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24-Stunden-Reportage: Im Einsatz mit Schwinge 10-25

Mit dem Streifenwagen sind die Kommissare Marcus Springer und Jana Martin unterwegs. Fotos: Beneke

Mit dem Streifenwagen sind die Kommissare Marcus Springer und Jana Martin unterwegs. Fotos: Beneke

Der Einsatz- und Streifendienst der Stader Polizei arbeitet an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr. Die Beamten wissen nicht, was sie während ihrer Schicht erwartet. Klar ist nur: Wenn ein Notruf eingeht, zählt oft jede Sekunde.

Von Daniel Beneke Montag, 03.07.2017, 08:00 Uhr

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Im Wachraum läuft der Fernseher. Der Privatsender Sat.1 zeigt eine Comedyshow. Schichtleiter Andreas Abbenseth wirft einen flüchtigen Blick auf den Flachbildschirm. Der Oberkommissar hat das Kommando über das achtköpfige Team, das bei der Stader Polizei gerade Dienst schiebt. Um Mitternacht ist die Lage entspannt. In einem Büro nebenan schreiben seine Kollegen Jana Martin und Marcus Springer gerade einen Bericht über den gewaltsamen Streit eines Paares am Vorabend. Häusliche Gewalt – Alltag für die Beamten. „Die Frau ist in Sicherheit“, sagt Marcus Springer.

In der Wache hält der Schichtleiter Andreas Abbenseth die Stellung.

„Wir fahren wieder los“, ruft er dem Schichtleiter zu und verschwindet auch schon durch die Tür. Draußen raucht Jana Martin noch schnell eine Zigarette, dann zückt sie den Schlüssel und öffnet den Streifenwagen. Im VW Passat Kombi mit dem Funkrufnamen Schwinge 10-25 geht es durch Stade.

Leise läuft das Radio im Hintergrund. Hin und wieder unterbricht ein Funkspruch die Popmusik. Das Thermometer zeigt 13,5 Grad Celsius. Nieselregen benetzt die Frontscheibe. Das Licht der Straßenlaternen spiegelt sich in den Pfützen. Kaum Verkehr. Jana Martin steuert den Wagen über die Hansestraße in Richtung Altstadt. Tote Hose in der Fußgängerzone. Nur vor dem Zeughaus stehen zwei Frauen und rauchen. Tagsüber werden die Polizisten auch schon mal von Passanten angesprochen, erzählt Marcus Springer. Touristen fragen nach dem Weg, Einheimische berichten von auffälligen Personen oder Fahrzeugen. Die Hinweise sind wichtig für die Arbeit der Beamten: Vergangene Woche haben die Ermittler zwei Autoknacker auf frischer Tat erwischt, nachdem Zeugen Alarm geschlagen hatten.

Feste Routen für die Streifenfahrten haben die Beamten nicht. Sie können nach Bauchgefühl entscheiden, wo es langgeht. Jana Martin und Marcus Springer drehen im Schwinge 10-25 eine Runde um den Bahnhof. Hier werden am laufenden Band Fahrräder gestohlen, Spiegel von geparkten Autos abgetreten und Türen zerkratzt. Ausreichend installierte Überwachungskameras, die Täter abschrecken und den Ermittlern bei der Aufklärung helfen könnten, fehlen. Auch nach Mitternacht trifft sich noch rund ein Dutzend Jugendlicher auf der hell erleuchteten Skateranlage. Vom Bahnsteig eilen die Fahrgäste zum letzten Bus, der in dieser Nacht gen Kehdingen abfährt.

Egal, ob Ruhestörung, Schlägerei, Verkehrsunfall oder Tötungsdelikt – die Polizisten des Einsatz- und Streifendienstes sind immer zuständig. Tag und Nacht. „Ich mach’s gern“, sagt Jana Martin. Keine Schicht ist wie die andere. Das Abenteuer reizt sie. Kollege Marcus Springer pflichtet ihr bei. In eine andere Abteilung zu wechseln, kann er sich nicht vorstellen. An die unregelmäßigen Arbeitszeiten haben sich die Kommissare gewöhnt. Der Plan wird drei Monate im Voraus festgelegt. Die Beamten können sich nach ihren Wünschen eintragen. Vier Nachtdienste im Monat sind Pflicht. Ansonsten erlischt der Anspruch auf Schichtzulage.

„Hier fahre ich gerne lang, im Schwedenviertel ist die Welt noch in Ordnung“, sagt Jana Martin und biegt in die Stockholmstraße ein. Kein Mensch begegnet den Polizisten während ihres Abstechers durch die bürgerliche Siedlung. Nur vereinzelt brennt noch Licht in den Häusern. Die Beamten nähern sich dem Stadtrand, fahren durch den Brunnenweg nach Hahle. Da ist es vorbei mit der Ruhe.

Die Kollegen der Großleitstelle in Lüneburg, die seit März die Notrufe aus dem Kreis Stade entgegennehmen, melden einen Einsatz. Am Bahnhof haben zwei Männer einen Fahrgast bestohlen. Die Täter sollen noch vor Ort sein. Jana Martin gibt Gas, Marcus Springer schaltet das Blaulicht ein. Mit rasantem Tempo über die Bremervörder Straße. Am Gleis angekommen, sind die zwei Unbekannten mit südländischem Aussehen schon weg. Sie sitzen im Zug gen Hamburg. Der eine trägt eine graue Baseball-Cap, der zweite hat einen rot-karierten Rucksack dabei. Während sich ein weiteres Streifenteam um den Bestohlenen kümmert, düst Schwinge 10-25 wieder los. Vielleicht steigen die Diebe in Agathenburg aus und machen sich aus dem Staub? Als Jana Martin und Marcus Springer am Bahnhof ankommen, ist die S-Bahn gerade weitergefahren. An den Gleisen und in den Nebenstraßen ist niemand mehr unterwegs. Weiter nach Dollern. Auch hier finden sie keinen Fahrgast, der zu den Beschreibungen passt. Wenig später kommt per Funk die erfreuliche Nachricht: Die Kollegen haben die beiden Männer in Buxtehude angetroffen und die Beute sichergestellt.

In einer Wohnstraße fällt ihnen ein schwarzer Kombi auf. Es sieht so aus, als hätte die Fahrerin umgedreht, nachdem sie den Streifenwagen gesehen hat. An einem Feldweg vor der Autobahnauffahrt stoppen Jana Martin und Marcus Springer den BMW. Am Steuer sitzt eine Mutter, die ihren Sohn und zwei Freunde vom Kindergeburtstag abgeholt hat. Sie ist nervös, ihre Hände zittern. Personalausweis und Führerschein hat sie dabei. Alles in Ordnung. Nur der Fahrzeugschein fehlt. Sie ist ausnahmsweise mit dem Wagen ihres Partners unterwegs. Die Polizisten drücken ein Auge zu.

„Wollen wir mal nach Heinbockel schauen?“, fragt Jana Martin. Wenn im Musikladen gefeiert wird, kommen Hunderte Jugendliche in das kleine Dorf. Der Parkplatz ist voll, als das Polizeiauto vorfährt. Ein kurzer Plausch mit den Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes. Kontaktpflege ist wichtig. „Alles ruhig hier“, sagt der Wachmann. Zeit für eine kleine Pause. Den Aufenthaltsraum in der Wache haben sie für sich alleine. Ein Kollege der Tatortgruppe schaut kurz vorbei, holt sich einen Kaffee und geht wieder. Dann steht plötzlich Schichtleiter Andreas Abbenseth in der Tür: „Messerstecher am Bahnhof.“ Ein neuer Einsatz für Schwinge 10-25.

 

Für die Serie „24 Stunden: Reportagen rund um die Uhr“ verbringen TAGEBLATT-Redakteure je eine Stunde an einem Ort in der Region. Start und Ende der Serie ist 0 Uhr, was 24 Stunden und damit 24 Serienteile ergibt. Und das sind die Folgen:

  • Teil 1: Bei der Polizei
  • Teil 2: Im Pressehaus
  • Teil 3: Beim Bäcker
  • Teil 4: Bei der Post
  • Teil 5: Auf der Jagd
  • Teil 6: Auf der ersten Fähre
  • Teil 7: Der Greenkeeper
  • Teil 8: Im Industriehafen
  • Teil 9: Bei der Straßenmeisterei
  • Teil 10: Im Hotel
  • Teil 11: Bei der Tagespflege
  • Teil 12: In der Touristen-Information
  • Teil 13: Am Imbiss
  • Teil 14: Besuch beim Schäfer
  • Teil 15: Der Bestatter
  • Teil 16: Beim Brückenwärter
  • Teil 17: Der Tierarzt
  • Teil 18: Im Landgasthof
  • Teil 19: In der Notaufnahme
  • Teil 20: Bei der Fahrschule
  • Teil 21: Auf dem Autohof
  • Teil 22: Beim Lieferservice
  • Teil 23: Bei der Ernte
  • Teil 24: Neben einem Angler
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