemeinde Sandbostel und Gedenkstätte und mit Mitteln aus der ZILE-Förderung wird zurzeit eine Toilettenanlage in der ehemaligen Lagerküche gebaut. „Damit ist die Zeit der Dixie-Klos bei Gedenkveranstaltungen vorbei“, freut sich Ehresmann. „Bis Ende Oktober hoffen wir, damit fertig zu sein.“ So steht auch außerhalb der Öffnungszeiten eine Toilette zur Verfügung, was auch für die Nutzung der evangelischen Lagerkirche in unmittelbarer Nähe von großer Bedeutung sei.

Als laufenden und stetig wachsenden Prozess bezeichnen Ehresmann und Cordes ihr Bemühen, die Beschilderung auf dem Gelände zu optimieren und ein Leitsystem auf den Weg zu bringen, damit sich Besucher auch außerhalb der Öffnungszeiten besser orientieren können. „So was braucht seine Zeit. Es gibt jede Menge zu tun und wir sind hier nur wenige Leute“, bittet Ehresmann um Verständnis, wenn mal bestimmte Wünsche an die Gedenkstätte herangetragen und nicht rasch umgesetzt werden. „Denn was viele Besucher der Gedenkstätte verkennen“, erläutert Ehresmann weiter, sei der große Aufwand des täglichen Geschäfts – von der Angehörigenbetreuung bis zur Geländeunterhaltung. So müssen alle zwei Wochen die riesigen Rasenflächen gemäht werden, was allein drei Tage in Anspruch nehme und mehr oder weniger ehrenamtlich geleistet werden müsse.

Und dann sei da noch der immer bedeutsamer werdende „nicht sichtbare Teil der Gedenkstättenarbeit“, den Ehresmann und Cordes systematisch ausbauen und weiter professionalisieren wollen: „Unser Archivar Ronald Sperling leistet beim Aufbau von Bibliothek und Archiv eine hervorragende Arbeit.“ Es sei bereits so viel Archivmaterial nutzbar gemacht worden, dass Teile der Bibliothek ins „Haus Altenberg“ ausgelagert werden mussten. Doch ein Ende dieser Aufgabe sei nicht in Sicht, da immer mehr Material hinzukomme.

Deshalb hoffen Ehresmann und Cordes, dass die zum Jahresende auslaufende Stelle von Sperling entfristet wird. Gedenkstättenarbeit sei komplex und stehe auf vielen Säulen, sagt Ehresmann und nennt die wichtigsten: „Erinnern und Begleitung bei der Trauerarbeit, Vermitteln in gedenkstättenpädagogischen Projekten und öffentlichen Rundgängen, Bewahren des Ortes, Sammeln, Dokumentieren und Forschen.“ „Zunehmend machen Studentinnen und Studenten hier ihre Abschlussarbeiten“, sagt Ehresmann. Dieser Ort werde immer mehr zu einem modernen zeitgeschichtlichen Museum mit besonderen Aufgaben und gerade die Betreuung der Angehörigen von Opfern sei eine wichtige, aber auch zeitintensive Aufgabe: Von 1939 bis 1945 waren mehrere hunderttausend Kriegsgefangene aus 55 Nationen – und gegen Kriegsende auch KZ-Häftlinge – im Stalag XB. Tausende starben durch Zwangsarbeit, menschenunwürdige Behandlung und katastrophale Bedingungen und unmittelbare Gewalt – jede Woche gibt es Angehörige, die vor diesem Hintergrund etwas über ihre Väter oder Großväter zu erfahren hoffen.

Angesichts wachsender Aufgaben hoffen Cordes und Ehresmann auf weitere Helfer: „Vom ehrenamtlichen Guide bis hin zum Menschen mit Hausmeisterfähigkeiten. Jeder, der mithelfen möchte, ist willkommen“, betonen Cordes und Ehresmann.

Die Friedenspädagogik der Gedenkstätte wird auch überregional wahrgenommen. So hat der Verein „Gegen Vergessen. Für Demokratie“ das vom Friedenspädagogen Michael Freitag-Parey initiierte Grundschulprojekt „Wir müssen reden“ nach Hannover zur Vorstellung des Konzepts eingeladen.

Vom 21. bis 26. Februar bietet die Friedensarbeit der Gedenkstätte zusammen mit der Kirchengemeinde Sittensen eine Studienreise nach Auschwitz und Krakau an.

Das nächste Workcamp vom 3. bis 14. Juli 2018 in Sandbostel/Oese wird zurzeit geplant. Das Workcamp richtet sich an Jugendliche aus ganz Europa. Anmeldung: Rufnummer 0 47 64/ 2 25 48 10. E-Mail-Adresse michael.freitag-parey@fub-oese.de.

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