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Deichbrand-Abschluss im Schlamm – Staderinnen berichten

Die Deichbrand-Besucher, die am Sonntag bleiben, liefern sich unter anderem eine Schlammschlacht. Foto: Philipp Overschmidt

Die Deichbrand-Besucher, die am Sonntag bleiben, liefern sich unter anderem eine Schlammschlacht. Foto: Philipp Overschmidt

„Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung“ - keinen Spruch hat man auf dem Deichbrand-Festival nahe Cuxhaven am Sonntag öfter gehört. Trotz Regen und Schlammschlacht geht die Party weiter. Doch nicht alle halten durch. Mittendrin: zwei Staderinnen.

Montag, 24.07.2023, 06:00 Uhr

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Von Vanessa Grell, Wiebke Kramp, Heike Leuschner, Matthias Berlinke und Jan Iven

Nun stehen sie an der Haltestelle im Schlamm und warten auf den Bus. „Wir wollten eigentlich noch einen Tag bleiben“, sagt die 19-jährige Magda Land aus Hamburg. „Aber unser Zelt hat nicht mehr dichtgehalten.“ Sie trägt eine zugeknöpfte Regenjacke gegen den heftigen Schauer. Den Schlafsack hält sie unterm Arm. Mit nassem Schlafsack und Klamotten, dazu einer erkälteten Freundin, geht es nun doch schon einen Tag eher als geplant nach Hause zurück.

Bei Regen, Schlamm und einem abwechslungsreichen Musikprogramm haben Deichbrand-Gäste am Sonntag den Abschluss des Open-Air-Festivals gefeiert. Am vierten und letzten Festivaltag erwartete die rund 60.000 Besucherinnen und Besucher unter anderem der Rapper Marteria und die Gruppe Beatsteaks auf den Hauptbühnen des Festivals auf dem Seeflughafen Nordholz bei Cuxhaven.

Wegen des nassen Wetters ergriffen viele Besucher schon am Sonntag die Flucht. „Das ist ein bisschen schade, weil wir noch gern Marteria gesehen hätten“, sagt Magda Land zu ihrem Entschluss. Trotzdem ist die Laune bei ihr und ihren drei Freunden erstaunlich gut. „Das Festival war sooo toll“, sagt sie. „Die Konzerte waren genial, vor allem von KIZ, Disarstar und Conny.“ Das ausverkaufte Festival sollte in der Nacht von Sonntag auf Montag enden.

Magda Land (19, links) aus Hamburg reist mit Gruppe früher ab wegen undichtem Zelt. Foto: Jan Iven

Magda Land (19, links) aus Hamburg reist mit Gruppe früher ab wegen undichtem Zelt. Foto: Jan Iven

Deichbrand: Besucher flüchten vor Regen, Autos fahren sich fest

„Das war eine sehr nasse Nacht”, schrieb das Festivalteam am Sonntagvormittag auf Instagram und empfahl, so spät wie möglich oder erst am Montag abzureisen. 

Autos blieben ab Sonntagmittag im schlammigen Boden stecken und mussten mit Treckern befreit werden. „Die Situation ist schwierig”, sagte Stephan Herz, Sprecher der Polizeiinspektion Cuxhaven. Der Veranstalter tue sein Möglichstes, Ein- und Ausfahrten zu befestigen. Viele ließen sich abholen, die Autos verstopften die Straßen zusätzlich. Der Verkehr kam zum Erliegen.

Sowohl auf den Parkplätzen, als auch in den Wohnmobil-Camps sorgten die durchnässten und rutschigen Wege dafür, dass sich viele Abreisende festfuhren und von der Verkehrscrew herausgezogen werden mussten. Einige Wohnmobile steckten so unglücklich im tiefen Matsch, dass sie von den schweren Schlepptreckern nicht erreicht werden konnten. Hier setzte die Polizei sogar Quads ein, um die Wohnmobilisten aus dem Morast zu befreien.

Trecker waren im Einsatz, um die festgefahrenen Pkw zu befreien. Foto: Arnd Hartmann

Trecker waren im Einsatz, um die festgefahrenen Pkw zu befreien. Foto: Arnd Hartmann

„Wir arbeiten im engen Zusammenwirken mit allen Beteiligten daran, den Abreiseverkehr schnellstmöglich zu verbessern“, so die Polizei.

Außerdem hatten viele Besucher sichtlich Probleme beim Transportieren ihres Gepäcks. Koffer und Bollerwagen mussten durch tiefe Schlammfurchen gezogen werden und blieben teilweise stecken.

Erst am gegen Abend entspannte sich die Situation. Auch nach dem letzten Auftritt von Materia gegen 1 Uhr nachts blieb es trotz der Dunkelheit ruhig. "Es ging", sagte Stephan Hertz. Mehrere Schlepper stünden auch am Montagmorgen bereit, um die letzten Abreisenden durch die überflutete Parkplatzeinfahrt zu bekommen.

Ein Lob der Polizei gab es für die Deichbrand-Organisatoren: „Die tun alles, um die Parkflächen befahrbar zu machen.“

Der Verkehr rund um Wanöden kam ab Sonntagmittag nahezu zum Erliegen. Foto: Hartmann

Der Verkehr rund um Wanöden kam ab Sonntagmittag nahezu zum Erliegen. Foto: Hartmann

Polizei und Johanniter ziehen Bilanz beim Deichbrand-Festival 2023

„Insgesamt sehr friedlich und weitgehend störungsfrei“, lautete das Zwischenfazit der Polizeiinspektion Cuxhaven zum Deichbrand-Festival am frühen Sonntagabend. Bis dahin hatte die Polizei rund 80 Straftaten aufgenommen. Es habe sich dabei um „festivaltypische“ Delikte wie das Erschleichen von Leistungen, Diebstähle, einfache Körperverletzungen und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz gehandelt.

Rund 700 ehrenamtliche Einsatzkräfte der Johanniter-Unfall-Hilfe versorgten die Feiernden auf dem Festival medizinisch, teilte der Landesverband Niedersachsen/Bremen mit. Für die Johanniter hatte das Wetter einen Vorteil: "Durch den Regen hatten wir keine Hitze-Notfälle", freute sich Sprecher Oliver Bruse. Mit Stand vom Sonntagmorgen hatten die Johanniter 2570 Patienten. "Zwei Drittel davon waren kleinere Fälle wie Blasen an den Füßen, Pflaster oder andere kleine Wunden", so Bruse. Ein Drittel seien schwerwiegendere Verletzungen wie Prellungen, Fälle wegen Alkoholkonsums oder Kreislaufprobleme gewesen.

Etwa 80 Festival-Besucher mussten in umliegende Krankenhäuser gebracht. Fazit des Johanniter-Sprechers: "Wir sind mit der Gesamtsituation zufrieden."

Hinterlassenschaften einer vorzeitigen Abreise. Foto: Hartmann

Hinterlassenschaften einer vorzeitigen Abreise. Foto: Hartmann

Das berichten zwei Staderinnen vom Deichbrand-Festival in Nordholz/Cuxhaven

Auf ihre vorzeitige Abreise warteten am Sonntag auch die Staderinnen Paula Beckmann (18) und Tina Alshut (19). Ein Vater sollte die beiden abholen. Doch der stehe noch im Stau. „Das Deichbrand-Festival war so mega“, sagte Paula. „Außer der Regen vielleicht. Aber es gibt kein schlechtes Wetter. Nur schlechte Kleidung. Einfach Gummistiefel anziehen und weitertanzen.“

Die Abreise sei geplant gewesen und hatte nach eigenem Bekunden nichts mit dem Regen zu tun. „Wir wollten vor allem Juju, Alexander Marcus und die Broilers sehen. Viele andere Bands kennen wir gar nicht“, sagen die jungen Frauen, die zum ersten Mal auf einem Festival waren. Den Rapper Kontra K hätte sie auch gern gesehen. „Aber der kam erst nach Mitternacht. Da waren wir schon zu müde“, sagte Paula.

Barfuß oder Gummistiefel Marke Eigenbau. Foto: Jan Iven

Barfuß oder Gummistiefel Marke Eigenbau. Foto: Jan Iven

Als weiteres Highlight auf dem Deichbrand-Festival nannte Paula das Essen: „Das war total super. Vor allem der Döner war super lecker.“ Die nicht ganz günstigen Preise schreckten die beiden nicht. „Das ist nun mal so auf einem Festival. Damit muss man rechnen“, sagte Paula. Meckern möchte sie deswegen nicht. Allerdings störte sie, dass der Weg vom Festivalgelände zur Straße im Schlamm versunken war. „Da könnte man noch mehr Platten legen oder zumindest Sägespäne streuen. Das ging an anderer Stelle ja auch gut.“ 

Festivalgelände beim Deichbrand verwandelt sich in eine Matsch-Arena

Ab Sonnabendmittag regnete es beim Deichbrand 2023 durchgängig. Die ersten Zelte und Pavillons hielten dem Wasser nicht mehr stand. Die Böden und Wege waren schnell aufgeweicht.

Neben den Regenponchos, die den Körper trocken halten sollten, mussten die Festival-Besucher sich auch Gedanken um ihre Füße machen. Viele hatten nur Sneaker (Turnschuhe) dabei, die dem Regen nicht standhalten konnten und schnell durchnässten. Einige griffen zu den Schuhüberziehern aus dem Aldi. Andere wurden kreativ: So sah man Regenponchos oder Aldi-Tüten, die mit Gaffa-Tape um die Schuhe gewickelt waren. Damit ließen sich auch die Konzerte einigermaßen trocken überstehen.

The BossHoss und Jan Delay trotzen dem Regen beim Deichbrand

Trotz der großen Abreisewelle am Sonntag war vor den Bühnen noch einiges los. The BossHoss spielten auf der Water Stage. „Das Wetter ist super, was? Danke, dass ihr trotz des Regens noch da seid“, rief Alec „Boss Burns“ Völkel den feiernden Fans zu, die durchhielten und im Regen tanzten. Viele in Gummistiefeln und Regenjacke. 

Und der Hamburger Sänger Jan Delay wird später bei seinem Auftritt sagen: „Sogar auf unserer Setliste ist Schlamm. Das ist der Beweis: Wir waren bei Deichbrand.“

Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung: Der anhaltende Regen am Wochenende hält diese Feierwütigen nicht von den Konzerten ab. Foto: Keck

Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung: Der anhaltende Regen am Wochenende hält diese Feierwütigen nicht von den Konzerten ab. Foto: Keck

Einkauf bei Aldi auf dem Deichbrand 2023: Das sind die Top-10-Artikel

Und was war das Beste am Festival? „Der Aldi“, rief ein Festival-Besucher. Alle 30 Minuten wurde dort im Kühlraum eine Party mit lauter Musik gefeiert. Das kam tatsächlich bei einigen Besucher ziemlich gut an. „Die veganen Würstchen sollten ins Sortiment aufgenommen werden. Wir haben uns fast nur davon ernährt“, sagte Magda Land müde, aber zufrieden.

Filialleiter Dennis Boczek zog folgende Bestseller-Bilanz beim Festival-Discounter - seine Top 10:

Auch bei Matsch und Regen gilt: nicht die gute Laune verlieren. Foto: Jan Iven

Auch bei Matsch und Regen gilt: nicht die gute Laune verlieren. Foto: Jan Iven

Deichbrand im Regen und Matsch: Wegen des Wetters reisen viele Besucher schon am Sonntag ab. Foto: Philipp Overschmidt

Deichbrand im Regen und Matsch: Wegen des Wetters reisen viele Besucher schon am Sonntag ab. Foto: Philipp Overschmidt

Jan Delay hat bei seinem Auftritt beim Deichbrand-Festival 2023 sogar Schlamm auf der Bühne gefunden. Foto: Arnd Hartmann

Jan Delay hat bei seinem Auftritt beim Deichbrand-Festival 2023 sogar Schlamm auf der Bühne gefunden. Foto: Arnd Hartmann

Im Festival-Discounter feierten die Aldi-Mitarbeiter und die Einkäufer ab. Foto: Keck

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