Altenwerder adé: Hommage an ein verlorenes Dorf

Die Kirche St. Gertrud ist alles, was vom Dorf Altenwerder geblieben ist – ein Symbol der Hoffnung. Foto: Lepél
Das Schicksal der Bewohner Altenwerders und der Kampf um ihr Dorf, das der Hafenerweiterung weichen musste, berührt die Menschen im Süderelberaum bis heute. Ehemalige Bewohner der Elbinsel haben Geschichte und Geschichten ihres Dorfes aufgeschrieben.
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Einst war Altenwerder – zwischen Finkenwerder und Francop/Moorburg gelegen – ein idyllisches Dorf an der Elbe mit eigenem Schiffsanleger für Fahrgäste, die von Altenwerder nach Harburg oder zu den Landungsbrücken in Hamburger Hafen und wieder zurück fahren wollten. Aber nur bis Ende der 1970er-Jahre. Dann kam die Hafenerweiterung, und das Dorf musste weichen, damit der Hamburger Hafen wachsen konnte.
Kampf um Erhalt des Dorfs
Bis zu 2500 Bewohner lebten einst in Altenwerder. Sie alle – Alte und Junge – mussten ihr geliebtes Zuhause schweren Herzens verlassen. Lange hatten sie in den Jahren bis zum endgültigen Aus für die Erhaltung ihres Dorfs gekämpft – vergeblich. Alle Häuser wurden nach und nach abgerissen. Heute steht nur noch die Kirche St. Gertrud – für Autofahrer in Richtung Norden bei Tageslicht auf der A 7 kurz vor dem Elbtunnel zu sehen – wie ein Mahnmal inmitten der Containerbrücken. Ein Ort der Erinnerung zwischen dem neuen Container-Terminal und der A 7.
Ein Autoren-Team aus ehemaligen Bewohnern Altenwerders, die ursprünglich zwölf- und später noch sechsköpfige Buchgruppe des Vereins zur Förderung und Erhaltung der St.-Gertrud-Kirche Altenwerder, hat die Geschichte des verlorenen Dorfes aufgeschrieben. Mit ihren ganz persönlichen Erlebnissen aus den letzten Jahrzehnten in Altenwerder haben die ehemaligen Bewohner mit ihrem Buch den Lesern ihre Lebensweise nähergebracht.
Langsamer Abschied
Nun sind sie selbst überrascht, wie groß das Interesse der Menschen in der gesamten Region am Schicksal Altenwerders offenkundig noch immer ist. Denn die erste Auflage der Dokumentation mit vielen berührenden Geschichten, auch auf Altenwerder Platt, war schon kurz nach ihrem Erscheinen Ende vergangenen Jahres im Buchhandel in Harburg Stadt und Land, in Finkenwerder und Buxtehude, sofort vergriffen, berichtet die Gruppe. Zu ihr gehören die ehemaligen Altenwerderaner Gerd Friedrichs, Peter Holst, Werner Oesmann, Bernhard Renk, Telse Seitschek-Flügge und Dr. Claus Siemsen. Inzwischen gibt es eine zweite Auflage, doch auch davon sind nach Auskunft der Autoren nur noch gut 100 Exemplare da.
Der langsame Abschied von Altenwerder begann vor etwa einem halben Jahrhundert. Im Jahr 1961 wurde das Hafenerweiterungsgesetz beschlossen. Von diesem Zeitpunkt an durften die Einwohner Altenwerders nichts mehr bauen oder Wesentliches auf ihren Grundstücken verändern. Viele Bewohner verdrängten anfangs noch die Bedrohung, Haus und Hof zu verlieren – und lange Zeit passierte auch wenig. Dann die Entscheidung: 1973 wurde die Räumung des Dorfs endgültig vom Hamburger Senat beschlossen. Alle Proteste der Einwohner waren vergeblich, letztendlich mussten sie gehen. Einige haben sich seinerzeit nicht damit abgefunden.
Das traurige Ende Altenwerders ist ebenso Teil des Buchs wie die vielen Ereignisse Jahrzehnte und Jahrhunderte zuvor. Bei einer jüngsten Zwischenbilanz der Büchergruppe in der Kirche erinnerten sich die Autoren auch daran, dass sich fünf Ex-Dorfbewohner, unter ihnen auch ein 17-Jähriger, damals das Leben nahmen. In den Folgejahren wurden Häuser in großem Stil abgerissen, 1989 standen nur noch elf Gebäude. Seit 1998 leben in dem einst so friedlichen Stadtteil keine Menschen mehr. Offiziell hat Altenwerder heute noch zwei Einwohner: Das Ehepaar, das seit vielen Jahren den Trucker-Treff am Autohof betreibt, ist noch immer im verschwundenen Dorf gemeldet.
Das Buch
Das Buch „Altenwerder, eine Elbinsel – Geschichte und Geschichten“ (ISBN 978-3-95856-017-8) ist nach langen Recherchen der Autoren unter anderem im Hamburger Staatsarchiv und dem Studium alter Bücher über Altenwerder entstanden. Das Werk eignet sich auch als Weihnachtsgeschenk – gleichermaßen für Alt und Jung. Es kostet knapp 40 Euro.

Die erste Auflage des Buchs war schnell vergriffen. Von der zweiten gibt’s noch 100 Exemplare .