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Vor Stadtderby

Als HSV-Trainer Walter mit St. Paulis Hürzeler in Streit geriet

Hamburgs Trainer Tim Walter will vor dem Derby gegen St. Pauli Gelassenheit ausstrahlen. Foto: Marius Becker/dpa

Hamburgs Trainer Tim Walter will vor dem Derby gegen St. Pauli Gelassenheit ausstrahlen. Foto: Marius Becker/dpa

In der Zweiten Liga treffen beide erstmals aufeinander. Eine Vorgeschichte verbindet beide dennoch. Die Brisanz ist groß.

Mittwoch, 19.04.2023, 10:30 Uhr

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Von Felix Schröder und Claas Hennig

Selten hatte das Hamburger Stadtderby eine solche Brisanz wie bei seiner 109. Auflage. Ausgerechnet der ewige Nachbarschafts-Rivale FC St. Pauli kann den Hamburger SV im Aufstiegsrennen der 2. Fußball-Bundesliga ausbremsen und seine eigene Position im Kampf um die ersten drei Plätze verbessern. Doch von Druck will der HSV-Trainer Tim Walter nichts wissen. „Es ist eines der schönsten Spiele„, sagte der 47-Jährige am Mittwoch. Es gebe nicht viele Stadtderbys in Deutschland. „Es ist etwas Besonderes.“

Die Partie am Freitag (18.30 Uhr/Sky) ist ausverkauft. 57.000 Zuschauer werden im Volksparkstadion sein. Erstmals seit der Corona-Pandemie findet das Traditionsduell wieder vor einer solchen Kulisse ab. „Man muss in einer solchen Atmosphäre kühlen Kopf bewahren“, sagte Walter.

Hamburger Stadtduell unter besonderen Vorzeichen

Nach Ansicht seines jungen St. Pauli-Kollegen Fabian Hürzeler wird insbesondere die mentale Verfassung über den Spielausgang entscheiden. „Ich glaube, dass der Kopf eine große Rolle spielt“, sagte er. „Der HSV will seit vielen Jahren aufsteigen, deshalb glaube ich definitiv, dass da etwas im Kopf passiert“, meinte Hürzeler und fügte hinzu: „Genauso wie bei unseren Spielern, da wird auch etwas im Kopf passieren. Wichtig ist, dass wir diese mentale Stärke und Klarheit im Kopf haben.“

Beide Teams gehen mit Negativerlebnissen in das von der Polizei als Risikospiel eingestufte Duell. Die eindrucksvolle Serie des FC St. Pauli mit zehn Siegen war am vergangenen Sonntag gegen Eintracht Braunschweig (1:2) zu Ende gegangen. Der HSV hatte am Abend zuvor beim 1. FC Kaiserslautern (0:2) verloren und kam in den vergangenen fünf Spielen nur auf einen Sieg. Der Verein vom Volkspark rutschte auf den Aufstiegsrelegationsplatz ab, der Club vom Millerntor liegt sechs Punkte hinter dem sieben Kilometer entfernten Rivalen auf Rang fünf.

„Das Wichtige ist, dass wir bei uns bleiben und nicht denken, wir müssen etwas Besonderes machen, nur weil alle es erwarten“, sagte Walter. Zuletzt hatte er immer wieder individuelle Fehler seiner Spieler beklagt. „Man muss die Fehler akzeptieren“, meinte er. „In den letzten Wochen hatten wir das Pech, dass diese bestraft wurden.“

Immerhin kann er am Freitag auf seinen kompletten Kader zurückgreifen. Der in Kaiserslautern im defensiven Mittelfeld schmerzlich vermisste Jonas Meffert ist wieder fit. „Ich habe überall die Qual der Wahl, Ich bin froh, dass ich diese Situation habe“, sagte er.

2017 traf Tim Walter mit dem FC Bayern II auf Fabian Hürzeler

Für ihn ist es nicht die erste Begegnung mit dem erst 30 Jahre alten St. Pauli-Trainer Fabian Hürzeler. Bei einem Spiel 2017 von Hürzelers FC Pipinsried gegen den von Walter trainierten Club Bayern München II in der Regionalliga Bayern waren beide aneinandergeraten. Hürzeler war damals nicht nur Spielertrainer, sondern auch Siegtorschütze. „WIr haben ein gutes Verhältnis“, bekräftigte Walter und meinte zu Hürzelers reiner Trainer-Rolle: „Ich bin gespannt, wie er es dann erlebt.“

Der Pauli-Trainer lobte das „individuell sehr gut besetzte“ Walter-Team, aber er hat einen Plan. „Wir haben auch in den letzten Spielen gesehen: Speziell die Gegner, die sehr mutig waren gegen den HSV, die waren meist erfolgreich“, sagte er. „Wir wollen jetzt nicht nur reagieren auf das, was der HSV macht, sondern wir fahren bewusst dorthin, um das Spiel zu gewinnen“, fügte der jüngste Trainer im deutschen Profifußball hinzu.

Ex-Pauli-Coach Stanislawski: Derby wird „sehr entscheidend“

Für den ehemaligen St. Pauli-Coach Holger Stanislawski hat das Derby richtungsweisende Bedeutung für das Aufstiegsrennen. „Dieses Spiel wird sehr entscheidend sein. Wenn der HSV gewinnt, ist das ein relativ klares Signal, dass die drei Mannschaften da oben den Aufstieg unter sich ausmachen“, sagte Stanislawski in einem Interview des Pay-TV-Senders Sky.

Der ehemalige Chef-Trainer des FC St. Pauli Holger Stanislawski. Foto: Sonnleitner

Der ehemalige Chef-Trainer des FC St. Pauli Holger Stanislawski. Foto: Sonnleitner

„Dass beide Hamburger Mannschaften aufsteigen, glaube ich eher nicht“, sagte Stanislawski angesichts der derzeit vorne liegenden Teams aus Darmstadt und Heidenheim.

Im Volksparkstadion erwartet Stanislawski, der zwischen 2006 und 2011 als Trainer des FC St. Pauli fungierte, ein ausgeglichenes Spiel. „Was die Einzelspieler betrifft, ist der HSV noch einen Tick besser besetzt. Aber in 90 Minuten zählt das nicht – beim Derby kommt es nur auf die Tagesform an“, sagte der 53-Jährige.

Hamburgs Schonlau weiß um „eigene Gesetze“ im Derby gegen St. Pauli

Für HSV-Kapitän Sebastian Schonlau zählt die zuletzt gestoppte Siegesserie des Rivalen nicht sonderlich. „Das hört sich immer blöd an, aber natürlich hat es seine eigenen Gesetze. Und vorher kannst du Serien haben, wie du willst“, sagte der 28-Jährige. Der Innenverteidiger verwies auf das 0:3 des HSV beim Rivalen vom Millerntor in der Hinrunde. „Da waren wir die Mannschaft mit einer guten Serie und Pauli hatte das in dem Fall nicht.“

Sebastian Schonlau vom Hamburger SV geht nach seiner Roten Karte vom Spielfeld. Vor dem Stadtderby gegen den FC St. Pauli setzt der Kapitän auf Gelassenheit. Foto: Marcus Brandt/dp

Sebastian Schonlau vom Hamburger SV geht nach seiner Roten Karte vom Spielfeld. Vor dem Stadtderby gegen den FC St. Pauli setzt der Kapitän auf Gelassenheit. Foto: Marcus Brandt/dp

Vor dem Derby setzt er trotz des Erfolgsdrucks auch auf eine gewisse Gelassenheit. „Natürlich wollen wir die aufkommenden Emotionen mitnehmen“, meinte Schonlau und fügte hinzu, aber auch „nicht komplett durchdrehen“ zu wollen.

St. Paulis Irvine freut sich auf „volles Haus“ im Derby beim HSV

St. Paulis Kapitän Jackson Irvine blickt freudig auf sein erstes Derby im Volksparkstadion ohne Zuschauerbeschränkungen voraus. „Ich freue mich sehr, dort vor vollem Haus zu spielen“, sagte der australische Mittelfeldspieler. Beim letzten Auftritt Irvines im Januar 2022 in der HSV-Spielstätte hatte es noch Corona-Einschränkungen auf den Rängen gegeben, weshalb nur 2000 Zuschauer zugelassen waren.

Das Duell bezeichnete er als „wichtiges Spiel für die Stadt“, für das man als Spieler „keine Extra-Motivation“ brauche. Wenn es um die Bedeutung der Partie gehe, dann sei dies mit Abstand das größte Derby in seiner Karriere, sagte er.

Dafür braucht der 30-Jährige aber keine besonderen Rituale: „Ich bin kein abergläubischer Typ, ich bin sehr entspannt und will mich einfach richtig vorbereiten“, sagte er. Er merke die besondere Derby-Stimmung, wenn Leute in der Stadt auf ihn zukommen würden und viel Glück wünschten.

St. Paulis sportlicher Leiter Andreas Bornemann lobte Irvine zuletzt im „Kicker“. Er erfülle „viele Kriterien“, wenn es um den „den idealen Typen eines St.-Pauli-Profis“ gehe. Der Australier engagiert sich politisch, fährt kein Auto und lebt im Schanzenviertel in der Nähe des Millerntor-Stadions. (dpa)

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