24-Stunden-Reportage: Hier werden nachts Tausende TAGEBLÄTTER gedruckt

Drucker André Kunz kontrolliert die Qualität am Leitstand.
Technik trifft auf Tradition: Im Pressehaus entsteht das TAGEBLATT nachts in zwei Hightech-Drucktürmen. Mehr als 30 000 Zeitungen werden an sechs Tagen in der Woche gedruckt. Das Tempo ist schwindelerregend. Vieles läuft automatisch, aber die Nachtschicht ist konzentriert.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Es ist Punkt 1 Uhr. Überall knattert es, rattert es und quietscht es auf den drei Ebenen der blau-silbernen Drucktürme im Pressehaus an der Glückstädter Straße in Stade. 9000 Zeitungen hat die moderne Druckanlage in dieser letzten halben Stunde ausgespuckt: 7200 Exemplare Buxtehuder TAGEBLATT, 1800 Mal das Altländer TAGEBLATT. Dabei ist die Maschine gerade erst dabei, so richtig warmzulaufen.
„Bislang läuft alles entspannt“, sagt André Kunz. Der gelernte Offset-Drucker gehört zur heutigen Nachtschicht in der Druckerei. An sechs Tagen in der Woche bis 4 Uhr nachts sind die Drucker eingeteilt, bis sie in die Tagschicht wechseln. Die Rollen, Bänder und Ketten der Druckmaschine ruhen. Allerdings nur für kurze Zeit. Denn für die Nachtschicht steht die Umrüstung bevor, damit die 21 000 Exemplare des Stader TAGEBLATT ebenfalls pünktlich alle Haushalte im Landkreis erreichen können.
Dafür müssen die Druckplatten mit Inhalten für Stade getauscht werden. Die Fachleute nennen diese gelaserten Platten CTP – „Computer To Plate“. Vereinfacht gesprochen, funktionieren diese wie Negative in der Fotografie. Die Zeitung wird bis zu jenem Arbeitsgang in der Redaktion, Anzeigenabteilung und Technik digital produziert. Was hier folgt, ist die Übersetzung vom Digitalen ins Analoge. Die Anlage mischt alles aus vier Farben zusammen. Im oberen Teil der Druckmaschine werden die Platten mit Gelb und Magenta eingespannt, unten mit Cyan und Schwarz.
André Kunz dreht den Plattenzylinder und zurrt die Seite mit den blassblau schimmernden Traueranzeigen mit einem Handgriff fest. Ein permanenter Piepton ermahnt ihn währenddessen zur Vorsicht. „Damit sich keiner irgendwas einklemmt“, sagt Kunz. Sicherheit wird großgeschrieben. Dutzende Not-Aus-Knöpfe sind der Beweis dafür.
Papierbahnen für das Stader TAGEBLATT laufen in schwindelerregendem Tempo durch die Maschinen und unter dem Hallendach entlang. Fotos von Borstel
1.28 Uhr: Andruck für das Stader TAGEBLATT. Zwei Minuten später laufen die Zeitungen in schwindelerregendem Tempo in Bahnen unter dem Dach entlang. Auf dem Grund der Halle werden die gefalteten Zeitungen bereits zu Hunderten auf einem Laufband weiter Richtung Logistik transportiert. „Routine ist Gift“, sagt André Kunz. Der Beruf erfordere volle Konzentration. Wie überall im produzierenden Gewerbe sei Zeit das A und O.
Trotzdem kann manches schiefgehen: Druckplatten zerkratzen, Papierbahnen reißen, Motoren fallen aus. Das ist glücklicherweise lange Zeit nicht passiert. Kommt es im Druck zu Verzögerungen, kann das verheerende Nachwehen haben: Druck, Verpackung, Logistik, Auslieferung – wenn es in dieser Kette zu einem Problem kommt, hat das weitere Probleme zur Folge. Im schlimmsten Fall bekommen Leser ihre Zeitung überhaupt nicht zugestellt: der Super-GAU.
Ein Raum weiter sind die mannshohen Rollen mit Zeitungspapier auf dem Boden geparkt. Sie wiegen bis zu eineinhalb Tonnen. Das entspricht ziemlich genau dem Durchschnittsgewicht eines Mittelklasseautos. 22 Kilometer Papier sind auf jede Rolle aufgewickelt. Würde man sie wieder abrollen, entspräche die Länge des Papiers beinah der Entfernung Stade-Buxtehude. Die feinen Papierbahnen laufen in der Mitte der Druckmaschine entlang. Dort werden sie gleichzeitig zu Seiten bedruckt. Maximal 26 000 Exemplare entstehen pro Stunde. Ein Kollege aus der CTP kontrolliert in der Zwischenzeit, ob die Seiten in der richtigen Reihenfolge gedruckt werden.
„Da kann man noch mehr Farbbrillanz herauskitzeln“, sagt Kunz am Leitstand, während er eine Zeitung durchblättert. Die Uhr zeigt 1.40 Uhr. Ab sofort werden alle 28 Seiten mit der digitalen Vorlage abgeglichen, bis der Druckvorgang abgeschlossen ist. Es wird versucht, sich mit etlichen Parametern so dicht wie möglich dem Muster anzunähern. Kunz schiebt den Regler für Gelb ein My nach oben. „Jeder Drucker hat sein eigenes Farbempfinden“, sagt er, und greift sich die nächste Zeitung zur Kontrolle.
„Alles ist frei, nichts schmiert – kann so rausgehen“, lautet sein Urteil. Auf dem Display prophezeit der Computer, dass die letzte Zeitung um 2.36 Uhr vom Band laufen soll. Für die Nachtschicht ist die Arbeit dann aber noch nicht getan. Donnerstagnacht ist Großkampf: Die Druckabfolge sieht weit mehr vor, als nur die drei Tagesausgaben. Am Freitagmorgen geht zum Beispiel das Wochenend-Magazin vom TAGEBLATT in den Druck. Die Maschinen müssen vorbereitet sein.
Kunz macht den Job seit zehn Jahren, hat im Zeitungsverlag Krause die Ausbildung gemacht. In dieser Zeit hat sich das Berufsbild gewandelt: Technik, Material, Prozesse, Chemie. Die Drucker im Pressehaus können die Maschinen „hören“, sagt er. Ein leises Knacken, ein unrunder Lauf, das alles hören die Techniker sofort. Es sei vorteilhaft, mit einem Schraubenzieher etwas anfangen zu können, erklärt Kunz.
Was ist das Besondere an diesem Job? „Man sieht, was man gemacht hat“, sagt Kunz, der während der Kontrollen immer schon einen Blick auf die Inhalte wirft. „Es gibt aber nichts Besseres, als die Zeitung morgens mit einem Kaffee zu lesen“, sagt er.
Hunderte Zeitungen werden in Richtung Logistik tranportiert.
Die Druckmaschinen laufen hochtourig. In der Halle herrscht schwülwarmes Klima. Mit einem stakkatoartigen Klackergeräusch transportieren die Ketten hoch über den Drucktürmen fertige Zeitungen durch einen dunklen Spalt in die benachbarte Halle. Es klingt wie der Aufzug einer Achterbahn. Drüben werden sie verpackt, Beilagen eingesteckt, der Logistik übergeben. Es ist Punkt 2 Uhr. Ein neues Kapitel der Zeitungsproduktion beginnt.
Für die Serie „24 Stunden: Reportagen rund um die Uhr“ verbringen TAGEBLATT-Redakteure je eine Stunde an einem Ort in der Region. Start und Ende der Serie ist 0 Uhr, was 24 Stunden und damit 24 Serienteile ergibt. Und das sind die Folgen:
- Teil 1: Bei der Polizei
- Teil 2: Im Pressehaus
- Teil 3: Beim Bäcker
- Teil 4: Bei der Post
- Teil 5: Auf der Jagd
- Teil 6: Auf der ersten Fähre
- Teil 7: Der Greenkeeper
- Teil 8: Im Industriehafen
- Teil 9: Bei der Straßenmeisterei
- Teil 10: Im Hotel
- Teil 11: Bei der Tagespflege
- Teil 12: In der Touristen-Information
- Teil 13: Am Imbiss
- Teil 14: Besuch beim Schäfer
- Teil 15: Der Bestatter
- Teil 16: Beim Brückenwärter
- Teil 17: Der Tierarzt
- Teil 18: Im Landgasthof
- Teil 19: In der Notaufnahme
- Teil 20: Bei der Fahrschule
- Teil 21: Auf dem Autohof
- Teil 22: Beim Lieferservice
- Teil 23: Bei der Ernte
- Teil 24: Neben einem Angler
