600 Kilo Kokain in Seecontainer: Hafenarbeiter soll mitgeschmuggelt haben

Hinter diesen Türen von Containern kann die Organisierte Kriminalität stecken. Erneut wurden im Hafen riesige Mengen von Kokain entdeckt. Foto: dpa
Wieder sollen Hafenarbeiter in Bremerhaven in einen großen Kokainschmuggel verwickelt sein. Die Staatsanwaltschaft bestätigt neun Festnahmen. Monatelang wurde ermittelt, es geht um 600 Kilogramm. Für Polizei und Zoll kommt der Erfolg zur rechten Zeit.
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Von Thorsten Brockmann
Als einer der größten Containerhäfen Europas zählt Bremerhaven seit Jahren zu den Haupteinfallstoren für den Rauschgiftschmuggel aus Süd- und Mittelamerika. Zollfahnder und Kriminalpolizei ermitteln seit vier Jahren gegen die Drogenkriminalität gemeinsam, aber erst jetzt soll die Arbeit als feste Einheit festgeschrieben werden. Ende Juni wollen Zoll und Stadt Bremerhaven darüber informieren.
Nach Informationen der NORDSEE-ZEITUNG soll die Ermittlungsgruppe in den vergangenen zwölf Monaten mehr als 1,2 Tonnen Kokain sichergestellt haben, darunter fast 700 Kilogramm im Herbst. Bekannt wurde darüber nichts, um die Suche nach den Tätern nicht zu gefährden. Ziel der Arbeit ist es weniger, die Kuriere und die Mitläufer festzunehmen, sondern die Hintermänner.
Angeblich war Metallschrott im Container
Bestätigt hat die Staatsanwaltschaft am Freitag, dass in einem Container im Hafen im April insgesamt 600 Kilogramm Kokain sichergestellt wurden - nach zuvor monatelang geführten Ermittlungen. Vier Wochen später wurden neun Männer im Alter zwischen 34 und 49 Jahren festgenommen. Alle sitzen in Untersuchungshaft. Zu den Beschuldigten gehörten auch mindestens zwei Hafenarbeiter, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Weitere Details über die Festgenommenen wurden nicht mitgeteilt - und auch nicht, was sich in dem Container offiziell befand. Der „Spiegel“ schreibt, dass die Kiste aus Peru angekommen sei und Metallschrott enthalten sollte und den Helfern im Hafen für ihre Dienste 100.000 Euro angeboten worden sein soll. Die Drogen seien in Sporttaschen verpackt gewesen.
Hafenarbeiter auf der Anklagebank - das kommt immer wieder vor. 2016 wurden vier Männer zu Haftstrafen zwischen einem und mehr als acht Jahren verurteilt, weil sie geholfen hatten, 430 Kilogramm Kokain aus dem Hafen zu schaffen. Ein Jahr später standen sechs Arbeiter vor Gericht. Und am Bremer Landgericht steht ein Verfahren gegen fünf frühere Hafenarbeiter noch aus, die bereits 2019 Kokain im Wert von 13 Millionen Euro geschmuggelt haben sollen.
Im aktuellen Fall sollen die Drogenschmuggler die Hafenmitarbeiter für die Bergung und den Weitertransport des Kokains angeworben haben, wie ein Sprecher von Justizsenatorin Claudia Schilling (CDU) sagte. Alle Versuche, die Ware aus dem Hafen zu bekommen, seien jedoch gescheitert, auch wegen der Bemühungen der Polizei.
Immer mehr organisiertes Verbrechen in den Häfen
Einem Bericht von Europol zufolge infiltriert das organisierte Verbrechen zunehmend die großen Häfen. Antwerpen, Rotterdam und Hamburg gehörten demnach zu den Hauptzielen krimineller Unterwanderung. Die Banden würden Hafenbeamte oder Mitarbeiter von Firmen bestechen, Komplizen einschleusen und digitale Sicherheitscodes von Containern knacken.
Schilling fordert schon seit dem vergangenen Jahr mehr Unterstützung vom Bund, weil sich der Drogenhandel von Belgien und den Niederlanden nach Deutschland verlagere. In den Westhäfen seien die Sicherheitsmaßnahmen stark erhöht worden. Bundesfinanzminister Christian Lindner lehnt aber schärfere Zollkontrollen ab und sieht die Verantwortung bei der Polizei.
In seiner Bilanz für 2022 hatte das Hauptzollamt Bremen im Mai mitgeteilt, im vergangenen Jahr zum dritten Mal nach 2017 und 2020 mehr als eine Tonne Kokain im Überseehafen sichergestellt zu haben. Der Schwarzmarktwert liege bei mindestens 100 Millionen Euro. Wegen der noch laufenden Ermittlungen wurde keine weitere Auskunft gegeben.
Tatort Hafen
Drogenhandel, Schmuggel, Organisierte Kriminalität - und mittendrin Hafenarbeiter, die mitmachen. Seit gut einem Jahr können Beschäftigte aus den Häfen oder den Behörden auf einem Meldeportal der Justizsenatorin anonyme Hinweise geben. Es heißt „Tatort-Hafen“.Zugreifen können auf die Hinweise nur zwei Staatsanwälte, deren Arbeitsschwerpunkt die Organisierte Kriminalität im Hafen sein soll. www.bkms-system.com/tatort-hafen