ADHS: Bedenkliche Selbstdiagnosen via TikTok

Für Jugendliche ist die Video-Plattform TikTok eine Hauptinformationsquelle. Foto: dpa
Auf TikTok kursieren Videos, in denen Nutzer vermeintliche ADHS-Symptome aufzeigen. Viele Jugendliche orientieren sich daran - das birgt Gefahren und hat betrügerisches Potenzial.
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„So erkennst du ADHS in 10 Sekunden“, titelt ein junger Mann auf TikTok, der nach eigenen Angaben Medizin im vierten Semester studiert. Als Anzeichen für die Erkrankung nennt er Aufmerksamkeitsprobleme, Hyperaktivität und Impulsivität. Eine andere Nutzerin zeigt sich auf der Social-Media-Plattform mit einem Video, das den Titel „Anzeichen von ADHS“ trägt. Darin nennt sie verschiedene Probleme, etwa Schwierigkeiten Sachen zu Ende zu bringen oder Entscheidungen zu treffen sowie das Abschweifen von Gedanken. Das sind nur zwei von vielen Videos auf TikTok, die zum Thema ADHS kursieren. ADHS ist die Abkürzung für Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung. Laut Robert Koch-Institut sind bundesweit etwa vier Millionen Menschen davon betroffen.
Die selbst produzierten Videos auf der Plattform treffen einen Nerv. Allein der Hashtag #adhs hat über 430 Millionen Aufrufe. Die Kommentarspalten sind voll von Nutzern, die angeben, die Anzeichen auch bei sich zu erkennen. Dabei sind die Symptome sehr allgemein gehalten: Unordnung, Vergesslichkeit, Impulseinkäufe, das Horten von Sachen.
Der Wahrheitsgehalt der TikTok-Videos ist fraglich. Eine kanadische Studie hat herausgefunden, dass rund die Hälfte der Videos zu ADHS Fehlinformationen enthalte. So würden Symptome genannt, die der Erkrankung nicht zuzurechnen seien. Die „ADHS-Paralyse“ etwa, also das Gefühl, unfähig zu sein, etwas zu tun und sich wie gelähmt zu fühlen, sei kein ADHS-Symptom, heißt es in der wissenschaftlichen Analyse.
Manche Nutzer wollen Geschäfte machen
Ein weiteres Problem: Der Algorithmus erkennt durch Likes, Kommentare und Verweildauer, welche Inhalte einem Nutzer gefallen. Als Folge werden ihm immer weitere Videos zu diesem Thema angezeigt. Manche wollen diesen Mechanismus für sich nutzen. So versuchen einzelne Nutzer, Coachingstunden oder gar Tropfen zu verkaufen, die ADHS-Symptome lindern sollen.
Ein Sprecher der deutschen Geschäftsstelle des chinesischen Unternehmens TikTok in Berlin teilte dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit: „Wir sind stolz darauf, dass TikTok zu einem Ort geworden ist, an dem Menschen ihre persönlichen Erfahrungen mit Neurodiversität teilen können. Wir arbeiten hart daran, unsere Plattform zu einem sicheren Ort für diese wichtigen Gespräche zu machen.“ TikTok betont, dass jeder, der Rat zu neurologischen Erkrankungen sucht, sich an einen Arzt wenden solle. (epd/san)