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Ein Pirat will das Rathaus in Stade entern

Richard Bodo Klaus will Bürgermeister von Stade werden. Klaus ist 52 Jahre alt und wohnt in Stade. Er ist Mitglied der Piratenpartei und sitzt im Kreistag. Bislang ist er der einzige Gegenkandidat von Silvia Nieber (SPD). Zu "Strabs" und Camper Höhe hat er eine klare Meinung.

Von Lars Strüning Dienstag, 10.04.2018, 11:00 Uhr

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Die Piraten geben sich gern unkonventionell. Ihre Kreismitgliederversammlung haben sie am Ostermontag abgehalten – weil dann alle da sind, die nicht im Urlaub weilen, so die Begründung. Einstimmig haben sie Richard Klaus auf den Schild gehoben, mit dem sie in den Bürgermeister-Wahlkampf in Stade ziehen wollen. Die Wahl soll gleichzeitig zur Europawahl stattfinden, wahrscheinlich am 26. Mai 2019. Am 31. Oktober 2019 endet die erste Amtszeit von Silvia Nieber.

Richard Klaus hat 2012 die lokale Politik für sich entdeckt. Er verfolgt zahlreiche Ausschuss- und Ratssitzungen der Stadtpolitik. Sein Mandat gilt für den Stader Kreistag, in dem er mit zwei FDP-Abgeordneten eine Gruppe bildet und als vergleichsweise aktiv gilt. Für die Piraten sitzt Wolf Vincent Lübcke im Rat der Stadt Stade. Auch er ist Mitglied einer Gruppe, in der Stadt besteht sie ebenfalls aus zwei FDP-Vertretern und den beiden Vertretern der UBLS.

Stark gemacht haben sich die Piraten für die Abschaffung der vieldiskutierten Straßenausbau-Beitragssatzung (Strabs). Das hat ihnen in der Region Aufwind gegeben, nachdem die Partei bundesweit in der Versenkung zu verschwinden droht.
Die Forderung nach dem Ende der Beitragspflicht für Anwohner von Straßen, die von der Stadt saniert werden, steht bei Richard Klaus oben auf der Liste zum Wahlprogramm 2019. Die Stadt könne in Zeiten sprudelnder Gewerbesteuer-Quellen gut ohne die Strabs leben, sagt der Bürgermeisterkandidat und rechnet vor: Allein die Mehrkosten beim verzögerten Bau des City-Parkhauses gleichen der Summe aus sechs Jahren Strabs-Einnahmen.

Zweiter Schwerpunkt seines provisorischen Wahlprogramms ist der Städtebau. Klaus will eine Übersicht über den geplanten Sport- und Freizeitstättenbau. In Hagen ist ein neuer Sportplatz geplant, in Ottenbeck und Riensförde auch, der Platz an der BBS an der Glückstädter Straße werde kaum genutzt. Hier sieht der Pirat Abstimmungsbedarf.

Klaus spricht sich gegen Wohnbebauung auf der Camper Höhe aus. Der VfL solle dort weiter Sport treiben, hier könnte ein Doppelspielfeld geschaffen werden. Ansonsten solle die Camper Höhe als Grün- und Erholungsanlage in einen Bürgerpark umgestaltet werden. Bei allen Projekten der Stadt solle Transparenz und frühzeitige Bürgerbeteiligung hergestellt werden.

Zurück zur Person Klaus. Der selbstständige IT-Experte ist in Hollern geboren und wohnt seit den 80er Jahren in Stade. Er sei wertekonservativ, politisch weder rechts noch links einzuordnen. Klaus bemüht ein Zitat: „Ich bin nicht rechts, weil ich denken kann. Ich bin nicht links, weil ich rechnen kann.“ Der Kandidat setzt auf faktenbasierte Politik.

Und worauf dürfen sich die Stader und die Rathaus-Mitarbeiter einstellen, falls er gewählt werden würde? Klaus sagt es in zwei Worten: „Mehr Witz.“ Womit er wohl Esprit meint. Althergebrachtes müsse auf den Prüfstand, neue Ideen brauche die Stadt. Er sagt zum Abschluss: „Wenn die Leute wollen, dass sich was ändert, dann müssen sich auch anders wählen.“

Und die CDU? Die ist noch in Stillhalte-Position. Hinter den Kulissen gibt es viele Gespräche, aber wohl noch nichts Verkündbares. Bis zur politischen Pause in den Sommerferien wollen die Christdemokraten durch sein mit dem Prozedere. Ortsvereinsvorsitzender Oliver Grundmann: „„Wir werden einen Bewerber präsentieren können, der eine breite gesellschaftliche Allianz in Stade hinter sich versammeln wird.“ Grundmann spricht von einem engen Schulterschluss mit der CDU-Fraktion im Rat.

Und die Grünen? Jahrelang haben sie mit Bürgermeisterin Silvia Nieber und der SPD im Rat eine Mehrheit gestellt und die Geschicke bestimmt. Doch seit der jüngsten Kommunalwahl steht Rot-Grün ohne Mehrheit da. Das Verhältnis ist deutlich abgekühlt. Die Grünen suchen eher die Nähe zur CDU, wenn sie ihre Ideen durchsetzen wollen. So sagt Fraktionschefin Dr. Barbara Zurek, dass ihre Partei Nieber nicht unterstützen werde. „Es sind einige Dinge passiert, die das schwierig machen“, sagt Zurek. Ein eigener Kandidat sei derzeit nicht in Sicht. Jetzt warten die Grünen ab, wen die CDU nominiert. Vielleicht wird es auch gar keine Empfehlung geben zur Wahl des Bürgermeisters – oder der Bürgermeisterin in Stade.

Ein Kommentar von Lars Strüning

Damit war nicht zu rechnen: Die Piraten stellen ganz selbstbewusst einen Kandidaten zur Bürgermeisterwahl in Stade auf. Nicht dass Richard Klaus große Chancen hätte, gewählt zu werden, aber die Aufmerksamkeit und damit die PR ist der Partei erst mal sicher. Geschickt spielen die Piraten dabei die Populismus-Karte aus. Straßenausbau-Beitragssatzung und die neue Nutzung der Camper Höhe sind zwei emotionsgeladene Themen in der Stadt, mit denen sich die etablierte Politik schwertut.

Klar ist auch, dass das als Wahlprogramm zu wenig ist, zumal Richard Klaus in Sachen Verwaltungserfahrung nichts vorzuweisen hat. Aber: Quereinsteiger für das Amt des hauptamtlichen Bürgermeisters sind vom Gesetzgeber erlaubt und sogar gewollt. Nur: Die Wähler entscheiden sich meistens für die Fachkraft. Die Piraten machen nicht nur Werbung in eigener Sache, sie lassen auch die CDU alt aussehen. Die bereitet im stillen Kämmerlein ihre Kandidatenauswahl vor. Und ist damit verdammt spät dran.

Vor der Sommerpause soll der Kandidat verkündet werden. Dann sind große Ferien, der politische Betrieb ruht. CDU und Bewerber bleibt die Zeit vom September bis zum Mai 2019. Das ist eine kurze Spanne, um einen Gegenkandidaten so aufzubauen, dass er die Bürgermeisterin von der SPD aus dem Amt jagen könnte. Dass Ortsvereinsvorsitzender Oliver Grundmann in seiner Mitteilung vom engen Schulterschluss mit dem Fraktionsvorstand spricht, lässt Insider müde lächeln. Zwischen beiden Gremien gab es ob verschiedener Vorstellungen über die Vorgehensweise richtig Krach – mit ergebnislosem Mediationsgespräch.

Zurzeit macht es ganz so den Eindruck, als ob die CDU noch nicht fündig geworden ist. Silvia Nieber könnte sich die Hände reiben. Jede Woche ohne ernsthaften Gegenkandidaten steigert ihre Chancen zur Wiederwahl. Wenn da nicht die Grünen wären. Dass die nicht mehr die Genossin unterstützen, ist ein herber Tiefschlag. Allerdings bieten sie auch keine Alternative an. So warten alle auf den CDU-Vorschlag. Überraschungen sind womöglich auch hier nicht ausgeschlossen.

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