Sommerurlaub

Das erwartet Reisende jetzt am Hamburger Airport

Lange Schlangen, Kofferchaos, Warnstreik - zu Beginn der Sommerferien steht der Hamburger Flughafen vor großen Herausforderungen. Der Airport-Chef appelliert an die Reisenden, bei der Überwindung der Probleme zu helfen.

Freitag, 01.07.2022, 10:00 Uhr
In Hamburg sind am Morgen bereits 31 von 160 Abflügen gestrichen worden. Foto: dpa-Bildfunk

In Hamburg sind am Morgen bereits 31 von 160 Abflügen gestrichen worden. Foto: dpa-Bildfunk

Von Bernhard Sprengel

Wer in diesen Tagen vom Hamburger Flughafen in den Urlaub fliegt, sollte nach Ansicht von Airport-Chef Michael Eggenschwiler mehr Zeit, Geduld und Verständnis für gestresste Mitarbeiter mitbringen. Die schnelle Erholung des Flugverkehrs weltweit bringe die Branche an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. „Da gibt es nichts schönzureden, die Lage ist im Moment sehr, sehr angespannt“, sagte Eggenschwiler am Donnerstag. „Wir haben zwei intensive Wochen vor uns.“

Der Helmut-Schmidt-Flughafen erwartet rund 300.000 Passagiere pro Woche, an einigen Tagen bis zu 50 000. Das entspreche 70 Prozent des Vor-Corona-Niveaus. Stundenweise könnten es jedoch mehr Reisende sein als zu Spitzenzeiten 2019. Besonders großen Andrang erwartet Eggenschwiler an diesem Freitag sowie am Montag und Freitag nächster Woche.

TIPPS FÜR PASSAGIERE

Der Flughafenchef gab den Passagieren fünf Tipps, um die Abfertigung zu beschleunigen:

FRÜHE ANREISE: Passagiere sollten mindestens zwei bis zweieinhalb Stunden vor dem Abflug am Flughafen sein. Es könne auch „einen Tick früher“ sein. Der stellvertretende Leiter der für Hamburg zuständigen Bundespolizeidirektion Hannover, Michael Schuol, warnte jedoch: „Wenn jetzt ganz viele fünf Stunden vorher kommen, ist das Terminal zu früh voll. Dann wird es möglicherweise schwierig mit der Steuerung.“

In den Sommerferien öffnet der Flughafen bereits um 3.15 Uhr, die Bundespolizei besetzt die Sicherheitskontrolle um 3.30 Uhr. Auch die Airlines öffneten ihre Schalter zum Teil eher, sagte Eggenschwiler. Spitzenzeiten seien die frühen Morgenstunden, die Mittagszeit und der frühe Abend.

HANDGEPÄCK RICHTIG PACKEN: Flüssigkeiten über die erlaubten 100 Milliliter pro Behältnis hinaus sind nicht erlaubt. Wer mehr dabei habe, blockiere die Kontrollstelle für mindestens eine Minute, erläuterte Schuol. Außerdem: „Es gehört schlicht und ergreifend keine große Feile, keine Waffe, keine Harpune oder ähnliches ins Reisegepäck oder insbesondere ins Handgepäck.“

VORABEND-CHECK-IN: Viele Fluggesellschaften bieten diesen Service an. Mit Ticket und Ausweis kann man sich bereits die Bordkarte abholen.

ONLINE EINCHECKEN: Passagiere können ihre Bordkarte meist auch online vor dem Abflug bekommen oder an Automaten im Flughafen erstellen und ausdrucken. Das Gepäck kann an 30 sogenannten Self-Bag-Drop-Automaten aufgegeben werden.

ANFAHRT: Wer mit dem Auto zum Airport fährt, sollte sich vorher online ein Parkticket buchen. Der Hamburger Flughafen ist aber auch mit der S-Bahn und Bussen des Hamburger Verkehrsverbunds erreichbar.

WARUM IST DIE LAGE IM FLUGVERKEHR SO ANGESPANNT?

Die Planungen der Fluggesellschaften seien von der Corona-Lage durchkreuzt worden, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, Matthias von Randow. Im September vergangenen Jahres, als die Corona-Impfkampagne auf gutem Wege gewesen sei, hätten die Airlines für die ersten drei Monate 2022 ein Flugangebot von 78 bis 88 Prozent des Niveaus von 2019 vorgesehen. Doch gegen Ende 2021 sei die Omikron-Variante aufgetaucht. Die Politik habe mit Reisewarnungen reagiert.

„Die Unternehmen mussten massiv auf die Bremse treten“, sagte von Randow. Im vergangenen April und Mai seien die Reisewarnungen sehr kurzfristig aufgehoben worden, die Nachfrage sei sprunghaft gestiegen. „Dieses so schnelle Hochfahren ist natürlich etwas, das die Branche und auch ich persönlich in der Geschwindigkeit noch nicht erlebt haben“, sagte Eggenschwiler. In den zwei Jahren der Pandemie sei der Luftverkehr weltweit zusammengebrochen, erklärte Schuol. „Es gab keinen Plan für das Wiederhochfahren, der perfekt abläuft.“

KNAPPES PERSONAL

Die Branche könnte 10 bis 15 Prozent mehr Mitarbeiter gebrauchen. In Deutschland herrsche praktisch Vollbeschäftigung und es sei sehr schwierig, Personal zu finden, sagte von Randow. Die von der Bundesregierung beschlossene Ausnahmegenehmigung für Arbeitskräfte aus der Türkei und anderen Drittstaaten sei zu begrüßen. Die Luftverkehrswirtschaft rechnet nun mit der Anwerbung von 1500 bis 2000 Mitarbeitern allein für die Gepäckabfertigung. Der Verbandschef forderte zudem ein Einwanderungsgesetz für Deutschland.

Die Bundespolizei will die Sicherheitskontrollen am Hamburger Flughafen verstärken. Der private Dienstleister Frasec habe angekündigt, dass 30 zusätzliche Flugsicherheitsassistenten ab Freitag im Einsatz seien. Die Bundespolizei selbst hat „Krisenreaktionskräfte“ aufgestellt. 15 bis 20 Beamte können im Notfall beim Sicherheitscheck helfen. Die Beamten können nach Angaben von Schuol aber nur Gepäckwannen zurückbringen oder bei der Einweisung in die Schlangen helfen. Für die eigentliche Kontrolle, etwa die Sichtung der Röntgenbilder, fehle ihnen die Ausbildung.

Die deutschen Fluggesellschaften haben für diesen Sommer 880 000 Flüge geplant. Angesichts der Personalengpässe bei allen Dienstleistern in der Branche müssten etwa 8000 Flüge - also knapp ein Prozent - wieder gestrichen werden.

VOLLER LUFTRAUM ÜBER DEUTSCHLAND

Über Deutschland gebe es zurzeit auch einen Engpass im Luftraum, erklärte von Randow. Frankreich führe im Moment eine neue Technologie bei der Flugsicherung ein. Darum müsse ein Teil der Flüge, die sonst über das Nachbarland gingen, von Deutschland übernommen werden. Zudem seien die Lufträume über der Ukraine und Russland gesperrt, weswegen es besonders über Ostdeutschland enger werde.

KOFFERCHAOS

Am Hamburger Flughafen stapeln sich nach Angaben von Eggenschwiler zurzeit rund 2000 Gepäckstücke. Dabei handele es sich um sogenanntes Rush Gepäck, das bei Flügen über Drehkreuze den Passagieren mit einer späteren Maschine nachgeliefert werde. Es sei Aufgabe der Fluggesellschaften, die Koffer den Reisenden zuzustellen. Der Flughafen habe Räume für die Lagerung zur Verfügung gestellt. Dass es in dem Lagerraum aufgrund verdorbener Lebensmittel in den Koffern stinke, konnte der Flughafenchef nicht bestätigen.

AUFRUF ZUM WARNSTREIK

Flughafen-Geschäftsführer Eggenschwiler geht davon aus, dass die Passagiere vom angekündigten Warnstreik bei der Flughafen-Tochter Real Estate Maintenance an diesem Freitag nichts mitbekommen werden. Die rund 180 Mitarbeiter seien für die Instandhaltung von Gebäuden und Betriebsstraßen zuständig. „Es kann das Risiko sein, dass eine Rolltreppe stehen bleibt“, sagte Eggenschwiler. Die Gewerkschaft Verdi hat die Beschäftigten mit Beginn der Frühschicht zu einem 24-stündigen Warnstreik aufgerufen.

MITARBEITER ALS „PRELLBOCK“

Eggenschwiler brach auch eine Lanze für die Beschäftigten am Airport. „Oft - und das tut mir persönlich dann auch etwas leid - sind Flughafen-Mitarbeiter Prellbock, wenn irgendwo etwas nicht so rund läuft“, beklagte der Flughafenchef. Es gebe Reisende mit nachvollziehbarem Ärger. Sie sollten aber bedenken, dass viele Mitarbeiter gerade erst aus der Kurzarbeit zurückgekehrt und auch mal am Limit seien. „Dann ist Spott und Beleidigung nicht ganz hilfreich - und vor allem: Damit erreichen wir keine Reduzierung der Wartezeiten.“ (dpa)

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