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Medizinische Versorgung

116 117: So läuft der neue ärztliche Bereitschaftsdienst

Die Nummer des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes 116117 ist auf einem Smartphone zu sehen.

Die Nummer des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes 116117 ist auf einem Smartphone zu sehen. Foto: Sina Schuldt/dpa

Mehr Telemedizin per Videocall, weniger Hausbesuche vom Arzt: Was sich beim Bereitschaftsdienst in Niedersachsen geändert hat und wie das neue System anläuft.

Von Christopher Weckwerth, dpa Dienstag, 15.07.2025, 09:00 Uhr

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Seit einigen Wochen greift beim ärztlichen Bereitschaftsdienst in Niedersachsen ein neues System. Die Kassenärztliche Vereinigung (KVN) setzt dabei auf mehr Telemedizin, sprich: Beratung aus der Ferne. Das soll den Patienten schnellere Hilfe verschaffen und die Ärztinnen und Ärzte insbesondere von Hausbesuchen entlasten.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Reform:

Wer sollte die 116 117 rufen – und wer die 112?

In lebensbedrohlichen Notfällen sollte der Rettungsdienst unter der 112 gerufen werden. Bei kleineren Beschwerden, mit denen man sonst in die Arztpraxis gehen würde, sollen Patientinnen und Patienten hingegen die 116 117 wählen. Der ärztliche Bereitschaftsdienst hilft außerhalb der Sprechstundenzeiten und ist rund um die Uhr erreichbar.

Wie funktioniert die 116 117 in Niedersachsen seit der Reform?

Zunächst erfolgt am Telefon eine Ersteinschätzung der Symptome. Sollte diese zeigen, dass eine zügige Behandlung notwendig ist, und keine Weiterleitung in eine Praxis möglich sein, werden die Anrufer jetzt immer mit einem Telemediziner oder einer Telemedizinerin verbunden – laut KVN innerhalb von 30 Minuten, und zwar per Telefon oder Video-Call.

Das soll den Anrufern einen schnellen ärztlichen Kontakt ermöglichen. Erst, wenn der Telearzt einen Hausbesuch für notwendig erachtet, wird der medizinische Fahrdienst hinzugezogen, durchgeführt von den Johannitern. Nach Angaben der KVN ist das Verfahren in dieser Form bundesweit einmalig.

Wer übernimmt die Ersteinschätzung meiner Beschwerden?

Die Anrufer der 116 117 landen in einem Callcenter. Dort nehmen laut KVN medizinisch vorgebildete Servicekräfte wie Arzthelferinnen oder Rettungssanitäter die medizinische Ersteinschätzung vor.

Machen Ärztinnen und Ärzte jetzt überhaupt noch Hausbesuche?

„Ja – selbstverständlich“, sagt KVN-Sprecher Detlef Haffke. Wenn der Telemediziner entscheidet, dass ein Hausbesuch notwendig ist, schicken die Johanniter einen Arzt oder eine Ärztin oder auch ein Team von Gesundheitsfachkräften auf die Reise. Die Fachkräfte können etwa Sanitäter oder Pflegekräfte sein. Niedergelassene Ärzte können neben ihrer Tätigkeit in der Praxis auch bei den Johannitern angestellt werden.

Wie viele Ärztinnen und Ärzte sind wann in Bereitschaft?

Pro Schicht sind in Niedersachsen zwölf Ärztinnen und Ärzte im Einsatz, die von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Johanniter gefahren werden. Hinzu kommen 20 bis 24 Gesundheitsfachkräfte der Johanniter, wie die KVN mitteilt.

Für den fahrenden Bereitschaftsdienst gelten folgende Zeiten:

  • Montag, Dienstag und Donnerstag von 19 Uhr bis 7 Uhr
  • Mittwoch und Freitag von 15 Uhr bis 7 Uhr
  • Samstag und Sonntag sowie an Feiertagen, Heiligabend und Silvester von 8 Uhr bis 7 Uhr

In welche Regionen und Standorte ist der Fahrdienst aufgeteilt?

Die Struktur des Fahrdiensts sieht acht Sektoren vor.

  • Sektor Elbe-Weser: Standorte Stade, Rotenburg, Bremen
  • Sektor Braunschweig: Standort Braunschweig
  • Sektor Oldenburg: Standorte Oldenburg, Ahlhorn
  • Sektor Lüneburg: Standorte Lüneburg, Uelzen
  • Sektor Osnabrück: Standorte Osnabrück, Lingen
  • Sektor Göttingen: Standorte Northeim, Hildesheim
  • Sektor Weser-Ems: Standort Aurich
  • Sektor Hannover: Standorte Hannover, Schwarmstedt

Warum wurde der Ablauf der Bereitschaftsärzte geändert?

Nicht zuletzt der Ärztemangel macht sich hier bemerkbar, denn die Bereitschaft außerhalb der Praxiszeiten sicherzustellen, werde immer herausfordernder, erklärt die KVN. Neue Technologien könnten daher helfen: „Ziel dieser Reform ist es, die medizinische Versorgung für die rund acht Millionen Menschen in Niedersachsen schneller, flexibler und effizienter zu machen, während gleichzeitig die Arbeitsbelastung für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte deutlich reduziert wird.“ Zudem soll das neue Verfahren Mehrfachanrufe bei der 116 117 und ein Ausweichen auf die 112 verhindern.

Wie sind die ersten Erfahrungen?

Die KVN ist mit den ersten Wochen zufrieden: In drei von vier Fällen könnten bereits die Telemediziner den Anrufern abschließend helfen. Wenn doch Hausbesuche anfielen, seien die Wartezeiten heute erheblich kürzer als früher. Grund dafür seien eine bessere Fahrzeuglogistik sowie eine effiziente Besetzung der Fahrzeuge.

„Bisher gab es keine Beschwerden von Patientinnen und Patienten“, sagte KVN-Sprecher Haffke. Die Ärztinnen und Ärzte befürworteten das Modell zudem, weil sie den Fahrdienst nicht mehr zwangsweise übernehmen müssen. Die Belastung des Bereitschaftsdiensts habe dank der Reform abgenommen.

Wie viele Anrufe gehen bei der 116 117 für Niedersachsen ein?

Pro Woche gibt es laut KVN im Schnitt rund 15.000 Anrufe bei der 116 117 im Bereich des Bereitschaftsdienstes.

Wie viele Hausbesuche gab es vor und nach der Reform?

Vor der Reform kamen die Ärztinnen und Ärzte nach Angaben der KVN auf rund 3.400 Patientenbesuche pro Woche im fahrenden Bereitschaftsdienst. Seit der Umstellung gab es demnach hingegen nur noch rund 950 Patientenbesuche pro Woche durch die Johanniter-Teams.

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