Hamburg

Angst vor Giftködern – Hundehalterin attackiert Spaziergängerin an der Alster

Eine Hamburgerin genießt frühmorgens die Natur an der Alster und wirft den Vögeln etwas Brot zu. Zwei Hundehalterinnen sehen das und glauben, die Frau wolle ihre Lieblinge mit Giftködern umbringen. Auf rabiate Weise will eine von ihnen die vermeintliche Gefahr abwenden.

Freitag, 11.03.2022, 16:46 Uhr
Beim Gassigehen an der Hamburger Außenalster geriet eine 33 Jahre alte Angeklagte mit einer 65-jährigen Frau aneinander. Symbolfoto: Christian Charisius/dpa

Beim Gassigehen an der Hamburger Außenalster geriet eine 33 Jahre alte Angeklagte mit einer 65-jährigen Frau aneinander. Symbolfoto: Christian Charisius/dpa

Ein gewaltsamer Angriff auf eine vermeintliche Hundevergifterin hat für eine Frau aus Hamburg nun strafrechtliche Konsequenzen. Das Amtsgericht verurteilte die 33-Jährige am Freitag zu einer Strafe von neun Monaten auf Bewährung. Das Schöffengericht sprach die Architekturstudentin am Freitag der vorsätzlichen Körperverletzung und Nötigung schuldig.

Der Streit zwischen den Frauen am frühen Morgen des 20. Februar 2020 sei wohl ein großes Missverständnis gewesen, stellte die Richterin fest. Beim Gassigehen mit ihren Hunden an der Außenalster waren die Angeklagte und ihre 63 Jahre alte Mutter auf eine 65-jährige Spaziergängerin getroffen. Weil die 65-Jährige in einer Plastiktüte Essen dabei hatte, nahmen die Hundehalterinnen an, sie wolle nicht nur die Wasservögel füttern, sondern auch ihre vierbeinigen Lieblinge vergiften.

Angeklagte wegen Körperverletzung bereits vorbestraft

Den Ablauf des ersten Streits zwischen der älteren Angeklagten und dem Opfer konnte das Gericht nicht genau klären. Es stellte darum das Strafverfahren gegen die Mutter ein. Nach Überzeugung des Gerichts trat und schubste deren Tochter die Spaziergängerin jedoch so heftig, dass die 65-Jährige eine schmerzhafte Beckenprellung und andere Verletzungen erlitt. Außerdem nahm die Angeklagte der Frau die Handtasche weg und behielt einen Ausweis – angeblich um die vermeintliche Hundevergifterin bei der Polizei anzuzeigen. Dies wertete das Gericht als Nötigung.

Die wegen Körperverletzung vorbestrafte Angeklagte nahm das Urteil an. Die Studentin muss der Spaziergängerin auch ein Schmerzensgeld zahlen und die Kosten des Verfahrens tragen.

Pfefferspray als Warnung – dann eskaliert die Situation

Die 65-Jährige hatte den Angriff als Zeugin in sehr dramatischen Worten geschildert. Zunächst habe sie nur auf einer Rasenfläche an der Alster gestanden und aufs Wasser geschaut. „Mir tut's gut, wenn ich einfach so stehe und die Natur genieße“, sagte die gelernte Fremdsprachen-Korrespondentin mit einer weiteren, künstlerischen Ausbildung. Dann sei die ältere Frau mit einem nicht angeleinten Hund gekommen und habe sie beschimpft.

Weil sie sich bedroht fühlte, habe sie ein Pfefferspray aus der Tasche geholt und zur Warnung einen Sprühstoß abgegeben. Dann sei die jüngere Angeklagte „wie eine wilde Bestie“ über sie hergefallen. „Wie ein Löwe, der ein Tier wegschleift.“ Sie habe gedacht, sie würde den Angriff nicht überleben. Vermutlich sei ihr nichts Schlimmeres passiert, weil sie einen Schutzengel gehabt habe. Außerdem kämen ihre Vorfahren vom Lande, und sie sei sehr beweglich, weil sie als Kind Ballett gemacht habe, erklärte die zierliche Frau.

Berichte über Giftköder im Hinterkopf

Der Verteidiger der älteren Angeklagten, Timo Seeburger, erklärte, seine Mandantin habe in den Medien gelesen, dass in Hamburg Hunde vergiftet würden. Sie habe bei der Spaziergängerin einen Haufen Futter gesehen und es entsorgen wollen. Anders als von der Anklage behauptet, habe sie zu keinem Zeitpunkt gedroht: „Ich bringe dich um!“

Die Tochter ließ über ihren Verteidiger Wolfgang Wiedemann mitteilen, ihr Hund habe im Beutel der Spaziergängerin etwas gewittert und sie zu der Tüte hingezogen. Sie habe der 65-Jährigen gesagt, dass es an der Alster verboten sei, Tiere zu füttern. Sie habe der Frau das Hundefutter wegnehmen und in einen Mülleimer werfen wollen. „Sie hat das mit dem Hundefutter wohl überbewertet“, erklärte Wiedemann. Die 33-Jährige selbst entschuldigte sich bei der Nebenklägerin für ihre Tat.

Angebliches Hundefutter ist Mittagessen für unterwegs

Nach eigenen Angaben hatte die Spaziergängerin das Essen für sich selbst gekocht und eingepackt, um es sich in der Mittagspause aufzuwärmen. Für das Frühstück habe sie Toast, Margarine und Marmelade dabei gehabt. Ab und zu füttere sie mit einer Toastscheibe die Wasservögel. Sie sei sehr tierlieb. „Ich mag auch Hunde“, versicherte die 65-Jährige.

Die Staatsanwältin sprach von einem „ganz unseligen Tag“. Die Nebenklägerin sei durch den Angriff körperlich beeinträchtigt worden und habe unglaubliche Angst gehabt. Die Richterin sagte an die Adresse der Angeklagten: „Sie sind die Person gewesen, die völlig ausgerastet ist.“ Zwar komme es durchaus vor, dass auch in Hamburg Hunde vergiftet würden. „Aber das rechtfertigt in keiner Weise das ganze Ausmaß, das das hier angenommen hat.“ Sie riet der Angeklagten dringend, eine Therapie zu machen. (dpa)

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