An wen jetzt eine Gedenktafel in Oederquart erinnern soll
Nach einem kurzen Leben in Oederquart beigesetzt: die Zwangsarbeiterkinder Janek Sobon (fünfeinhalb Monate), Antonija Schurawel (vier Monate) und Miezcylaw Strychalski (ein Tag).
Im Mai vergangenen Jahres berichtete das TAGEBLATT über das Schicksal der jüdischen Familie Renner, die von etwa 1800 bis 1938 in Oederquart ansässig war. Jetzt soll auf dem Dorfplatz in Oederquart eine Gedenktafel aufgestellt werden.
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„Die Verfolgung begann in der Nacht zum 9. November 1938 durch Einwerfen der Fensterscheiben. Als Nächstes weigerten sich die Geschäftsleute in Oederquart, meiner Mutter Lebensmittel zu verkaufen. Die Folge war, dass sie ihr Haus weit unter Preis an die Gemeinde verkaufen musste“, schrieb der älteste Sohn von Selma Bernau, geborene Renner.
Danach musste sie mit zwei jüngeren Kindern Oederquart verlassen, am 11. Juli 1942 wurden sie nach Auschwitz deportiert und ermordet. Drei weitere Verwandte wurden Opfer des Nazi-Regimes: die Schwestern Emma, Auguste und Clara Renner, alle drei geboren und aufgewachsen in Krummendeich.
Recherchen für Familienchronik
Hans Tegtmeier hat die Geschichte seiner Familie recherchiert und stieß dabei auf das Schicksal von Selma Bernau, geborene Renner aus Oederquart. Foto: privat
Auch als die Räte wieder tagten, kam das Thema zunächst nicht wieder auf den Tisch. Gemeindedirektorin Erika Hatecke bestätigt, dass es ungewollt verschleppt wurde. „Das hat nichts damit zu tun, dass die Bedeutung eines solchen Gedenkens nicht anerkannt wird. Es gab einfach immer wieder andere Themen, die unter Zeitdruck erledigt werden mussten“, erklärt sie.
In diesem Haus hat Selma Bernau mit ihren Kindern von 1918 bis etwa 1940 gelebt. 1936 erbte sie es von ihrem Vater. Fotos: Helfferich
Gedenktafel mit QR-Code
Im Juni dieses Jahres war das Thema dann doch im Gemeinderat – allerdings im nichtöffentlichen Teil. Damals sei beschlossen worden, auf dem Dorfplatz eine Info-Tafel aufzustellen mit den Namen und den Lebensdaten der Opfer, berichtet Hatecke. Über einen QR-Code könne dann per Smartphone die Geschichte der Familie aufgerufen werden.
Mit QR-Code zu arbeiten, hatte Hans Tegtmeier selbst vorgeschlagen. Die Gedenktafel soll nun im Stil der Info-Tafeln gestaltet werden, die im Laufe der Dorferneuerung in Oederquart aufgestellt wurden. Den Text hat Tegtmeier selbst entworfen. Die Tafel werde nun in Auftrag gegeben, versichert Hatecke, die sich kürzlich mit Tegtmeier getroffen hat.
Symbol gegen das Vergessen
Tegtmeier ist froh, dass seinem Wunsch nun entsprochen wird. „Es geht hier nicht um meine Familie, es soll ein Symbol gegen das Vergessen gesetzt werden“, sagt er. Wenn die Gedenktafel fertig ist, soll es einen offiziellen Termin auf dem Dorfplatz geben, so Hatecke. Hans Tegtmeier wird dabei sein.
Auch bei einem weiteren Thema ist die Gemeinde Oederquart weitergekommen. Michael Quelle hatte vor drei Jahren auf fehlende Grabplatten dreier Zwangsarbeiterkinder hingewiesen – eines lebte nur einen Tag.
Grabtafeln für gestorbene Kinder
Ende der 50er Jahre waren die Platten entfernt und die Namen der drei Kinder aus der Kriegsgräberliste gestrichen worden. Damit erlosch das „Ruherecht“ und die Gemeinde erhielt keine Grabpflegepauschale mehr. Da aber die Grabstätten der Kinder nie überbettet wurden, können sie wieder in die Liste aufgenommen werden. „Dann sind es wieder geschützte Gräber mit bleibendem Ruherecht“, so Quelle.
Inzwischen gibt es für die Kinder auf dem Oederquarter Friedhof wieder drei Namenstafeln, die die Gemeinde anfertigen ließ. Hatecke bedauert, dass dies so lange gedauert hat. Zunächst habe es Unsicherheiten wegen der Schreibweise der Namen gegeben, dann kam es zu Verzögerungen beim beauftragten Steinmetz. Seit August liegen nun endlich die Platten auf den Gräbern.
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Hans Tegtmeier kam kürzlich in den Landkreis, um mit Samtgemeinde- bürgermeisterin Erika Hatecke über das Gedenken an seine jüdischen Angehörigen zu sprechen. Fotos: Helfferich