Stader Futtermittelinstitut schützt Mensch und Tier

Ina Helberg arbeitet im mikrobiologischen Labor, in dem Futtermittel auf ihren hygienischen Zustand überprüft werden. Fotos von Allwörden
Tierfutter gerät immer wieder in die Schlagzeilen, weil Stoffe darin verarbeitet werden, die Menschen und Tiere krank machen können. Das Land Niedersachsen gründete deshalb das Futtermittelinstitut in Stade. Dort werden verschiedene Futtermittel analysiert. Ein Besuch.
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Unscheinbar erstrecken sich die Bauten aus den 1960er Jahren am Ende des Heckenwegs entlang der Bahngleise. Nur ein kleines Schild verweist auf das, was hinter den Mauern passiert: Futtermittelinstitut Stade. Es gehört zum niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, kurz Laves, mit Hauptsitz in Oldenburg. Zum Laves, das 2001 gegründet wurde, gehören sechs Institute: neben Stade das Institut für Fische und Fischereierzeugnisse in Cuxhaven, die Lebensmittel- und Veterinärinstitute in Oldenburg und Braunschweig/Hannover, das Institut für Bedarfsgegenstände (wie Geschirr und Babyspielzeug) in Lüneburg und das Institut für Bienenkunde in Celle.
Institutsleiter Dr. Lutz Bötcher präsentiert einige aufbereitete Futterproben.
Diese komplette Umstrukturierung der früheren Veterinäruntersuchungsämter – auch in Stade gab es eines – erklärt der Leiter des Futtermittelinstituts Stade (FIS), Dr. Lutz Bötcher, so: „Durch den Rinderwahn (BSE) waren die Überwachungsbehörden aufgeschreckt. Es gab offenbar Lücken im Kontrollsystem.“ So kam es denn im Zuge dieser Umstrukturierung im Januar 2003 zur Gründung des FIS. Der Anspruch an das neue Institut ist sehr hoch: Skandale mit gesundheitsgefährdenden Futtermitteln, die über die Nahrungskette letztlich im menschlichen Organismus landen können, sollten fortan verhindert werden.
Um das zu erreichen, steht den Stader Experten ein umfangreiches Equipment an hoch spezialisierten Laboreinrichtungen und Analysegeräten zur Verfügung. Beim Rundgang durch die Fachbereiche des Instituts zeigt Dr. Bötcher – er selbst ist Tierarzt – nicht ohne Stolz den Trakt mit den Hightech-Geräten. „Hier steht unser Einfamilienhauspark“, unkt er mit Blick auf den Wert der Labore, der sich locker auf mehrere Millionen Euro taxieren lässt.
{picture1s} Mindestens ebenso bedeutend wie die Technik ist das Mitarbeiterteam des Instituts. 56 Menschen arbeiten hier in sechs verschiedenen Fachbereichen (siehe Infobox unten). Neben Laboranten, Technikern, Büro- und Hilfskräften bilden 14 Naturwissenschaftler und Ingenieure den wissenschaftlichen Kern des Teams. Darunter sind Chemiker, Agrar- und Lebensmittelingenieure und mehrere Veterinärmediziner. „Gerade dieses interdisziplinäre Arbeiten ist nicht nur spannend und interessant, sondern garantiert das hohe wissenschaftliche Niveau unseres Instituts“, sagt Lutz Bötcher. Er und sein Team sind sich ihrer Verantwortung und der Bedeutung ihrer Arbeit für den Verbraucherschutz sehr bewusst.
{picture2s} Über den Hinterhof – das Institut erstreckt sich über mehrere Gebäude und Anbauten – geht Bötcher zur zentralen Probenannahme des Instituts. Hier gehen alle Proben ein: Auf den Regalen stapeln sich Dosen mit Vogel- oder Hundefutter ebenso wie Körner, Getreide, Futtermittelzusätze als Pulver, Beutel mit Stroh oder Heu. Hier werden alle Proben auf- und vorbereitet für die Untersuchungen in den Laboren des Instituts. Bötcher: „Absolute Hygiene ist hier notwendig, um durch die Probenvorbereitung zu vermeiden, dass Stoffe verschleppt werden und so andere Futtermittelproben verunreinigen könnten.“ Die meisten Proben werden portioniert und durchlaufen dann mehrere Stationen und Fachbereiche. Und nach der Analyse landen sie dann in der Regel in Pulverform oder flüssig wieder in der Eingangskontrolle, werden dort gelagert und vor allem über eine aufwendige EDV dokumentiert.
Sämtliche Futtermittelproben werden auf ihre Inhaltsstoffe und Reinheit geprüft. 4300 Proben gehen in Stade pro Jahr in der Regel ein. Sie werden von den Außendienstlern des Laves bei Futtermittelherstellern, Händlern und Landwirten unangemeldet gezogen und nach Stade geschickt. Es geht hier ausschließlich um die staatliche Kontrolle. Futtermittelhersteller bedienen sich ihrer eigenen Labore oder privater Einrichtungen. „Damit wollen wir unsere absolute Unabhängigkeit sichern“, sagt der Institutschef.
{picture3s} Diese 4300 Proben werden statistisch fast fünfmal untersucht, so dass dadurch in den Abteilungen des FIS rund 21 000 Untersuchungsvorgänge ausgelöst werden. Diese Analysen wiederum bringen etwa 70 000 unterschiedliche Untersuchungsparameter hervor, anhand denen detaillierteste Aussagen zu den Inhaltsstoffen, zur Qualität und Zusammensetzung des Futters bis zu Spurenelementen im Mikrobereich gemacht werden können.
Die Qualität des Futters sei überwiegend hervorragend, sagt Institutsleiter Bötcher. So werden bei den Proben auch nur wenige Beanstandungen festgestellt. Im Jahr 2017 waren es gerade einmal acht Prozent der Proben, wobei der größte Teil – insgesamt 379 Fälle – sogenannte Deklarationsfehler waren, also Abweichungen bei den Anteilen der Inhalts- und Zusatzstoffe, was oft relativ unbedenklich ist. In acht Proben wurden Höchstgehaltsüberschreitungen von Schwermetallen und in vier Fällen Rückstände über dem Höchstgehalt von Pflanzenschutzmitteln gefunden. Bei 16 Proben wurden Salmonellen festgestellt. Bei einer Gesundheitsgefährdung werden die Produkte sofort aus dem Handel genommen und Rückrufaktionen gestartet. Die Hersteller seien meist sehr kooperativ und legten selbst größten Wert auf die Reinheit ihrer Produkte, weiß Tierarzt Bötcher.
Das Lager mit den Futtermittelproben.
Niedersachsen ist das Agrarland Nummer eins der Republik mit den höchsten Tierbeständen. Hier werden rund 20 Prozent der Rinder, 33 Prozent der Schweine und fast 50 Prozent des Geflügels in Deutschland gehalten. Außerdem werden in Niedersachsen rund 40 Prozent der gesamten Mischfuttermittel in Deutschland produziert. Im Weserhafen in Brake werden zudem Futtermittel aus dem Ausland außerhalb der EU gelöscht. Auch hier werden Proben für das FIS genommen. Im Futtermittelinstitut werden nicht nur alle Futtermittel aus Niedersachsen und Bremen untersucht, sondern innerhalb einer norddeutschen Kooperation auch Spezialuntersuchungen für Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg vorgenommen. Das Stader Institut hat also gemessen an diesen Zahlen und Werten eine bundesweit übergeordnete Bedeutung.
Gleichwohl ist das Institut wenig bekannt. Es finde trotz der wichtigen Aufgaben im Verbraucherschutz in der öffentlichen Wahrnehmung kaum statt, hat Lutz Bötcher beobachtet. In der alten Organisationsstruktur war das Vorgängerinstitut unter dem Namen Staatliches Veterinäruntersuchungsamt offenbar weitaus bekannter. Bei der damaligen Aufgabenstellung hatte das Amt auch viel mehr Kontakt mit Landwirten und Einrichtungen vor Ort.
Von 1932 bis 1992 war das Stader Amt eigenständig, von 1993 bis 2002 nur noch eine Außenstelle des Veterinäruntersuchungsamtes Oldenburg. Ab 2003 wurde es dann zum Futtermittelinstitut. Die Erstgründung der staatlichen Einrichtung fand übrigens bereits 1919 unter dem Namen Staatliche Untersuchungsstelle für Fohlenkrankheiten statt, den es bis 1931 trug. Momentan arbeiten die Stabsstellenleitung für Öffentlichkeitsarbeit des Laves in der Oldenburger Zentrale und die Institutsleitung in Stade am Programm des im nächsten Jahr anstehenden Jubiläums. Auch eine solche Feier könne sicher dazu beitragen, das Institut bekannter zu machen, hofft Dr. Bötcher.
Zusammensetzungen von Tierfutter zu prüfen, Inhaltsstoffe zu analysieren und verbotene oder unerwünschte Stoffe festzustellen – all das umreißt die Aufgabenstellung des Futtermittelinstituts Stade. Es ist eines von sechs landesweit tätigen Instituten des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Das Stader Institut, das ebenso Kontroll- wie auch Forschungseinrichtung ist, setzt sich aus folgenden sechs Fachbereichen und Laboren zusammen, die eng miteinander verzahnt sind:
Probenmanagement und Futtermittelkunde: Hier werden die Proben angenommen, vorbereitet und die Untersuchungen dokumentiert.
Organisch-chemische und anorganisch-chemische Untersuchungen (jeweils eigenständige Fachbereiche): In diesen Laboren wird das Futter etwa auf Vitamine, Pilze, Rückstände von Schwermetallen, Antibiotika oder chlorierte Kohlenwasserstoffverbindungen untersucht. Modernste Analysegeräte können geringste Stoffspuren nachweisen. Es geht insgesamt um unerwünschte und verbotene Stoffe, die etwa durch Umweltkontaminationen ins Futter gelangen können, oder um höchstmengenbegrenzte Futtermittelzusatzstoffe.
Jakobskreuzkraut kann für Tiere, besonders für Pferde, lebensgefährlich sein. Es verbreitet sich vor allem auf extensiv bewirtschafteten Weiden.
Fachbereich „wertgebende Bestandteile“: In diesen Laboren wird der deklarierte Inhalt des Futters überprüft. Bestimmt werden etwa Fette oder der Energiegehalt.
Mikroskopie und Molekularbiologie: Die Experten dieses Fachbereichs beschäftigen sich mit den Einzelfutterkomponenten im Mischfutter. Sie analysieren es unter anderem auf verbotene und unerwünschte Stoffe wie Giftpflanzen oder Verpackungsmaterial. Die botanische Reinheit der Futtermittel wird hier ebenso überprüft. Schließlich wird das wieder im Aquakulturfutter als Futterzusatz erlaubte Tiermehl kontrolliert.
Das Foto zeigt Nährmedien für die mikrobiologischen Untersuchungen. Fotos von Allwörden
Mikrobiologische Untersuchungen: In den Laboren werden die Futtermittel auf ihren hygienischen Zustand überprüft. Hier werden auch Salmonellen oder Listerien nachgewiesen.